Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Ljubomir M***** wird zurückgewiesen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Sladan S***** und aus Anlass beider Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen des Mirko L***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A/I) und des Ljubomir M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/b), in der im Schuldspruch B des Ljubomir M***** und des Sladan S***** vorgenommenen Subsumtion nach § 128 Abs 2 StGB, hinsichtlich Ljubomir M***** auch nach § 130 dritter und vierter Fall StGB, und in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung), und im Einziehungserkenntnis sowie der Ljubomir M***** betreffende Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Mit ihren Berufungen, Ljubomir M***** auch mit seiner Beschwerde, werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Ljubomir M***** fallen auch die auf die Erledigung seiner Nichtigkeitsbeschwerde bezogenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ljubomir M***** (richtig:) je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/a), des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/b) und des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB (B), Sladan S***** (richtig:) je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/a, A/II/2), der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster, zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (A/III) sowie des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (richtig: B), Mirko L***** mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A/I) und (richtig:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/a) schuldig erkannt.
Nach dem Referat der Entscheidungsgründe im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) haben
„(A) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich
I) Mirko L***** ab Jänner 2009 bis 19. Mai 2010 in Wiener Neustadt täglich 5 bis 6 Gramm Heroin zum Eigenkonsum erworben und besessen;
II) in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach, nämlich 10‑fach, bei Ljubomir M***** insgesamt 20‑fach übersteigenden Menge
1) mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 38,5 % Heroin und 1,38 % Monoacetylmorphinreinsubstanz einem verdeckten Ermittler des BKA Wien,
a) am 19. Mai 2010 Ljubomir M*****, Sladan S***** und Mirko L***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) Heroin mit zumindest 2.293 Gramm Reinsubstanz und 84 Gramm Reinsubstanz Monoacetylmorphin überlassen und zwar in Wr. Neustadt rund 6.020 Gramm brutto,
b) Ljubomir M***** alleine
aa) am 19. Mai 2010 5 Gramm brutto als Probe
bb) am 14. Mai 2010 in Vösendorf weitere 6 kg angeboten,
2) Sladan S***** alleine in Wien Heroin mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 1 % Straßenqualität anderen überlassen und zwar
a) im Zeitraum ab März 2010 bis zum 20. Mai 2010 dem Erdogan Su***** ca. 60 Gramm,
b) im Zeitraum zwischen Ende April bis Mitte Mai 2010
aa) dem Devi R***** zumindest 40 Gramm,
bb) dem Zdravko P***** ca. 50 Gramm und
c) im Zeitraum zwischen Mitte März 2010 bis 14. Mai 2010 unbekannt gebliebenen Abnehmern zumindest weitere 200 Gramm,
III) Sladan S***** alleine im Mai 2010 in Wr. Neustadt ca. 1 kg mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 38,5 % Heroin Reinsubstanz und 1,38 % Monoacetylmorphinreinsubstanz, sohin insgesamt rund 400 Gramm Reinsubstanz von einem Drogenkurier des unbekannt gebliebenen bulgarischen Suchtgiftlieferanten übernommen und transportiert, indem er es zunächst in einem Wald vergrub, sodann von dort holte und in seiner Wohnung deponierte, sohin Suchtgift in einer das 15‑fache der Grenzmenge (§ 28b) mehrfach, nämlich zumindest zweifach übersteigenden Menge (jeweils große Mengen) mit dem Vorsatz erworben, besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde,
(B) Ljubomir M***** und Sladan S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem abgesondert verfolgten Sascha S***** (§ 12 StGB) in der Nacht vom 16. Mai auf den 17. Mai 2010 in Bruck/Mur fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Designerkleidung im Wert von 91.449,48 Euro sowie 260 Euro Bargeld, Verfügungsberechtigten der K***** GmbH durch Einbruch in die gemeinsamen Räumlichkeiten der Boutiquen H***** und F***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei Ljubomir M***** den Einbruch in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.“
Während Ljubomir M***** keinen Nichtigkeitsgrund bezeichnet (§ 285d Abs 1 StPO), ist die aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Sladan S***** im Recht.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Mängelrüge (Z 5) zutreffend aufzeigt, enthält das angefochtene Urteil keine Begründung (Z 5 vierter Fall) für die ‑ hinsichtlich der im Schuldspruch B vorgenommenen Subsumtion nach § 128 Abs 2 StGB entscheidende ‑ Urteilsannahme, der Wert der gestohlenen Sachen habe 50.000 Euro überstiegen (US 12).
