Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den zu E/III/2 (richtig D/III/2) wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie zu H/2 wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 dritter Fall SMG gefällten Schuldsprüchen des Mosbah K*****, in der hinsichtlich dieses Angeklagten zu E (richtig D) gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Mosbah K***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), und im Einziehungserkenntnis (§ 34 SMG) sowie der Mosbah K***** betreffende Beschluss nach § 494a Abs 1 StPO aufgehoben und wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Otmane T***** werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten Mosbah K***** und Otmane T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden - soweit für die gegenständliche Erledigung von Bedeutung - Mosbah K***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A) und des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (richtig D/I bis III), des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28 Abs 1 dritter Fall SMG (H/2) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I/2), Abdennour A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A), des Verbrechens des Suchtgifthandels (richtig) nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (richtig D/I und IV) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I/3) und Otmane T***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG (F) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (I/5) schuldig erkannt.
Danach haben in Linz, Wels, Wien und an anderen Orten
(A) Mosbah K***** und Abdennour A***** einen anderen zur vorschriftswidrigen Ein- und Ausfuhr von Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge bestimmt, indem sie den abgesondert verfolgten Amrane R***** damit beauftragten, vom März 2011 bis zum 2. Juni 2011 insgesamt rund 6,5 kg Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von etwa 9,7 % aus Tschechien aus- und nach Österreich einzuführen, und ihm zum Zweck des Suchtgiftankaufs Geld zur Verfügung stellten,
(D) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (richtig) anderen überlassen, nämlich
I) Mosbah K***** und Abdennour A***** im einverständlichen Zusammenwirken vom März 2011 bis zum Juni 2011 ca 2,7 kg Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von rund 5 % und etwa 3,5 kg Cannabiskraut mit einem THC-Gehalt von ca 9,7 %,
II) Mosbah K***** und Otmane T***** im einverständlichen Zusammenwirken im Februar 2010 rund 1 kg Cannabisharz mit einem THC-Gehalt von etwa 5 %,
III) Mosbah K***** vom Februar 2010 bis zum 15. Juli 2011 zumindest 11,3 kg Cannabiskraut und Cannabisharz mit einem THC-Gehalt von ca 5 % sowie rund 100 Gramm Kokain und
IV) Abdennour A***** vom Februar 2010 bis zum 15. Juli 2011 etwa 3,8 kg Cannabiskraut und Cannabisharz mit einem THC-Gehalt von ca 5,5 % sowie rund 30 Gramm Kokain und etwa 7 Gramm Heroin,
(F) Otmane T***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Cannabiskraut und Cannabisharz mit einem THC-Gehalt von ca 5 %, anderen überlassen, und zwar
1/a) im Februar 2010 im einverständlichen Zusammenwirken mit Mosbah K***** rund 1 kg,
1/b) vom April 2011 bis zum Juli 2011 im einverständlichen Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Adnane T***** etwa 1,6 kg und
3) vom Jänner 2011 bis zum Juli 2011 ca 40 Gramm,
(H) Mosbah K***** mit dem Vorsatz, dass Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge in Verkehr gesetzt werde, einen anderen bestimmt, vorschriftswidrig solches Suchtgift zu befördern, indem er
2) den abgesondert verfolgten Milod Ra***** dazu bestimmte, am 15. Juli 2011 rund 490 Gramm Cannabisharz mit einem THC-Gehalt von zumindest 26 Gramm und etwa 19 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von mindestens 2,7 Gramm von Wien nach Linz zu transportieren, sowie
(I) wiederholt vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen, nämlich
2) Mosbah K***** vom Jahresanfang 2009 bis zum 15. Juli 2011 Cannabisprodukte und Kokain,
3) Abdennour A***** bis zum 15. Juli 2011 Cannabiskraut, Heroin und Morphin sowie
5) Otmane T***** von der Jahresmitte 2009 bis zum Februar 2012 Cannabiskraut.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von Mosbah K***** (ohne Angabe von Nichtigkeitsgründen) und von Otmane T***** aus Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
Vorweg ist (mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) festzuhalten, dass die bekämpfte Entscheidung zwar keine ausdrücklichen Feststellungen zur Vorschriftswidrigkeit der inkriminierten Suchtgiftverwendung enthält, durch die Konstatierung, wonach sich die Angeklagten „ungeachtet der jeweiligen (auch einschlägigen) Verurteilungen entschlossen“, sich durch wiederholten Suchtgiftverkauf eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 9), aber der Wille der Tatrichter, das Wissen um die Vorschriftswidrigkeit (und solcherart auch diese per se) festzustellen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19), gerade noch hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.
