Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 6. Juni 1945 geborene Gruppeninspektor der Zollwache Klaus E*** wurde des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 17. Juli 1987 in Wien als Erhebungsgruppenführer für Strafsachen des Zollamts Wien mit dem Vorsatz, den Staat an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er nach Anfertigung einer Niederschrift mit Milorad L*** im Protokoll die Beträge von 7.000 S und 700 S übermalte und auf 6.000 S und 600 S verfälschte sowie am Rand der Niederschrift einen Vermerk "ber.L." anbrachte, wodurch vorgetäuscht werden sollte, die Berichtigung sei von Milorad L*** vorgenommen worden, weiters, indem er auf der Rückseite der Quittungsausfertigung einen falschen Amtsvermerk anbrachte (wonach nur ein Betrag von 6.600 S als Geldstrafe und Verfahrenskosten eingehoben worden sei: S. 209) und sich 1.000 S widerrechtlich aneignete.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5, 5 a, 9 lit a und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Beschwerdeführer hat die Verfälschung der Niederschrift vom 17. Juli 1987 zwar zugegeben, die Aneignung von 1.000 S aber in Abrede gestellt und behauptet, daß er sich beim Geldzählen um diesen Betrag geirrt und dies mittels der Fälschung der Niederschrift und der Verfassung des Amtsvermerks korrigiert habe. Diese Verantwortung erachtete das Gericht als unglaubwürdig, weil der Angeklagte in einem solchen Fall seinen Vorgesetzten über den Fehlbetrag schriftlich hätte berichten können, was er aber unterlassen hat, und weil er - entgegen seiner Behauptung - nach der Aussage des Zeugen Mag. N*** auch keine mündliche Mitteilung über einen solchen Fehlbestand erstattet hat (S. 216 f.). Auch sei die weitere Vorgangsweise des Angeklagten - Verfassung eines Amtsvermerks auf der Rückseite der Quittung, Eintragung eines Geldstrafenbetrags von 6.000 S und von 600 S Pauschalkosten in den Entwurf der Strafverfügung - nur damit erklärbar, daß der Angeklagte seine Malversationen decken wollte.
Die Mängelrüge (Z. 5) ist offenbar unbegründet.
Lediglich im Rahmen der Würdigung seiner Verantwortung führte das Erstgericht aus, daß dem Angeklagten schon deshalb "klar sein mußte", den von ihm behaupteten Fehlbetrag von 1.000 S ersetzen zu müssen, weil L*** eine Quittung über die Bezahlung einer Geldstrafe von 7.000 S zuzüglich 700 S Pauschalkosten in Händen hatte (S. 214). Dieser Umstand hatte aber - wie ein Vergleich mit der oben wiedergegebenen Urteilsbegründung zeigt - keinen Einfluß auf das Ergebnis der Beweiswürdigung; soweit die Mängelrüge sich gegen diese Urteilspassage wendet, betrifft sie deshalb keine entscheidende Tatsache.
Aus welchen Beweggründen der Beschwerdeführer den Betrag von 100 S an zuviel eingehobenen Pauschalkosten an Milorad L*** zurückzahlte - da ursprünglich ein Pauschalkostenbeitrag von 700 S festgesetzt worden war, mußte der Angeklagte gemäß den Urteilskonstatierungen (S. 211) die Überzahlung von 100 S nach Verfälschung der Niederschrift an Milorad L*** zurückzahlen - war entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zu erörtern. Daß der Angeklagte die Möglichkeit gehabt hätte, sich auch diesen Betrag anzueignen, ist eine den Schuldspruch nicht tangierende Frage (vgl. § 34 Z. 14, erster Fall, StGB.). Die Rüge betrifft im Ergebnis nur den Beweggrund einer Handlung, die mit der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat nicht unmittelbar zusammenhängt, und damit auch hier keine entscheidende Tatsache.
Die Tatsachenrüge (Z. 5 a) verweist im wesentlichen bloß darauf, daß die vom Erstgericht ohnedies gewürdigte (S. 211, 215) Rücküberweisung eines Betrags von 100 S für die Richtigkeit der Verantwortung des Angeklagten spräche. Damit zeigt die Rüge aber nicht auf, inwiefern der Schöffensenat seine Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit durch Übergehen aktenkundiger Umstände in einer Weise verletzt hätte, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Sachverhalts resultieren müßten (13 Os 68/88, 13 Os 5/89 u.a.).
