European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00052.24G.0911.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
In der Strafsache AZ 73 Hv 15/23v des Landesgerichts für Strafsachen Wien verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 29. März 2024 (ON 22) § 61 StGB iVm § 148a Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2021/201.
Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Gründe:
[1] Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem (§ 270 Abs 4 StPO iVm § 488 Abs 1 StPO) Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. März 2024 (ON 22) wurde * K* wegen im September 2021 gesetzter Verhaltensweisen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und 3 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Rechtliche Beurteilung
[2] Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang:
[3] Gemäß § 61 zweiter Satz StGB sind die Strafgesetze dann auf vor ihrem Inkrafttreten begangene Taten anzuwenden, wenn die Gesetze, die zur Zeit der Tat gegolten haben, für den Täter in ihrer Gesamtauswirkung nicht günstiger waren. Dabei sind die auf der Basis des Urteilssachverhalts konkret anzuwendenden Gesetze einschließlich allfälliger Qualifikationstatbestände in den Blick zu nehmen (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0119085&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [insbesondere T12], näher zB 11 Os 81/21b [Rz 30] und 13 Os 9/22f [Rz 33] je mwN; zur Auslegung des Begriffs „Strafgesetze“ in § 61 StGB Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 36).
[4] Nach den Urteilsfeststellungen (vgl RIS-Justiz RS0125764 [T4]) erfüllen die vom Schuldspruch umfassten Taten die Tatbestandselemente sowohl des (zur jeweiligen Tatzeit geltenden) § 148a Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2021/201 als auch des (zum Zeitpunkt der Urteilsfällung geltenden) § 148a Abs 1 und 3 StGB idF BGBl I 2021/201 (und jeweils keiner weiteren strafbaren Handlung).
[5] § 148a Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2021/201 sah eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vor; hingegen sehen die Strafgesetze zum Urteilszeitpunkt fallkonkret (§ 148a Abs 1 und 3 StGB idF BGBl I 2021/201) eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.
[6] Hiervon ausgehend widerspricht die rechtliche Unterstellung der vom Schuldspruch umfassten Taten nach § 148a Abs 1 und 3 StGB idgF statt einer – demgegenüber tätergünstigeren – Subsumtion bloß nach § 148a Abs 1 StGB idF vor BGBl I 2021/201 dem Gesetz.
[7] Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil der Verurteilten wirkt und das angefochtene Urteil – zur rechtsrichtigen Subsumtion auf der Basis des Urteilssachverhalts erforderliche (§ 57 Abs 3 StGB, dazu RIS‑Justiz RS0122332 [T1] und [in Bezug auf gekürzte Urteilsausfertigungen] RS0125764 [T5]) – Feststellungen zu verjährungshemmenden Tatsachen (§ 58 StGB) nicht enthält, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)