Entsprechendes gilt für die Urteilsannahmen zur Qualität der tatverfangenen Cannabisprodukte. Wenngleich das angefochtene Urteil hinsichtlich des Wirkstoffs nur teilweise ausdrücklich von „Delta-9-THC“, im Übrigen aber bloß von „Reinheitsgrad“ spricht, ist durch die explizite Bezugnahme (US 17) auf die Untersuchung des sichergestellten Suchtgifts (ON 271 S 265) deutlich genug dargetan, dass in Bezug auf sämtliche Urteilsfakten der THC-Gehalt (Grenzmenge [§ 28b SMG] 20 Gramm) angesprochen ist.
Da Mosbah K***** im Anschluss an die Rechtsmittelbelehrung (§ 268 zweiter Satz StPO) - nach Rücksprache mit seiner Verteidigerin - Bedenkzeit erbat (ON 354 S 28 f) und sodann die Nichtigkeitsbeschwerde nicht innerhalb der dreitägigen Frist des § 284 Abs 1 erster Satz StPO anmeldete, war seine mit 16. Mai 2012 datierte, am 30. Mai 2012 (direkt) beim Obersten Gerichtshof eingelangte - im Übrigen keine Verteidigerunterschrift aufweisende (§ 61 Abs 1 Z 6 StPO) und keine Nichtigkeitsgründe bezeichnende (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO) - Beschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Otmane T*****:
Bezugspunkt von innerem Widerspruch (Z 5 dritter Fall) und fehlender oder offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) sind ausschließlich entscheidende Tatsachen, das sind solche, von deren Feststellung oder Nichtfeststellung entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst wird, welche strafbaren Handlungen - also rechtliche Kategorien (Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 1) - begründet werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399, 443, 453).
Indem die Mängelrüge (Z 5) unter Heranziehung der genannten Nichtigkeitsgründe zum Schuldspruch F - bei einer nahezu das Siebenfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) betragenden Suchtgiftmenge (ca 132 Gramm reines THC) - hinsichtlich 600 Gramm Cannabis brutto (das entspricht hier etwa 30 Gramm reinem THC) sowie in Bezug auf mögliche Mittäter und die Identität der Abnehmer Widersprüche (Z 5 dritter Fall) behauptet und Begründungsmängel (Z 5 vierter Fall) bezüglich des Tatzeitraums einwendet, bezieht sie sich aber gerade nicht auf (im dargelegten Sinn) entscheidende Tatsachen.
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467).
Mit dem Vorbringen, dem Akt sei nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer die rund 2,6 kg Cannabisprodukte (F) einem bestimmten Abnehmer überlassen habe, wird - abgesehen vom auch hier fehlenden Bezug zu einer entscheidenden Tatsache - ein Mangel im Sinn des angesprochenen Nichtigkeitsgrundes nicht behauptet.
Der Vorwurf, die angefochtene Entscheidung gehe aktenwidrig von der Belastung des Beschwerdeführers durch seinen Bruder Adnane T***** aus, trifft nicht zu. Das Erstgericht hält vielmehr ausdrücklich fest, dass Adnane T***** den Beschwerdeführer entlastete, und stützt zum insoweit relevierten Schuldspruch (F/1/b) bloß die Feststellungen zur Suchtgiftmenge auf die Angaben des - diesbezüglich abgesondert verurteilten (ON 342) - Adnane T***** (US 17).
Die vermisste Begründung für die Feststellungen zum Schuldspruch F/1/b (Z 5 vierter Fall, teils nominell verfehlt Z 5 fünfter Fall) findet sich auf der US 17.
Die Behauptung, das Erstgericht gründe Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen auf die - in der Hauptverhandlung nicht vorgekommene (ON 354 S 23) - polizeiliche Aussage des Zeugen Ismail H*****, entzieht sich als bloße Spekulation einer inhaltlichen Erwiderung.
