Spruch:
Markus P***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Das Landesgericht für Strafsachen Graz verhängte mit Beschluss vom 28. Februar 2007 (ON 43) über den Angeklagten Markus P***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Fluchtgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1 StPO) sowie der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 3 lit a, lit b und lit c StPO).
Der dagegen erhobenen Beschwerde des Angeklagten (ON 48) gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 22. März 2007 nicht Folge (ON 51). Nach Durchführung einer Haftverhandlung (ON 60) setzte das Landesgericht für Strafsachen Graz die Untersuchungshaft am 4. Mai 2007 aus dem Grund der Fluchtgefahr fort (ON 61). Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts (§ 180 Abs 1 StPO) stützte sich dieser Beschluss auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 6. Februar 2007 (ON 41), mit dem der Angeklagte mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A 1), je eines Verbrechen der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (B) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und Z 3 StGB (A 2), je eines Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A 3) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (A 4), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A 5) sowie des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (C) schuldig erkannt wurde. Danach hat er
(A) Monique R***** in der Zeit vom September 2004 bis zum Sommer 2005
1) in sechs Angriffen durch Festhalten und Überwinden ihrer Gegenwehr mit Körperkraft, in einem Fall überdies durch Fesseln an ein Bettgestänge und die mittels Streichens mit einem Messer an ihrem Körper unterstützte Drohung, sie zu töten, zur Duldung des Beischlafs genötigt,
2) im Jahr 2005 durch Drohung mit dem Tod, deren Ernsthaftigkeit er dadurch unterstrich, dass er mit einem Küchenmesser einige Zentimeter von ihrem Körper entfernt in eine Matratze stach, zur Fortführung der Lebensgemeinschaft genötigt,
3) im Juli 2005 durch Anpacken und Zerren zum Verlassen seines Fahrzeugs und zum Betreten der gemeinsamen Wohnung genötigt,
4) im Juli 2005 dadurch, dass er, während sie am Boden kauerte, auf sie einschlug und eintrat und sie nachfolgend noch etwa eine Stunde hindurch in der Wohnung einsperrte, widerrechtlich gefangen gehalten und
5) durch die zu A 3 und A 4 beschriebenen Handlungen sowie in weiteren Angriffen durch Schläge, Tritte und Stöße Hämatome sowie eine Prellmarke zugefügt,
(B) Janine C***** in der Zeit von Mitte August bis Mitte September 2005 durch Festhalten und Überwinden ihrer Abwehrreaktionen mit Körperkraft zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei die Tatvollendung aufgrund letztlich erfolgreicher Gegenwehr unterblieb und
(C) am 11. März 2006 Markus M***** 20 Euro Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen. Der Schöffensenat sprach hiefür eine dreijährige Freiheitsstrafe aus und widerrief unter einem die bedingte Nachsicht zweier Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von sechzehn Monaten sowie die bedingte Entlassung aus vier, insgesamt ebenfalls mehrmonatigen Strafresten (s ON 6).
Das Verfahren zur Entscheidung über die vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung (ON 53) ist derzeit beim Obersten Gerichtshof anhängig. Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Graz der Beschwerde des Angeklagten (ON 62) gegen den Fortsetzungsbeschluss vom 4. Mai 2007 nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene, inhaltlich nur gegen die Annahme des Haftgrundes der Fluchtgefahr gerichtete Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens überprüft der Oberste Gerichtshof die rechtliche Annahme der in § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahr (Prognoseentscheidung) darauf, ob sich diese angesichts der zugrunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich, mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet darstellt, wobei das Gesetz unter dem Begriff der bestimmten Tatsachen des § 179 Abs 4 Z 4 StPO die deutliche Bezeichnung der den Ausspruch über das Vorliegen entscheidender Tatsachen tragenden Gründe - also solche, aus denen die Prognose rechtsfehlerfrei abgeleitet werden konnte - versteht (RIS-Justiz RS0117806).
In der Annahme, aufgrund der mangelnden sozialen Integration des Angeklagten bestehe im Zusammenhalt mit der ihm nach dem - wenngleich noch nicht rechtskräftigen - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz und dem gleichzeitig gefassten Widerrufsbeschluss nunmehr konkret drohenden Freiheitsstrafe die Gefahr, er werde flüchten oder sich verborgen halten (BS 5 f, BS 4 iVm S 477h f/I), ist aber keine willkürlich begründete Prognose zu erblicken. Die Beschwerdebehauptung, die Umstände, dass der Angeklagte vor der Verhängung der Untersuchungshaft die gerichtlichen Vernehmungstermine in der gegenständlichen Strafsache wahrgenommen und nach der - sodann vertagten - Hauptverhandlung (ON 32) eine aus einem anderen Verfahren zu verbüßende Strafhaft angetreten (ON 44) hat, sprächen gegen den herangezogenen Haftgrund, erschöpft sich in der substratlosen Bestreitung der gegenteiligen Beschlussannahmen. Das Oberlandesgericht Graz hat diese Aspekte nämlich sehr wohl in seine Überlegungen einbezogen und schlüssig dargelegt, dass durch die darauf folgende Verurteilung eine - in Bezug auf die Fluchtgefahr - wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten ist (BS 5). Da die österreichische Staatsbürgerschaft des Angeklagten sowie die Frage, ob dieser über Reisedokumente verfüge, den dem angenommenen Haftgrund zugrunde liegenden Sachverhaltsannahmen nicht entgegenstehen, war das Oberlandesgericht Graz nicht verhalten, sich mit diesen Umständen auseinanderzusetzen.
Das Vorbringen, der Angeklagte sei hinreichend sozial integriert, zumal er sich in aufrechter Lebensgemeinschaft befinde, über „Kontakte" im Inland verfüge und „arbeitsbereit" sei, lässt den gebotenen Bezug zum Akteninhalt vermissen (13 Os 88/06z). Welche Gelöbnisse oder Weisungen geeignet sein sollen, die Fortsetzung der Untersuchungshaft in concreto zu substituieren, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.
Die Bewährungshilfe wurde (in einem anderen Strafverfahren) ohnedies schon angeordnet, aus welchem Grund der Beschwerdehinweis auf das gelindere Mittel des § 180 Abs 5 Z 8 StPO auf sich beruhen kann. Da die behauptete Grundrechtsverletzung somit nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)