European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0130OS00082.23T.1115.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde DI (FH) Ing. G* des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er vom 10. März 2016 bis zum 26. Februar 2021 in V* und andernorts seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch A* mit einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag von 145.300,70 Euro am Vermögen geschädigt, indem er in zahlreichen Angriffen von einem Bankkonto, über das er als Mitinhaber und aufgrund einer Vollmacht seines Onkels A* verfügungsberechtigt war, Geldbeträge behob oder auf sein eigenes Konto umbuchte und für eigene Zwecke verwendete.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 20 S 34) der Anträge des Beschwerdeführers keine Verteidigungsrechte verletzt.
[5] Der Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, „dass die Aussage des A*, die er heute getätigt hat, in welcher er gestellte Fragen nicht unter Hinweis auf sachfremde Umstände beantwortet hat und die Aussagen in direktem Widerspruch zu vorliegenden Urkunden stehen, wegen der nicht mehr gegebenen Erinnerung zur Wahrheitsfindung in Form einer Zeugenaussage nicht verwertet werden können wegen mangelnder Aussagekraft und Aussagefähigkeit des A*“ (ON 20 S 29), zielte zum einen auf die Frage der Verwertbarkeit einer in der Hauptverhandlung abgelegten Aussage, welche als Rechtsfrage keinem Sachverständigenbeweis unterliegt (RIS‑Justiz RS0099342). Die Prüfung der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismittel auf ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft wiederum kommt allein dem erkennenden Gericht zu (§ 258 Abs 2 StPO). Die Unterstützung der Tatrichter durch ein aussage-psychologisches Gutachten ist insoweit nur dann geboten, wenn durch Beweisergebnisse konkrete Ansatzpunkte für die Annahme einer nicht realitätsorientierten Aussage, etwa für eine das Aussageverhalten als solches beeinträchtigende psychische Erkrankung, vorliegen (RIS‑Justiz RS0097733 und RS0097576). Solch qualifizierte Anhaltspunkte wurden im Antrag nicht dargelegt. Zudem wäre eine allfällige psychologische oder psychiatrische Exploration an die Zustimmung des Zeugen gebunden, eine Bereitschaft des A* zu einer Untersuchung seines geistigen Zustands wurde im Antrag aber nicht behauptet (dazu RIS‑Justiz RS0097584 und RS0108614 [T3]).
[6] Der Antrag auf Vernehmung des MMag. * W* als Zeugen zum Beweis dafür, „dass die Umschuldung der Verbindlichkeiten des A* samt der Erstellung des Umschuldungs- und Betriebsmittelkredites nur unter der Voraussetzung dem A* gewährt worden ist, dass sich der Angeklagte bereit erklärt, Mitkreditnehmer zu werden und dass diese Vorgangsweise zur Gänze vom Willen des A* umfasst war, ebenso das umfassende Tätigwerden hinsichtlich des gesamten Finanzgebarens für A* durch den Angeklagten und er auch Kenntnis hatte von der Generalvollmacht“ (ON 20 S 28 f), betraf keinen entscheidenden Aspekt. Im Übrigen wurde der angestrebte Nachweis in Bezug auf die Kreditvergabe vom Erstgericht ohnehin als erwiesen angenommen (US 4).
[7] Dem Antrag auf „Vorlage der Einzelaufstellungen zu den Positionen, die in vier Aktenordnern gesammelt wurden“ (ON 20 S 29), mangelte es schon am Beweisthema (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).
[8] Im Rechtsmittel nachgetragenes, den Antrag ergänzendes Vorbringen ist ebenso unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618) wie Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses (RIS‑Justiz RS0116749).
[9] Indem die Mängelrüge (Z 5) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
[10] Die erstgerichtliche Beurteilung der Überzeugungskraft von Personalbeweisen (also die Glaubhaftigkeit der Angaben von Zeugen und Angeklagten) ist – so sie nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) ist (was hier nicht behauptet wird) – einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entrückt (RIS-Justiz RS0106588 [T13]). Unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) kann sie dann mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat, was die Rüge nicht behauptet.
[11] Aktenwidrig im Sinn der Z 5 fünfter Fall ist ein Urteil nur dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431 [T1]). Ein solches Fehlzitat behauptet die Rüge nicht.
[12] Der Einwand der Aktenwidrigkeit bezieht sich im Übrigen auf die Urteilsaussage, wonach dem Angeklagten von A* im Jahr 2013 die Bewirtschaftung des Hofes verboten wurde. Den gebotenen Bezug zu einer Feststellung über eine entscheidende Tatsache stellt die Rüge solcherart nicht deutlich und bestimmt her (siehe aber RIS‑Justiz RS0130729 [T1]).
[13] Soweit die Rüge unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO vorbringt, dass es im Hinblick auf die erteilte Generalvollmacht und das Bestehen eines Gemeinschaftskontos keiner zusätzlichen Zustimmung des Vollmachtgebers für das Tätigen von Geschäften und der Durchführung von Bargeldbehebungen durch den Angeklagten als Vollmachtnehmer bedurft hätte, lässt sie keinen Bezug zu den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erkennen.
[14] Vom Angeklagten getätigte Einzahlungen auf das gemeinsame Konto im Gesamtbetrag von 56.814,10 Euro blieben nicht unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall), diese Tatsache wurde vom Erstgericht vielmehr ausdrücklich festgestellt (US 5).
[15] Mit Blick auf die Feststellungen zur treuwidrigen Verfügung des Angeklagten über insgesamt 145.300,70 Euro stellt dies aber schon von vornherein keinen für die Subsumtion nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB entscheidenden Umstand dar.