Welche Depositionen der Angeklagten Mosbah K***** und Abdennour A***** sowie des abgesondert verfolgten Adnane T***** das Erstgericht in Bezug auf den Schuldspruch F/1/b aktenwidrig referiert (Z 5 fünfter Fall) haben soll, wird nicht klar.
Der Schluss vom Reinheitsgrad des sichergestellten Suchtgifts und von der Aussage eines der Abnehmer zur Suchtgiftqualität auf den Reinheitsgrad der nicht sichergestellten Suchtgiftmenge (US 17 f) ist - der Beschwerde zuwider - unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) entwickelt ihre Argumentation nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen - bei (wie hier) umfangreichem Aktenmaterial durch die genaue Angabe der Fundstelle zu bezeichnenden (RIS-Justiz RS0124172) - Verfahrens- ergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) und orientiert sich solcherart nicht an den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481).
Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen zur privilegierenden Norm des § 28 Abs 3 SMG fordert, ohne Verfahrensergebnisse aufzuzeigen, welche die angestrebten Konstatierungen indizieren würden, gelangt auch sie nicht prozessordnungskonform zur Darstellung.
Der Vollständigkeit wegen sei festgehalten, dass allein die Aussage des Beschwerdeführers, regelmäßig Cannabis zu konsumieren (vgl auch I/5), keineswegs die Annahme indiziert, er habe mehr als 2,6 kg Cannabiskraut und Cannabisharz (F) vorwiegend - also in Bezug auf mehr als die Hälfte des durch die Weitergabe erzielten Gewinns (Schwaighofer in WK² SMG § 27 Rz 92) - zum Zweck der Befriedigung eigener Suchtgiftabhängigkeit verkauft.
Auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Otmane T***** war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass die angefochtene Entscheidung keine Feststellungen zu den Schuldsprüchen (richtig) D/III/2 und H/2 des Mosbah K***** enthält, aus welchem Grund insoweit mit einer Teilaufhebung vorzugehen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
Dies hatte die Kassation des Mosbah K***** betreffenden Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und demnach auch des auf diesen Angeklagten bezogenen Beschlusses nach § 494a Abs 1 StPO zur Folge. Auf Letzteres war die Staatsanwaltschaft mit ihrer Beschwerde (ON 354 S 29) zu verweisen.
Die infolge der Teilaufhebung in Bezug auf Mosbah K***** zerschlagene Subsumtionseinheit (E, richtig D) wird im zweiten Rechtsgang neu zu bilden sein (RIS-Justiz RS0116734; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10).
Das Einziehungserkenntnis (US 7) war zu kassieren, weil es den Gegenstand der verfügten vorbeugenden Maßnahme (§ 34 SMG iVm § 26 StGB) nicht hinreichend determiniert.
Die Generalprokuratur weist zutreffend darauf hin, dass auch die Feststellungsbasis zum Schuldspruch des Kamel M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 und Z 3 SMG bezüglich des Überlassens von rund 6,5 Gramm Heroin an Abdennour A***** (C/16) äußerst dünn ist. Im Hinblick auf die Konstatierung der Übergabe von 7 Gramm Heroin durch Abdennour A***** an Kamel M***** (US 12), den ausdrücklichen Verweis auf die Verantwortung des Letzteren (US 14), der nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung gerade die Rückgabe dieses Heroins dezidiert zugestand (ON 324a S 13), und das - zur Verdeutlichung der Entscheidungsgründe heranziehbare (RIS-Justiz RS0098644, RS0098795; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 580) - Referat der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO), wonach Kamel M***** etwa 6,5 Gramm Heroin an Abdennour A***** retournierte (US 3), trägt das Urteil in seiner Gesamtheit den relevierten Schuldspruch aber gerade noch.
Vollständigkeitshalber sei hinzugefügt, dass hinsichtlich Abdennour A***** im Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilstenor unter D/IV/8 auch ein Anbot von 10 Gramm Cannabiskraut angeführt wird (US 4), diesbezügliche Feststellungen aber fehlen. Im Hinblick darauf, dass ein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen Anbietens von Suchtgift (§ 27 Abs 1 Z 1 siebenter Fall oder § 28a Abs 1 vierter Fall SMG) nicht erfolgt ist, liegt insoweit keine dem Angeklagten nachteilige Gesetzesanwendung vor, womit ein Vorgehen im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO nicht in Betracht kommt.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)