OGH 13Os84/17b

OGH13Os84/17b11.10.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Jamshed K***** wegen Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 7. April 2017, GZ 39 Hv 21/17p‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00084.17B.1011.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Konfiskation aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jamshed K***** – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – mehrerer Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach hat er in Innsbruck als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er den Transport folgender afghanischer Staatsangehöriger, die über keine aufrechte Einreise- oder Aufenthaltsbewilligung für den Schengenraum verfügten, im einverständlichen Zusammenwirken mit (im Urteil namentlich genannten) weiteren Mitgliedern dieser Vereinigung organisierte und ihnen telefonisch Anweisungen zur jeweiligen Weiterreise erteilte sowie weitere Kontaktpersonen vermittelte, nämlich

(1) im Sommer und Herbst 2015 des Mohammad H***** und des Esmatullah Ha***** von Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Griechenland;

(2) im Sommer 2016 des Mohamad O***** und der Khatera M***** von Afghanistan über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

 

Ihrer Erledigung ist vorauszuschicken, dass Bezugspunkt des in § 114 Abs 1 FPG normierten erweiterten Vorsatzerfordernisses (die unrechtmäßige Bereicherung des Täters oder eines Dritten durch) ein für die Schlepperei geleistetes Entgelt ist. Deren Tathandlung besteht in einem Fördern der Ein- oder Durchreise eines Fremden (und nicht zwingend in dessen Befördern: 11 Os 13/16w; vgl Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 10). Handelt es sich (im Einzelfall) um ein Befördern, so ist eine durch ein hiefür geleistetes Entgelt erzielte Bereicherung nur unrechtmäßig, soweit dieses einen (für die jeweilige Beförderungsleistung allenfalls gebührenden) adäquaten Fuhrlohn übersteigt (vgl EBRV 952 BlgNR 22. GP  111).

Nach dem Urteilssachverhalt war jenes „Fördern“, durch ein für das zu leistendes Entgelt von 5.000 USD (Schuldspruch 1) und 14.000 Euro (Schuldspruch 2) der Angeklagte „sich und die weiteren Mitglieder der kriminellen Vereinigung“ „unrechtmäßig bereichern“ wollte (US 8), hier nicht die Durchführung von Transporten, sondern die „Organisation“ (US 5, 6 f) entsprechender Reisebewegungen (vgl auch US 5: durch Schlepper [bloß] begleiteter Transport sowie durch Anweisungen der Schlepper unterstützte Weiterreise).

Der Beschwerdeführer wendet ein, die rechtliche Annahme der vom Tatbestand geforderten überschießenden Innentendenz hätte unter dem Aspekt hinreichenden Sachverhaltsbezugs (neben den oben referierten) noch zusätzliche Feststellungen zu einem gegenüber dem „adäquaten Fuhrlohn“ „überhöhte[n] Entgelt“ sowie dazu vorausgesetzt, „welches Entgelt angemessen wäre“ und „ob hier tatsächlich eine unrechtmäßige Bereicherung vorliegt“.

Mit dem bloßen Hinweis auf – nach dem oben Gesagten hier gar nicht in Rede stehendeFuhrlöhne und Taxispesen betreffende – Aussagen in Gesetzesmaterialien (EBRV 952 BlgNR 22. GP  111), Rechtsprechung (13 Os 9/14v) und Schrifttum (Tipold in WK2 FPG § 114 Rz 12) versäumt er es (schon), nach Maßgabe juristisch geordneter Gedankenführung darzulegen, weshalb die festgestellten Förderungshandlungen überhaupt einen Anspruch auf eine dafür angemessene Entlohnung begründen sollten (siehe aber RIS‑Justiz RS0116565).

Ebenso wenig macht er klar, aus welchem Grund der Tatbestand des § 114 Abs 1 FPG – entgegen dessen Wortlaut – (über den hierauf gerichteten Vorsatz hinaus auch) den Eintritt einer unrechtmäßigen Bereicherung erfordern sollte (dazu RIS‑Justiz RS0130267 [T2]).

Das übrige Vorbringen strebt (der Sache nach aus Z 10) den Wegfall der Qualifikation nach § 114 Abs 4 erster Fall FPG an.

Die vom Beschwerdeführer vermisste Feststellung, dass „zumindest mehr als zwei Personen ein gemeinsames, ausgerichtetes Ziel haben“, findet sich auf US 5. Danach setzte der Angeklagte das vom Schuldspruch I erfasste Verhalten – mit entsprechender Willensausrichtung (US 8) – als Mitglied eines „auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses“ von mehr als zwei (nämlich des Beschwerdeführers und sechs weiterer) Personen, dessen Zielsetzung in der (arbeitsteiligen) Ausführung „mehrere[r] Verbrechen (nach § 114 FPG)“ durch seine Mitglieder bestand.

Die weitere Rüge zieht aus im Urteil erwähnten Umständen (Verwandtschaft einzelner Mitglieder der Vereinigung teils miteinander, teils mit von ihnen geschleppten Personen; vgl US 5, 6) – anhand eigenständiger Plausibilitätserwägungen – dem entgegengesetzte Schlüsse.

Indem sie solcherart insgesamt vom Urteilssachverhalt abweicht, verfehlt sie die prozessförmige Darstellung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 584, 593).

Hinzugefügt sei, dass die unter Verwendung von verba legalia (des § 278 Abs 2 StGB) getroffenen Feststellungen zu einer Willenseinigung („Zusammenschluss“; dazu Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 5) und zur zeitlichen Komponente („längere Zeit“; dazu RIS‑Justiz RS0125232) einen fallkonkret hinreichenden Sachverhaltsbezug (RIS‑Justiz RS0119090 [T1, T3]) aufweisen (insbesondere US 5, 6, 8).

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil im Ausspruch über die Konfiskation des Mobiltelefons Samsung GTI9300 (US 4) nicht geltend gemachte, gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO anhaftet, weil das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich unterließ (RIS‑Justiz RS0088035 [insbesondere T7]).

Da sich die Berufung des Angeklagten nicht gegen die Konfiskation richtet und auch die Staatsanwaltschaft diesen Ausspruch nicht zum Vorteil des Angeklagten bekämpft, ist dem Berufungsgericht zufolge Beschränkung auf die der Berufung unterzogenen Punkte (§ 295 Abs 1 erster Satz StPO) die amtswegige Wahrnehmung dieser Nichtigkeit verwehrt (RIS‑Justiz RS0130617). Demzufolge war das Konfiskationserkenntnis schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 285e StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

 

Bleibt anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass auch die Wertung des „Fehlens des wesentlichen Milderungsgrundes eines umfassenden reumütigen Geständnisses“ des Angeklagten als eine für die Ablehnung der Gewährung einer bedingten Strafnachsicht entscheidende Tatsache (US 27) eine im Sinn des § 281 Abs 1 Z 11 StPO unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (RIS‑Justiz RS0090897). Diesem von der Beschwerde nicht aufgegriffenen Umstand wird das Oberlandesgericht bei der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen haben (RIS‑Justiz RS0122140).

Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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