Die Rechtsrügen behaupten der Sache nach, daß die inkriminierte Vorgangsweise nicht als Vornahme eines Amtsgeschäfts i.S. des § 302 StGB., sondern als Ausnützen einer dem Beschwerdeführer durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit anzusehen sei.
Dies indes nicht zu Recht.
Auszugehen ist davon, daß § 302 StGB. als Täter einen "Beamten" nennt, der die Befugnis hat, "Amtsgeschäfte" vorzunehmen. Nun definiert § 74 Z. 4 StGB. den Beamten als jemanden, der bestellt ist, im Namen der dort aufgezählten Gebiets- und anderen Körperschaften entweder "Rechtshandlungen" oder sonstige "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" auszuführen. Rückbezogen auf § 302 StGB. ergibt sich daraus, daß die dort angeführten "Amtsgeschäfte" (eines "Beamten") den Oberbegriff für "Rechtshandlungen" und für sonstige "Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung" bilden. Sowohl aus der - im Konnex der §§ 74 Z. 4 und 302 StGB. hergestellten - Zusammenfassung unter einem Oberbegriff als auch aus der Gleichordnung in der Zitierweise des § 74 Z. 4 StGB. als auch aus der Notwendigkeit, einen Wertungswiderspruch zu vermeiden, folgt, daß die sonstigen Aufgaben der Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung den Rechtshandlungen wenigstens einigermaßen gleichwertig sein müssen (vgl. im Ansatz JBl 1989 S. 260). Mit dieser Gleichwertigkeitsthese verzichtet der Oberste Gerichtshof auf den in der Auslegung des § 302 StGB. bisher vielfach verwendeten, verschwommenen Ausdruck "Organhandeln", der nicht als Begriff angesprochen werden kann, weil er sich einer exakten Definition stets entzogen hat. Desgleichen kann auf den infolge seiner terminologischen Überfrachtung letztlich unergiebigen Definitionsversuch des Amtsgeschäfts als einer "zur unmittelbaren Erfüllung der Vollziehungsaufgaben eines Rechtsträgers dienenden, also zum eigentlichen Gegenstand des jeweiligen Amtsbetriebs gehörigen und für die Erreichung der amtsspezifischen Vollziehungsziele sachbezogen relevanten Verrichtung" (LSK. 1978/236 u. a.) verzichtet werden. -
Anzumerken ist, daß der Beamtenbegriff des § 74 Z. 4 StGB. mit dem Beamtenbegriff des Dienstrechts nicht übereinstimmt, weil der letztere für die Bildung strafrechtlicher Tatbestände zur Erfassung spezifischen Unrechts nicht geeignet ist (EBRV. 1971, 30 BlgNR. XIII. GP. S. 187 linke Spalte unten; vgl. BerJA. 959 BlgNR. XIII. GP. S. 16 linke Spalte oben: "ginge es zu weit, ... jeden zu erfassen, der mit irgendwelchen, sei es auch untergeordneten, Aufgaben betraut ist").
Auf der Grundlage des soeben gewonnenen Ergebnisses ist den Rechtsrügen zu erwidern, daß die im Urteilsspruch angeführten Manipulationen, nämlich die Verfälschung der beweismachenden Niederschrift, die Nachmachung eines Vermerks am Protokollrand so, als ob der Vernommene selbst etwas berichtigt hätte, und sodann die Anbringung eines inhaltlich falschen Amtsvermerks wegen der mit all dem bei Gelingen des Tatplans verknüpften Rechtswirkungen irgendwelchen Rechtshandlungen gewiß annähernd gleichstehen. Dazu kommt bei zusammenfassender Beurteilung des ganzen relevanten Geschehensablaufs (vgl. Mayerhofer-Rieder2 § 262 StPO. ENr. 40) insbesonders das in den Entscheidungsgründen geschilderte Verfassen des unrichtigen Entwurfs einer Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG. (S. 210); ist doch jede vorsätzlich falsche Vorerledigung einer Hoheitsangelegenheit wie eine Rechtshandlung zu werten (vgl. Foregger-Serini-Kodek StGB.4 S. 638). Der Befugnismißbrauch des Beschwerdeführers besteht somit darin, daß er, um sich 1.000 S eines von einer Partei bezahlten Strafbetrags anzueignen, mittels der obangeführten Malversationen pflichtwidrig die behördliche Erledigung beeinflußt und eine - im Hinblick auf den Inhalt der mit L*** aufgenommenen Niederschrift und den dort erklärten Rechtsmittelverzicht nach § 145 Abs 3 