OGH 13Os97/16p

OGH13Os97/16p12.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin L***** wegen Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 29. Juni 2016, GZ 38 Hv 57/14v‑174, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00097.16P.1012.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 13 Os 93/15y) der Verbrechen der Brandstiftung nach §§ 169 Abs 1, 15 StGB schuldig erkannt. Unter Berücksichtigung des bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 1 Bundesgesetz vom 24. Mai 1929 gegen den Missbrauch von Notzeichen wurde er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er an fremden Sachen ohne Einwilligung des Eigentümers durch Einbringung fremder Zündquellen, teils unter Zuhilfenahme brandunterstützender Flüssigkeiten, Feuersbrünste verursacht, nämlich

1./ in M*****

a./ am 26. November 2012 an einem auf einem Holzlagerplatz gelagerten Holzstoß der V***** GmbH, wobei es beim Versuch blieb,

b./ am 22. März 2013 an einem Holzstoß auf einem Holzlagerplatz von Franz S*****, Johann K***** und Manfred E*****, wobei es beim Versuch blieb,

c./ am 7. April 2013

aa./ an einem unmittelbar neben einem Wohnhaus und einer Kirche befindlichen Holzstoß der Sabine W*****, wobei es beim Versuch blieb,

bb./ an der unmittelbar an Weinberge angrenzenden Gartenhütte der Susanne T*****, wobei es beim Versuch blieb,

d./ am 4. August 2013

aa./ am Mischwald der Stadtgemeinde M***** durch Anzünden zweier Holzstümpfe, wobei es beim Versuch blieb,

bb./ an einem im Mischwaldgebiet in M***** gelagerten Holzstoß des Karl H*****, wobei es beim Versuch blieb,

2./ in K*****

a./ am 30. Jänner 2014 an der Gartenhütte des Franz Lu*****,

b./ am 8. Februar 2014 am Bürogebäude des Dr. Werner Sc***** durch Anzünden des direkt an ein Gebäude angrenzenden Müllcontainers, wobei es beim Versuch blieb,

c./ am 14. März 2014 an der Gartenhütte des Dipl.‑Ing. Johann F*****.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung der beiden nachangeführten Anträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt:

- Der Verteidiger hatte unter Hinweis darauf, dass nach Medienberichten am Landesgericht Krems an der Donau „ein oder zwei Personen bestraft wurden, wegen Brandstiftungsdelikten, die in ihrer Art und Weise mit den hier unter Anklage stehenden Fakten gleich gelagert sind“, ohne nähere Präzisierung um „Verlesung der wesentlichen Feststellungen, und zwar des Tatzeitraumes und der Art der Tat zum Beweis dafür, dass für die hier unter Anklage stehenden Fakten ebenso andere Personen, zumindest im gleichen Maße in Betracht kommen als Täter“ ersucht. Ergänzend führte er aus, dass insbesondere „der Wohnort dieser Täter und ob sie mit motorisiert waren“, interessiere (ON 173 S 23 f).

Eine Beweisführung mit dem Ziel, abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, ist grundsätzlich im Ermittlungsverfahren statthaft, nicht mehr jedoch in der Hauptverhandlung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330). Der Antrag zielte solcherart auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS‑Justiz RS0099421).

- Ebenso wenig ließ der ersichtlich auf die Schuldspruchpunkte I 2 a und c bezogene Antrag auf Beischaffung „der Unterlagen der Freiwilligen Feuerwehr Stein, betreffend jenen technischen Einsatz im 1. Quartal 2014“ zum Beweis der Anwesenheit der „beiden in den anderen Verfahren Angeklagten und Verurteilten mit ihren Mopeds in der Nähe des Tatortes“ im Tatzeitraum (ON 173 S 25) erkennen, warum die begehrte Beweisaufnahme dieses Ergebnis erwarten lasse. Zudem zeigte er nicht auf, weshalb dies für einen Ausschluss der Täterschaft des Angeklagten von Bedeutung sein sollte. Auch dieses Begehren erfüllte daher nicht die Zulässigkeitskriterien für Beweisanträge (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 332 f)

Der Kritik an der Begründung der Abweisung durch das Erstgericht ist zu erwidern, dass diese nicht unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS‑Justiz RS0121628).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind auf Grund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583). Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt die – im Übrigen überwiegend ohne die gebotene Bezugnahme auf konkrete Aktenstellen (RIS‑Justiz RS0124172) ausgeführte – Tatsachenrüge.

Mit eigenen Beweiswerterwägungen zu den Aussagen der Zeugen Dr. Ho***** (US 10), Dipl.‑Ing. Johann F***** (US 10 f), Melitta Hi***** (US 12 f), Ernestine Ed***** (US 13) und Heinrich B***** (US 13 f) wendet sich der Beschwerdeführer unzulässig gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung. Gleiches gilt, soweit sich die Rüge mit eigenen Auffassungen gegen die Erwägungen des Schöffensenats zu den Aufzeichnungen der Überwachungskamera vor dem Haus des Angeklagten (US 11 f) und zu den polizeilichen Erhebungen betreffend einen vom Angeklagten als Alibi behaupteten Einkauf (US 12) richtet.

