OGH 13Os68/96

OGH13Os68/965.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayerhofer, Dr. Rouschal und Dr. E.Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eckert-Szinegh als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dipl.Ing. Dieter B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 14. Februar 1996, GZ 11 Vr 382/95-19, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tiegs, und des Verteidigers Mag. Hauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und gemäß § 43 a Abs 3 StGB von der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe ein Strafteil von sechzehn Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Dipl.Ing. Dieter B***** wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er von Jänner bis Frühsommer 1992 in mindestens drei Angriffen die am 30. Jänner 1983 geborene Nicole T***** auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte, indem er sie am Geschlechtsteil streichelte und betastete, sie mindestens einmal auch am Geschlechtsteil leckte und veranlaßte, seinen Geschlechtsteil zu küssen und bis zum Samenerguß zu streicheln bzw zu onanieren (I.) damit aber auch seine Stellung "als Lebensgefährte oder zumindest ständiger Geschlechtspartner ihrer Mutter" einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person gegenüber ausnützte (II.).

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 9 lit a und 10 StPO; indes zu Unrecht.

Das Vorbringen zu den beiden erstgenannten Nichtigkeitsgründen (inhaltlich jedoch nur Z 4) behauptet, über den Antrag auf Vernehmung von Zeugen sei nicht prozeßordnungsgemäß erkannt worden. Dies ist jedoch gar wohl geschehen (AS 127). Dabei wiesen die Tatrichter begründetermaßen darauf hin, daß keinerlei Gründe zu finden sind, die begehrten Zeugen könnten Wahrnehmungen über eine Beeinflussung der Minderjährigen angeben. Da außerdem nicht einmal im Beweisantrag (S 226) behauptet wurde, daß die Beeinflussung in Richtung einer wahrheitswidrigen Anschuldigung stattgefunden haben soll, konnten somit vorweg schon Verteidigungsrechte nicht verletzt werden.

Die Hinweise der Mängelrüge (Z 5) auf Widersprüche zwischen der Befundaufnahme des Gutachtens der kinderpsychologischen Sachverständigen und der Aussage des Tatopfers in der Hauptverhandlung bekämpfen in einer dem Nichtigkeitsverfahren fremden Art die Glaubwürdigkeit dieser Zeugin. Die Beschwerde behauptet Beeinflussung und, dem psychologischen Sachverständigengutachten zuwider (S 124), eine Verschiebung der Beendigung des Alters des magischen Denkens der Zeugin bis zum 9.Lebensjahr. Sie richtet sich damit ein weiteres Mal gegen die vom Schöffengericht gemäß § 258 Abs 2 StPO vorgenommene (ausführliche, US 6 bis 9) freie Würdigung der Beweisergebnisse.

Die ferner gerügte mangelnde Erörterung der Frage, ob das Opfer den Angeklagten und seine Mutter beim Geschlechtsverkehr beobachtet habe, betrifft keine entscheidende, also auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder auf die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes (EvBl 1972/17) Einfluß übende Tatsache (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 281 Z 5 E 18).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und 10) bemängelt, das Erstgericht sei ungeachtet der Urteilsfeststellungen, wonach eine Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Mutter des Opfers nicht bestand (US 3), von einer aus faktischen Verhältnissen abgeleiteten Pflicht zur Aufsicht bzw seiner tatsächlichen Aufsicht über das Tatopfer ausgegangen. Demgegenüber wurde jedoch dazu zutreffend auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung Bezug genommen, wonach es bei der angelasteten Tat auf das Bestehen eines faktischen Schutzverhältnisses ankommt und die Beaufsichtigung der Minderjährigen sich nicht nur auf Grund ausdrücklicher Erklärungen, sondern auch aus bloß tatsächlichen Verhältnissen und lediglich vorübergehend ergeben kann (Leukauf/Steininger, Komm3, RN 5; Mayerhofer/Rieder, StGB4, E 16 bis 18; jeweils zu § 212).

Eine solche Aufsicht des Angeklagten kann aus den Urteilsfeststellungen abgeleitet werden. Sie ergibt sich insbesondere aus der mehrmonatigen, über kurzfristige sexuelle Kontakte erheblich hinausgehenden Beziehung des Angeklagten zur Mutter des Opfers, während der er ihren Kindern zeitweise bei den Hausaufgaben half (US 3 f), insbesondere aber daraus, daß das damals nicht ganz neun Jahre alte Opfer auch allein mit dem Angeklagten in dessen Wohnung in W***** bleiben durfte und von diesem solcherart beaufsichtigt wurde (US 4 f und 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 207 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf ein Vorurteil (Bezirksgericht W***** vom 19.Oktober 1994, ***** wegen § 125 StGB, 20 Tagessätze zu je 100 S) zu einer zweijährigen (Zusatz-)Freiheitsstrafe, wobei es als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die dreifache Tatbegehung, als mildernd jedoch keinen Umstand annahm.

Die gegen den Strafausspruch erhobene Berufung des Angeklagten bekämpft unter Hinweis auf zu starke Betonung generalpräventiver Aspekte die Strafhöhe sowie die Nichtanwendung bedingter Strafnachsicht.

Die Berufung ist zum Teil berechtigt. Zwar kommt im Hinblick auf die mehrfache Tatwiederholung und die Verwirklichung von zwei Delikten insbesondere unter Bedachtnahme auf jenen des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses eine Strafreduktion nicht in Betracht. Der Umstand, daß bisher Freiheitsstrafen am Angeklagten nicht vollzogen werden mußten und die ihm nunmehr zur Last fallenden Straftaten schon zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens etwa drei Jahre zurücklagen rechtfertigen die Annahme, daß der Vollzug bloß eines Teiles der Strafe genügt, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Generalpräventive Erwägungen stehen dem - infolge Vollzuges eines spürbaren Teils der Freiheitsstrafe - nicht entgegen.

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