[16] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten wurde von den Tatrichtern nicht übergangen, sondern gestützt auf die Angaben des Zeugen A* mit eingehender Begründung als unglaubwürdig verworfen (US 8, 9 f und 10). Zu einer Erörterung sämtlicher Aussagedetails war das Gericht entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall des § 281 Abs 1 StPO nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).
[17] Die Feststellungen zur inneren Tatseite blieben nicht „faktisch unbegründet“, vielmehr legten die Tatrichter gestützt auf die Einlassung des Angeklagten sowie das objektive Tatgeschehen (Verwendung der Gerätschaften und des Geldes ausschließlich für eigene Zwecke, ohne jeglichen Nutzen für A*) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) mängelfrei dar, wie sie zu diesen Urteilsannahmen gelangten (US 11).
[18] Weshalb das Handeln unter Verwendung einer Vollmacht, wie hier festgestellt (US 3 ff), eine Subsumtion nach § 153 Abs 1 StGB nicht zulassen sollte (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a), entbehrt der Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565).
[19] Hinzugefügt sei, dass das Wesen der Untreue darin liegt, dass sich der Täter im Rahmen der ihm durch den Umfang seiner Vollmacht eingeräumten (de iure bestehenden) Verfügungsmacht über fremdes Vermögen bewusst über die im Innenverhältnis gezogenen Schranken hinwegsetzt (RIS‑Justiz RS0099024; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 1). Seine Befugnis missbraucht nach § 153 Abs 2 StGB, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Grundsätzlich ist jeder Machthaber verpflichtet, seinem Machtgeber den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 153 Rz 28). Gegen diese Pflicht hat der Angeklagte, indem er sich ausschließlich selbst einen Nutzen verschaffte, verstoßen.
[20] Der Vorwurf der Verwendung der verba legalia (erneut nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) macht nicht klar, weshalb es den (im folgenden referierten) Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 7) am erforderlichen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS‑Justiz RS0119090 [T2 und T3]).
[21] Nach den Konstatierungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite wusste der Angeklagte, dass er nicht berechtigt war, vom gemeinsamen Konto Überweisungen durchzuführen, die der Bezahlung von Waren und Maschinen dienten, welche ausschließlich auf seinem Betrieb verwahrt und verwendet werden. Ebenso wusste er, dass er keine Umbuchungen und Barbehebungen durchführen durfte, die ausschließlich seinen eigenen Zwecken dienten. Bei der Verwendung dieser Gelder wusste er schließlich auch, dass er seine Befugnis, über das Vermögen des A* zu verfügen oder diesen zu verpflichten, missbraucht und dadurch in unvertretbarer Weise gegen die ihm auferlegten und von ihm übernommenen Regeln zum Schutz des Vermögens des A* verstößt. Weiters hielt er es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er A* dadurch am Vermögen einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden zufügt (US 7).
[22] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) diese Feststellungen bestreitet, verfehlt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581 und 584).
[23] Nach den Urteilskonstatierungen eröffneten A* und der Angeklagte gemeinsam ein zu einem Betriebsmittelkredit gehörendes Betriebsmittelkonto, welches der Rückzahlung eines Kredits dienen sollte. Auf dieses Konto wurden 250.000 Euro aus der Kreditgewährung einbezahlt, die auch zur Tilgung der Kreditschulden verwendet wurden. Der Angeklagte zahlte auf dieses Konto in den Jahren 2005 bis 2007 insgesamt 56.814,10 Euro ein, alle weiteren Eingänge stammten von A*, welcher auch eine Überziehung um 102.623,77 Euro durch eine Bareinzahlung nahezu ausglich. Neben den Pensionszahlungen an A* fanden am Konto seitdem keine nennenswerten Eingänge statt (US 4 f). Die Verfügungen des Angeklagten über insgesamt 145.300,70 Euro dienten ausschließlich seinen eigenen Zwecken (US 5 bis 7).
[24] Weshalb der Angeklagte auf der Basis dieses Urteilssachverhalts nicht über fremdes Vermögen verfügt haben sollte, macht die Rechtsrüge nicht klar (siehe aber erneut RIS-Justiz RS0116565).
[25] Hinzugefügt sei, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob jemand im Sinne des § 153 StGB über fremdes Vermögen disponiert, nicht auf den sachenrechtlichen, sondern (gemäß der dem österreichischen Vermögens-strafrecht seit jeher immanenten wirtschaftlichen Betrachtungsweise) auf den wirtschaftlichen Vermögensbegriff ankommt. Fremdes Vermögen ist daher jedes dem Täter nicht (wirtschaftlich) zur Gänze gehörendes Gut (RIS-Justiz RS0094171 [T3]). Auf Gegenforderungen außerhalb des Bereichs eines unmittelbaren Vorteilsausgleichs ist nicht Bedacht zu nehmen, ein die gesamte Geschäftsführung umfassender Vorteilsausgleich findet nicht statt (RIS‑Justiz RS0094565 [T2 und T7]).
[26] Nach den Feststellungen des Erstgerichts verwendete der Angeklagte die inkriminierten Geldsummen ausschließlich für eigene Zwecke (US 7). Der Ankauf von Maschinen und Geräten war von A* nicht gewollt (US 6).
[27] Der Vorwurf fehlender Feststellungen wird nicht auf der Basis dieser Feststellungen, sondern urteilsfremder Überlegungen, etwa zur konkludenten Gründung einer „Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ entwickelt. Solcherart verfehlt die Rechtsrüge einmal mehr den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581 und 584).
[28] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf der Basis der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801 und RS0116823).
[29] Diese Kriterien verfehlt die Beschwerde, indem sie die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten bestreitet und behauptet, dieser habe immer darauf vertraut, im Rahmen der Vollmacht tätig zu werden.
[30] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[31] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[32] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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