Inwieweit das Beweisergebnis, wonach die Zeugin Gerlinde Ec***** am 7. April 2013 gegen 03:00 Uhr einen eine Zigarette rauchenden und in Richtung des kurz danach entdeckten Brandgeschehens blickenden Mann wahrnahm, diesen jedoch bei der Polizei nicht identifizieren konnte (vgl US 14), erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen wecken sollte, bleibt offen.

Dass unter anderem die Expertise des neurologisch‑psychiatrischen Sachverständigen Dr. Richard Bi***** zum „Wesen des Angeklagten“ (US 11, 16 f) bei der Beurteilung von dessen Glaubwürdigkeit herangezogen wurde (insbesondere US 17), stellt entgegen der Auffassung des Nichtigkeitswerbers keine Scheinbegründung (der Sache nach Z 5 vierter Fall) dar.

Dem Beschwerdeeinwand (der Sache nach Z 5 zweiter Fall) zuwider waren die Tatrichter mangels erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen nicht verhalten, auf die – erneut ohne Aktenbezug bloß behaupteten (vgl aber RIS‑Justiz RS0124172) – Umstände, dass beim Angeklagten keine Brandbeschleuniger aufgefunden wurden und bei der Gartenhütte des Franz L***** (Schuldspruch I 2 a) auch ein Feldstecher gestohlen worden sei, gesondert einzugehen. Soweit eine nicht vorgenommene DNA‑Untersuchung der leer aufgefundenen Schachtel dieses Feldstechers kritisiert wird, legt die Rüge nicht dar, wodurch der Beschwerdeführer an einer entsprechenden Antragstellung gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Das Vorbringen über ein Motiv des Peter J*****, die „Straftaten vorzutäuschen“ und dem Angeklagten „in die Schuhe zu schieben“, ist ebenso wie die Mutmaßungen über „vermutlich“ vom Genannten verfasste E‑mails rein spekulativ und bekämpft erneut unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter (US 17 f).

Gleiches gilt für den auf eigene Auffassungen gestützten Einwand, dass es sich entgegen den Feststellungen des Erstgerichts (vgl US 5 f, 15 f) jeweils um „isolierte und kleinräumige Brände“ gehandelt habe, durch die keine Gefährdung für Leib oder Leben der bei der Brandbekämpfung involvierten (aus mehreren Personen zusammengesetzten) Einsatzkräfte bestanden hätte. Soweit die Rüge die bezughabenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite mit selbständigen Erwägungen „als ein auf Mutmaßungen basiertes Konstrukt“ bezeichnet, geht sie mangels Bezugnahme auf aktenkundige Beweisergebnisse ins Leere. Unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen und der Persönlichkeit des Angeklagten (US 15 f) nicht zu beanstanden.

Der Umstand, dass aus den von den Tatrichtern angeführten Prämissen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen hätten gezogen werden können, ist für sich allein nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO abstellt (RIS‑Justiz RS0099674).

Die pauschale Kritik, aus der Beweiswürdigung ließen sich „keine Hinweise dafür ableiten, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse des Erstgericht zu den“ (nicht näher angeführten) „erwähnten Feststellungen gelangt ist“ (der Sache nach Z 5 vierter Fall), geht daran vorbei, dass zur deutlichen und bestimmten Bezeichnung eines Begründungsmangels konkret auf jene Feststellungen Bezug genommen werden muss, auf die sich dieser beziehen soll (RIS‑Justiz RS0130729).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich mit der bloßen Behauptung, nicht jeder Feuerwehreinsatz gehe mit einer Gefährdung für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl von Menschen einher, prozessordnungswidrig nicht am festgestellten Sachverhalt (RIS‑Justiz RS0089810). Gerade gegenteilig zum Beschwerdevorbringen konstatierte nämlich das Erstgericht, dass durch die Tathandlungen zu 1 a bis c, 1 d bb und 2 konkret Leib und Leben der mit den Löscharbeiten befassten Mitglieder (zumindest) der Feuerwehr gefährdet waren sowie zu 1 d aa gefährdet gewesen wären und wonach der Vorsatz des Angeklagten auch diesen Umstand erfasste (US 6 ff, 15 f; vgl 15 Os 39/16y).

Soweit die Rüge unter dem Aspekt der Gemeingefährlichkeit des Schadensfeuers darüber hinaus Feststellungen über den Wert des beschädigten und des gefährdeten Vermögens vermisst, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565), weshalb diese mit Blick auf die wie dargestellt konstatierte Gefahr für Leib und Leben der Einsatzkräfte für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Feuersbrunst (§ 169 Abs 1 StGB) zusätzlich erforderlich wären (vgl 13 Os 93/15y; siehe zudem Flora in SbgK § 169 Rz 45).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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