Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland M***** jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I/1) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I/2), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (I/3) sowie des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er vom Herbst 2005 bis zum März 2006 in G*****
(I) in jeweils mehreren Angriffen
1) mit der am 19. Dezember 1994 geborenen, sohin damals unmündigen Jennifer P***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er einen Finger in deren Scheide einführte,
2) außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 19. Dezember 1994 geborenen, sohin damals unmündigen Jennifer P***** vorgenommen, indem er sie im Bereich der Brust und der Scheide intensiv streichelte und einmal ihre Scheide leckte, sowie
3) durch die zu I/1 und I/2 beschriebenen Handlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind geschlechtliche Handlungen vorgenommen, weiters
(II) Jennifer P***** durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Unterlassung einer Anzeige sowie der Verständigung von Betreuungspersonen hinsichtlich der ersten drei oder vier zu I beschriebenen Übergriffe und zur Duldung „weiterer sexueller Übergriffe“ genötigt, wodurch besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt wurden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider setzte sich das Erstgericht zu Recht nicht mit der Deposition der Zeugin Bettina L*****, der Beschwerdeführer sei ihrer Ansicht nach nicht pädophil (ON 72 S 32), auseinander (Z 5 zweiter Fall), weil der Zeugenbeweis nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht aber Schlussfolgerungen oder Wertungen zum Gegenstand hat (RIS-Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 8).
Die Aussagen der Zeugen Josef und Ludwig G***** sowie Christopher und Bettina M***** zur Frage, ob der Beschwerdeführer im Tatzeitraum in G***** genächtigt habe, erörterten die Tatrichter sehr wohl (US 14 f). Indem die Rüge aus diesen Aussagen anhand eigener Beweiswerterwägungen für ihren Prozessstandpunkt günstige Schlüsse ableitet, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts (§ 258 Abs 2 StPO).
Die Behauptung, die Tatrichter würden die den Schuldsprüchen I/1 und I/2 zu Grunde liegenden Tathandlungen nicht hinreichend deutlich (Z 5 erster Fall, nominell verfehlt „iVm Z 9 lit a“) voneinander abgrenzen, trifft nicht zu. Aus den diesbezüglichen Feststellungen geht aufgrund der grammatikalischen Trennungen klar hervor, dass beide Schuldsprüche jeweils mehrere, voneinander unabhängige Taten umfassen (US 6).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in der inhaltlichen Wiederholung der Beweiswerterwägungen der Mängelrüge zu den Aussagen der Zeugen Josef und Ludwig G***** sowie Christopher und Bettina M***** und verlässt solcherart zur Gänze den Anfechtungsrahmen der Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), das Erstgericht lehne zwar die Annahme des besonderen Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 13 StGB ab (US 19), treffe aber hinsichtlich des Schuldspruchs II keine Feststellungen zur Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung (Z 11 zweiter Fall [RIS-Justiz RS0122137, RS0122138]), trifft nicht zu. In der angefochtenen Entscheidung wird vielmehr ausdrücklich konstatiert, dass der Beschwerdeführer Jennifer P***** durch die inkriminierten Drohungen „veranlasste“, niemanden von den bis dahin gesetzten Missbrauchshandlungen in Kenntnis zu setzen und weitere sexuelle Übergriffe zu dulden (US 8), wodurch Tatvollendung zweifelsfrei zum Ausdruck kommt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass das - (vom Anklagesachverhalt umfasste [ON 13]) auch in Bezug auf die subjektive Tatseite festgestellte (US 8) - Erwirken der Duldung geschlechtlicher Handlungen mittels gefährlicher Drohung den Tatbestand des § 202 Abs 1 StGB (gegebenenfalls echt konkurrierend mit jenem des § 206 Abs 1 StGB oder des § 207 Abs 1 StGB [Philipp in WK2 § 206 Rz 32, § 207 Rz 26; Hinterhofer SbgK § 202 Rz 59]) verwirklicht. Im Sinn des zweiten Satzes des § 290 Abs 1 StPO war insoweit aber mangels Nachteils für den Angeklagten nicht vorzugehen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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