Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Alfred B*** und Walther W*** wurden des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB. schuldig erkannt. Nach dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil haben sie am 22.April 1985 in Graz den 85-jährigen Arzt Dr. Franz J*** am Hals erfaßt, ihm den Mund zugehalten, ihn durch das wiederholte Versetzen von Fausthieben zu Boden geschlagen, ihm dort Fußtritte versetzt und schließlich geäußert, sie würden ihn abstechen, wenn er nicht sage, wo er sein Geld habe, und dadurch Dr. J*** mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einen Bargeldbetrag von ca. 15.000 S mit dem Vorsatz weggenommen, durch dessen Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern. Dr. J*** erlitt durch die ausgeübte Gewalttätigkeit eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (Siechtum und Berufsunfähigkeit).
Nur in Ansehung der Qualifikation nach dem (richtig) vierten Fall des § 143 StGB. (Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen) bekämpft der Angeklagte W*** das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 10 (richtig: § 345 Abs 1 Z. 12) StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Darin bringt er vor, das Raubopfer habe nur leichte Verletzungen erlitten, welche im seelischen Bereich zu einem Siechtum führten. Ein solches seelisches Siechtum stelle aber keine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen dar.
Rechtliche Beurteilung
Die Anwendung des zweiten Strafsatzes des § 143 StGB. setzt voraus, daß die Gewaltanwendung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB.) zur Folge hatte. Solche schweren Dauerfolgen sind nach § 85 Z. 3 StGB. gegeben, wenn die Tat für immer oder für lange Zeit ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten zur Folge hat. Beides, nämlich Siechtum und Berufsunfähigkeit des Verletzten als Tatfolge, traf nach den im Verdikt der Geschwornen getroffenen Feststellungen zu. Letzteren Umstand übergeht der Beschwerdeführer zur Gänze. Davon abgesehen hat der Wahrspruch aber auch seine Grundslage in dem Gutachten des gerichtsärztlichen Sachverständigen Prof.Dr. M***, der ausführte, daß der Verletzte bis zur Tat seinen Beruf als Arzt, wenngleich mit Einschränkungen, ausgeübt hat, wozu er seitdem nicht mehr in der Lage ist (S. 391, 411).
Unter Beruf ist das gesamte soziale Tätigkeitsfeld des Opfers gemeint, das trotz dessen hohen Alters in einer bis zur Tat andauernden (zwar eingeschränkten, aber beispielsweise gerade die beiden Angeklagten einschließenden) Ausübung des Arztberufs bestand. Aber auch die Tatfolge des Siechtums wurde mit Recht bejaht, weil Dr. J*** durch die Folgen der brutalen Mißhandlung dauernd pflegebedürftig wurde, nun an einen Rollstuhl gefesselt ist und die bisherige Lebensführung in seiner mit der Ordination verbundenen Wohnung gegen die Unterbringung in einem geriatrischen Krankenhaus vertauschen mußte. Hiefür ursächlich waren nicht etwa nur der psychische Schock des Überfalls und das neunzehnstündige hilflose Liegen auf dem Fußboden nach diesem Überfall, sondern die Schläge auf den Kopf, die nach dem angeführten Gutachten zu Störungen des Gedächtnisse und des Denkens, verlangsamter Auffassung und einem Verlust an Initiative führten (S. 391). Im übrigen können auch rein psychische Einwirkungen eine Gesundheitsschädigung (§ 83 Abs 1 StGB.) bewirken, wenn dadurch ein körperlich oder seelisch krankhafter Zustand herbeigeführt wird (Kienapfel BT. I 2 RN. 19). In gleicher Weise können schwerere qualifizierende Tatfolgen im psychischen Bereich liegen, sofern sie den Gesamtzustand des Tatopfers in einem den §§ 84 Abs 1 oder 85 StGB. entsprechenden Ausmaß beeinträchtigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschwornengericht verurteilte sowohl B*** als auch W*** nach dem von zehn bis zu zwanzig Jahren reichenden (richtig: zweiten) Strafsatz des § 143 StGB. zu je vierzehn Jahren Freiheitsstrafe und wies B*** gemäß § 21 Abs 2 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ein.
Als erschwerend wurden bei beiden Angeklagten deren einschlägigen Vorstrafen sowie die zweifache Tatqualifikation gewertet, bei B*** überdies dessen rascher Rückfall; mildernd fiel das Geständnis beider Angeklagten ins Gewicht. Alfred B*** und Walther W*** berufen gegen das Strafmaß, die Staatsanwaltschaft bekämpft dieses als zu gering. Der Berufung der Anklagebehörde kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu, weil das gewaltsame Handeln der Angeklagten im vorliegenden Fall gerade wegen der Person des Opfers (Alter, Beruf) zu den die Strafdrohung bestimmenden (§ 32 Abs 2 StGB.) Qualifikationen führte, die Vorstrafen ohnehin als besonderer Erschwerungsgrund genannt wurden und B*** der vorbeugenden Maßnahme des § 21 Abs 2 StGB. unterworfen worden ist. Soweit B*** meint, daß weder spezial- noch
generalpräventive Gründe das über ihn gefundene Strafmaß begründen könnten, übersieht er, daß seine Schuld, die Grundlage der Bemessung seiner Strafe (§ 32 Abs 1 StGB.), angesichts der Tatfolgen und der angeführten Strafzumessungserwägungen sehr schwer ins Gewicht fällt. Sein Geständnis wurde ausdrücklich als mildernd gewertet. Auch ist es im vorliegenden Fall durchaus vertretbar, daß beide Räuber im selben Ausmaß bestraft werden, obwohl das Geständnis B*** weiterreichend gewesen sein soll, weil er einen Erschwerungsgrund mehr zu verantworten hat.
Entgegen der Meinung des Berufungswerbers W*** bot keine verlockende Gelegenheit Anlaß zu dem Raubüberfall. Daß der Überfallene gern bereit war, als Arzt Rezepte auszustellen, ist nicht im mindesten ein Grund, ihn unter Anwendung massiver Gewalt zu berauben und körperlich schwer zu schädigen. Das Imstichlassen des hilflosen Raubopfers nach der Tat wurde gar nicht als erschwerend gewertet, obwohl es so einzustufen ist. Der Raub wurde mit Gewalt zur Erlangung fremden Eigentums begangen; die Vorverurteilungen sowohl wegen Gewalt- als auch wegen Eigentumsdelikten beruhen daher allesamt auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB.) wie die jetzt abgeurteilte Tat.
Da somit beide Angeklagten keine Gründe nennen können, welche ihre Tat in einem günstigeren Licht erscheinen ließen, waren auch ihre Berufungen erfolglos.
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