Da dieser Begründungsmangel den Schuldspruch B des Ljubomir M***** gleichermaßen betrifft, war von Amts wegen so vorzugehen, als hätte auch dieser den angeführten Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).
Hinsichtlich Ljubomir M***** überzeugte sich der Oberste Gerichtshof überdies, dass die Urteilsfeststellungen zum Schuldspruch B die Subsumtion nach § 130 StGB nicht tragen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) verlangt die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung für einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen eine wirksame Einkommensquelle zu erschließen (Jerabek in WK² § 70 Rz 7). Zur zeitlichen Dimension der diesbezüglichen Intention des Angeklagten M***** trifft das Erstgericht aber keine Konstatierungen.
Auch den übrigen Schuldsprüchen haften mehrere von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Rechtsfehler an:
Zum Schuldspruch des Mirko L***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften (A/I) enthält die bekämpfte Entscheidung gar keine Feststellungen.
In Bezug auf den Schuldspruch des Ljubomir M***** wegen (richtig:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/b) fehlen Konstatierungen zum Reinheitsgrad des tatverfangenen Suchtgifts. Da die Grenzmenge für Suchtgifte aber bezogen auf die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs festgesetzt ist (§ 28b erster Satz SMG), sind Feststellungen über die in Rede stehenden Bruttomengen allein nicht geeignet, die vorgenommene Subsumtion zu tragen.
Die Schuldsprüche waren daher im dargelegten Umfang schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 285e StPO, teils iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Dies hat die Kassation der Strafaussprüche (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Widerrufsbeschlusses zur Folge, worauf die Angeklagten mit ihren Berufungen, Ljubomir M***** auch mit seiner Beschwerde, zu verweisen waren.
Das Einziehungserkenntnis war in Bezug auf das „sichergestellte Suchtgift“ (US 7) aufzuheben, weil es insoweit den Gegenstand der Einziehung nicht determiniert.
Nach § 26 Abs 1 StGB sind ‑ bei entsprechender Gefährlichkeitsprognose ‑ Gegenstände einzuziehen, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind.
Da das Erstgericht hinsichtlich der Pistole Marke Zastava und der Grenzkontrollstempel (US 7 iVm US 14) keine Konstatierungen zu diesen gesetzlichen Einziehungsvoraussetzungen trifft, war der diesbezügliche Ausspruch ebenfalls zu beseitigen.
Sollte im zweiten Rechtsgang erneut ein Schuldspruch des Mirko L***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften erfolgen, werden auch Feststellungen darüber zu treffen sein, ob dieser ‑ wovon das Erstgericht nach dem Referat der Entscheidungsgründe im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) offenbar ausging (US 3) ‑ die Taten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat, in welchem Fall die Subsumtion nach der privilegierenden Norm des § 27 Abs 2 SMG vorzunehmen wäre.
Im Fall grundsätzlich gleicher Konstatierungen zu dem vom Schuldspruch A/II/1 umfassten Tatgeschehen wie im ersten Rechtsgang wird zunächst festzustellen sein, ob die am 19. Mai 2010 übergebenen 5 Gramm Heroin (A/II/1/b/aa) Teil der am 14. Mai 2010 angebotenen 6 kg Heroin (A/II/1/b/bb) gewesen sind.
