OGH 13Os52/22d

OGH13Os52/22d7.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Kornauth in der Strafsache gegen * S* wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16. März 2022, GZ 45 Hv 34/21d‑179, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00052.22D.0907.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* – soweit hier von Bedeutung – zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit dem abgesondert verurteilten * J* durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen abgenötigt, indem sie ihr Opfer umzingelten und mit Schlägen, die eine „massive“ Gesundheitsschädigung herbeiführen, bedrohten (US 4 f), und zwar

I) Anfang Juni 2021 einem Unbekannten zumindest 10 Gramm Heroin brutto und 900 Euro Bargeld sowie

II) am 14. Juni 2021 * St* 9,3 Gramm Heroin brutto.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 177 S 26) des mit der „Vielzahl der vorverurteilenden Stellungnahmen des Sachverständigen in seinem Gutachten und die offensichtliche Aversion des Sachverständigen gegen den Angeklagten, die sich auch darin zeigt, dass er eine Vielzahl von Stellungnahmen in seinem Gutachten abgibt, zu Fragen, zu denen er gar nicht befragt wurde und die allesamt negativ für den Angeklagten sind“ begründeten Antrags auf Enthebung des Sachverständigen Dr. * Sc* wegen Befangenheit (ON 177 S 25), keine Verteidigungsrechte verletzt.

[5] Denn der erst nach Abschluss der Vernehmung des Sachverständigen gestellte Antrag ist verspätet (vgl RIS‑Justiz RS0115712 und RS0106259; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 373). Rechtzeitig ist ein solcher Befangenheit relevierender Antrag nämlich nur, wenn er vor Beginn der Beweisaufnahme (vgl zur Beiziehung des Sachverständigen RIS‑Justiz RS0115712 [T7]) gestellt wird, es sei denn, der Antragsteller wäre daran gehindert gewesen. In diesem Fall hat der Antrag darzulegen, weshalb der Einwand nicht früher geltend gemacht werden konnte (RIS‑Justiz RS0106259 [T1] und RS0113618 [T6 und T7]).

[6] Vorbringen zu Letzterem war dem Antrag nicht zu entnehmen. Auch dass der Experte Befund und Gutachten selbst dann nicht zu ändern gewillt gewesen wäre, wenn Beweisergebnisse deren Mangelhaftigkeit aufgezeigt hätten (dazu Hinterhofer, WK‑StPO § 126 Rz 72 sowie RIS‑Justiz RS0115712 und RS0126626), wurde vom Antrag nicht behauptet.

[7] Hinzugefügt sei, dass der zeitgleich mit dem Antrag erfolgte Hinweis des Verteidigers, wonach er „das [gemeint: das Antragsvorbringen] noch entsprechend auch schriftlich ausfertigen“ werde (ON 177 S 25), unbeachtlich ist. Denn bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung des Antrags und den bei seiner Stellung vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS‑Justiz RS0099618).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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