FinStrG. (ON. 6 S. 39) - unrichtige Entscheidung herbeigeführt hat. Dem Urteil ist aber auch eindeutig zu entnehmen, daß der Angeklagte mit Schädigungsvorsatz handelte und ebenso, daß durch seine Vorgangsweise der Staat an seinem konkreten Recht auf Eingang einer vom Bestraften gemäß § 145 Abs 3 FinStrG. bereits vor der Erlassung der Strafverfügung akzeptierten und schon an den Beamten bezahlten Geldstrafe geschädigt wurde. Darnach kommt es nicht darauf an, ob - wie der Beschwerdeführer urteilsfremd behauptet - eine Strafe von bloß 6.000 S vertretbar gewesen wäre. Im übrigen käme der weiteren Frage, ob außer dem Staat auch Milorad L*** (um 1.000 S) geschädigt wurde, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (das Erstgericht nahm eine Schädigung des L*** ersichtlich auf Grund der vom Angeklagten als Sachbearbeiter vorbereiteten und von seinem Vorgesetzten Mag. Emmerich N*** unterschriebenen, zur Verschleierung des Amtsmißbrauchs nur auf 6.000 S lautenden Strafverfügung an). Unzutreffend ist und bleibt gleichwohl die Beschwerdebehauptung, daß weder der Staat noch Milorad L*** geschädigt worden sei.
Der Einwand des Beschwerdeführers schließlich, sein Verhalten wäre eventuell den Vergehenstatbeständen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223, 224 StGB. oder der Unterschlagung nach § 134 StGB. zu unterstellen, greift ebensowenig wie alle früheren. Mißbrauch der Amtsgewalt kann auch durch allgemein strafbares Verhalten begangen werden, sofern dieses sich (wie hier) wenigstens abschnittweise als Ausübung der (damit mißbrauchten) Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften darstellt (LSK. 1978/238, wobei der dortige letzte Satzteil punkto strengerer Strafbarkeit infolge der Einziehung einer Zwischengrenze von 500.000 S im § 302 Abs 2 StGB. seit dem StRÄG. 1987 auf die Tateinheit mit § 143 StGB. oder mit § 12 Abs 3 und 4 SuchtgiftG. reduziert ist). Da der Angeklagte, dem von ihm vernachlässigten Urteilssachverhalt zufolge, durch die inkriminierten Handlungen mit Schädigungsvorsatz als Beamter seine Befugnis, in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht hat, werden alle in Betracht kommenden allgemeinen Delikte durch den Amtsmißbrauch als lex specialis verdrängt (nochmals LSK. 1978/238 mit der oben ausgewiesenen Einschränkung punkto strengerer Strafbarkeit). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte Klaus E*** nach §§ 302 Abs 1, 41 StGB. zu drei Monaten Freiheitsstrafe, die gemäß § 43 StGB. für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend war nichts, mildernd waren der bisherige ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und sein Tatsachengeständnis in bezug auf die Verfälschung der Niederschrift, welches - freilich nur in diesem Umfang - zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Der Angeklagte begehrt eine Strafermäßigung oder die Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 StGB.).
Die Berufung ist in beiden Richtungen unbegründet.
Das Strafmaß wurde in Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB. geschöpft und ist als sehr gering zu bezeichnen. Eine noch weitere Herabsetzung kommt trotz dem mehrfach erwähnten Verzicht auf die Aneignung von 100 S (§ 34 Z. 14 StGB.) nicht in Frage.
§ 37 Abs 1 StGB. fordert u.a., daß es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang hat das Erstgericht auf das zu schützende Vertrauen der Bevölkerung in die ordnungsgemäße Durchführung von Amtsgeschäften und auf die Beispielswirkung des dienstlichen Verhaltens von höheren Beamten (E*** war Erhebungsgruppenführer) verwiesen. Dem ist in Ablehnung der Geldstrafe voll zuzustimmen. Dazu kommt, daß der Berufungswerber außer den ja schon den Tatrichtern bekannten disziplinären Begleitfolgen keine stichhältigen zusätzlichen Milderungsgründe ins Treffen zu führen vermag.
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