Sodann wird zu klären sein, ob Identität zwischen der angebotenen (A/II/1/b) und der überlassenen (A/II/1/a) Heroinmenge besteht.
Sollten die Tatrichter davon ausgehen, dass die am 19. Mai 2010 angebotenen 5 Gramm Heroin Teil der bereits am 14. Mai 2010 ‑ derselben Person ‑ angebotenen 6 kg Heroin waren, käme in Bezug auf das zweite Anbot (19. Mai 2010) ein Schuldspruch nicht in Betracht.
Bei Annahme von Identität zwischen der angebotenen und der überlassenen Suchtgiftquantität wird auf die Deliktsstruktur des § 28a SMG Bedacht zu nehmen sein. Dieser enthält mehrere selbständige, untereinander nicht austauschbare Tatbilder, die bloß gesetzestechnisch unter einer einzigen Bezeichnung zusammengefasst sind und stellt sich insoweit als kumulativer Mischtatbestand dar (vgl RIS‑Justiz RS0114037, RS0116676). Im Einzelnen werden die Gewinnung und die Herstellung (Erzeugen), die Verbringung aus dem Hoheitsgebiet eines Staates in jenes eines anderen (Ein‑ und Ausfuhr), die Anbahnung der Weitergabe (Anbieten) sowie die Weitergabe selbst (Überlassen oder Verschaffen) unter Strafe gestellt (dazu eingehend Schwaighofer in WK² § 27 SMG Rz 23 bis 27, 29 bis 42). In den Tatbestandsvarianten einerseits der Ein‑ und Ausfuhr (vgl RIS‑Justiz RS0116676) sowie andererseits des Überlassens und des Verschaffens (13 Os 149/09z, EvBl‑LS 2010/79, 477) liegt solcherart ein alternativer Mischtatbestand vor.
Durch die Aufnahme der Begehungsweise des „Anbietens“ mit der SMG‑Novelle 2007 BGBl I 2007/110 verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, alle Verhaltensweisen, die dem Ziel, einem anderen Suchtgift zu übertragen, dienen, abschließend zu erfassen (vgl EBRV 301 BlgNR 23. GP 10). Hingegen zielte diese Novellierung nicht darauf, einen einzigen Übertragungsvorgang, der ‑ wenn auch in nahtloser zeitlicher Abfolge ‑ stets aus Anbot, Annahme und Übergabe besteht, doppelt zu pönalisieren. Demnach verdrängt ein „Überlassen oder Verschaffen“ ein zuvor erfolgtes „Anbieten“, soweit beide Vorgänge auf idente Quantitäten desselben Suchtgifts gerichtet sind und der Empfänger jene Person ist, der angeboten wurde. Das „Anbieten“ stellt nämlich solcherart in Relation zum „Überlassen oder Verschaffen“ eine selbständig strafbare Vorbereitungshandlung im technischen Sinn dar, die sich in der Vorbereitung des dann versuchten oder vollendeten Delikts erschöpft, womit insoweit der Scheinkonkurrenztypus der stillschweigenden Subsidiarität vorliegt (zum Begriff Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393 [401] sowie Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 44; in diesem Sinn auch Litzka/Matzka/Zeder, SMG² § 28a Rz 8; für Konsumtion Schwaighofer in WK² § 27 Rz 106).
Verknüpft man diese Überlegungen mit der Judikatur zum Verhältnis der Tatbestände des § 28 Abs 1 SMG und des § 28a Abs 1 SMG (vgl RIS‑Justiz RS0113820), ergibt sich somit in Bezug auf die Weitergabe von Suchtgift eine Subsidiaritätskette zwischen den Tatbeständen des § 28 Abs 1 SMG, des § 28a Abs 1 vierter Fall SMG und des § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall SMG.
Bei einem neuerlichen Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG auf der Basis mehrerer, jeweils für sich das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigender Quantitäten (A/II/1/b/aa) wäre zur rechtsrichtigen Subsumtion auch ein entsprechender Additionsvorsatz festzustellen.
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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