OGH 13Os95/16v

OGH13Os95/16v12.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Krenn, LL.M. (WU) als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marinko R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Mai 2016, GZ 65 Hv 164/15k‑93, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00095.16V.1012.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marinko R***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, nämlich eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses bestehend aus zumindest Velimir Sa*****, Stefan G*****, Milan A*****, Vuk M***** und Ut D*****, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Tätern das Verbrechen des Suchtgifthandels nach jedenfalls § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG ausgeführt wird, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin mit einer Reinsubstanz von zumindest 13 % und Kokain, beinhaltend den Wirkstoff Cocain mit einer Reinsubstanz von zumindest 20 %, in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar

I./ im Zeitraum von Anfang März bis Ende April 2014 Osman H***** 20 g Heroin;

II./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Christopher S***** zumindest 65 g Heroin und 4 g Kokain;

III./ im Zeitraum von Mai 2014 (US 7) bis zum 9. Mai 2015 Michael Re***** zumindest 100 g Heroin;

IV./ im Zeitraum von Anfang April 2015 bis zum 9. Mai 2015 Borko J***** zumindest 5 g Heroin;

V./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Gerhard Ho***** 35 g Heroin;

VI./ im Zeitraum von Februar 2014 bis zum 9. Mai 2015 Stefan B***** zumindest 7 g Kokain;

VII./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Alena L***** zumindest 8 g Heroin;

VIII./ im Zeitraum von März bis Mai 2014 Maximilian Jo***** 36 g Heroin;

IX./ zu nicht mehr festzustellenden Zeitpunkten im Jahr 2014 Markus La***** 8 g Heroin;

X./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Markus La***** zumindest 15 g Heroin;

XI./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Birol Bo***** zumindest 3 g Heroin;

XII./ im Zeitraum vom 4. März 2014 bis zum 9. Mai 2015 Osman H***** zumindest 15 g Heroin;

XIII./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Bozidar Rad***** 22 g Heroin;

XIV./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Petra Ra***** 10 g Heroin;

XV./ im Zeitraum von Anfang April 2014 bis Ende Mai 2014 Margita J***** zumindest 15 g Heroin;

XVI./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Margita J***** zumindest 15 g Heroin;

XVII./ im Zeitraum vom 4. März 2015 bis zum 9. Mai 2015 Danijel Ras***** zumindest 28 g Heroin;

XVIII./ am 4. März 2015,

XIX./ am 5. März 2015,

XX./ am 25. März 2015,

XXI./ am 27. März 2015,

XXII./ am 30. März 2015 sowie

XXIII./ am 4. April 2015

jeweils dem unbekannten Abnehmer „Lukas“ zumindest 1 g Heroin;

XXIV./ am 26. März 2015 und

XXV./ am 17. April 2015

jeweils dem unbekannten Abnehmer „Patrick“ zumindest 1 g Heroin oder Kokain (US 7 f);

XXVI./ am 30. April 2015 dem unbekannten Abnehmer „Patrick“ zumindest 1 g Kokain;

XXVII./ am 1. Mai 2015 dem unbekannten Abnehmer „Patrick“ zumindest 1 g Heroin oder Kokain (US 7 f);

XXVIII./ am 30. April 2015 dem unbekannten Abnehmer „Concita“ zumindest 1 g Kokain;

XXIX./ am 6. Mai 2015 dem unbekannten Abnehmer „Edo“ zumindest 1 g Kokain;

XXX./ am 8. Mai 2015 dem unbekannten Abnehmer „Edo“ zumindest 1 g Heroin und 1 g Kokain.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Beschwerdeauffassung zuwider haben sich die Tatrichter mit den voneinander abweichenden Angaben des Zeugen Christopher S***** betreffend den Aufenthalt des Angeklagten in Österreich im Jahr 2014 unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) hinreichend auseinandergesetzt (US 9 f). Zur gesonderten Erörterung der Aussage des Genannten betreffend seine Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe während dieser Zeit waren die Tatrichter dem Gebot gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten.

Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer eine unzureichende Erörterung (Z 5 zweiter Fall) seiner vom Schöffensenat als Schutzbehauptung qualifizierten Verantwortung (US 13) einwendet.

Die Kritik (nominell Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe entgegen dem Grundsatz der amtswegigen Wahrheitsforschung keinerlei Erhebungen hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe des Zeugen Christopher S***** getätigt, geht schon daran vorbei, dass die Unterlassung bestimmter Erhebungen nicht nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO, sondern nur dann, wenn in der Hauptverhandlung ein entsprechender Antrag gestellt wurde, nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO gerügt werden kann (RIS‑Justiz RS0099400). Solcher Antragstellung entgegenstehende – gegebenenfalls unter dem Aspekt der Z 5a relevante – Hindernisse werden nicht genannt (dazu RIS‑Justiz RS0114036 und RS0115823).

Dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider hat der Zeuge Christopher S***** auch hinsichtlich des Aufenthalts des Angeklagten in Österreich im Jahr 2014 Angaben gemacht (ON 75 S 19 ff iVm ON 26 S 47, S 53). Darüber hinaus geht die Rüge prozessordnungswidrig daran vorbei, dass die Tatrichter die Feststellungen über den Aufenthaltszeitraum des Angeklagten in Österreich im Jahr 2014 nicht allein auf die Aussagen des Zeugen Christopher S*****, sondern auch auf jene des Zeugen Michael Re***** gründeten (vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 455).

Dem Vorwurf der Scheinbegründung (Z 5 vierter Fall) zuwider stützten die Tatrichter die Feststellungen zum Reinheitsgehalt des Heroins nicht auf das in der Hauptverhandlung verlesene Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht gegen Stefan G***** vom 30. September 2015, AZ 63 Hv 82/15m (ON 48; ON 92 S 15). Vielmehr gründete das Erstgericht diese auf den Untersuchungsbericht des bei Stefan G*****, der dem Angeklagten in der kriminellen Vereinigung als „Läufer“ nachfolgte und das Suchtgift von den selben Hintermännern bezog, sichergestellten Heroins mit 14%‑igem Reinheitsgehalt (ON 27) in Zusammenschau mit den eine ähnlich gute Qualität des vom Angeklagten in Verkehr gesetzten Heroins bestätigenden Angaben der Zeugen S***** und J*****. Davon ausgehend konstatierten die Tatrichter zu Gunsten des Angeklagten einen Reinheitsgehalt von 13 % (US 12).

Entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) liegt der im genannten Urteil bei allen Suchtgiftgeschäften des Stefan G***** festgestellte Reinheitsgehalt des Heroins bei 15 % (ON 48 S 9, 11). Soweit diesbezüglich im Referat der entscheidenden Tatsachen zu den Schuldsprüchen A 4, 7 und 9 eine Reinsubstanz von „zumindest 5 %“ genannt wird (ON 48 S 3), handelt es sich um einen offenkundigen Schreibfehler, der nicht gesondert erörterungsbedürftig war.

Der Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) kann der Beschwerdeauffassung zuwider niemals Gegenstand des formellen Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO sein (RIS‑Justiz RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zu den Schuldsprüchen XXIV, XXV und XXVII Feststellungen dazu, um welches Suchtgift und um welche Mengen desselben es sich handelt. Dabei orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Konstatierung, wonach es sich jeweils um 1 g Heroin mit einem Reinheitsgehalt von 13 % oder um 1 g Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 20 % handelte (US 7 f; die Anführung des Faktums „XVII“ anstelle von „XXVII“ [US 7] beruht auf einem offfenkundigen Schreibfehler). Zudem leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, welche weiteren Feststellungen für die Erfüllung der Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 3 SMG erforderlich sein sollten, zumal eine das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigende Menge bereits durch die den übrigen Schuldsprüchen zugrunde liegenden Suchtgiftmengen erreicht wurde (vgl hiezu Fabrizy , Suchtmittelrecht 5 § 28a Rz 11; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 588).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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