Spruch:
In Stattgebung und aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A/1 und 2 sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Josef H***** wurde mit dem angefochtenen Urteil, das auch ihn und einen Mitangeklagten betreffende Freisprüche enthält, je mehrerer Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG (A/1), § 33 Abs 2 lit a FinStrG (A/2) und § 33 Abs 2 lit b FinStrG (A/3) schuldig erkannt.
Danach hat er vorsätzlich
A/ in G***** und A*****, sohin im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts M*****, „als faktischer Geschäftsführer und abgabepflichtiger Verantwortlicher“ der C***** GmbH
1/ „unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, indem er Umsätze und Gewinne nicht vollständig erklärte“, eine Verkürzung von Abgaben für 1999 bewirkt, nämlich an
a/ Körperschaftsteuer um 29.810,10 Euro,
b/ Kapitalertragsteuer um 42.616,42 Euro und
c/ Umsatzsteuer um 47.771,42 Euro;
2/ unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für April, Juni, August, Oktober und Dezember 1999 von insgesamt 20.666,60 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er seiner Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe vollständiger Umsatzsteuervoranmeldungen nicht nachkam und entsprechende Umsatzsteuervorauszahlungen nicht leistete;
3/ unter Verletzung seiner Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommenssteuergesetzes 1988 entsprechenden Lohnkonten für das Jahr 1999 eine Verkürzung von Lohnsteuer von 14.132,69 Euro und von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen von 635,97 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, indem er die bezughabenden Löhne an die Arbeitnehmer der genannten Gesellschaft „schwarz“ unter Nichtführung eines Lohnkontos auszahlte.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeitsbeschwerde:
Die vom Angeklagten aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gegen den Schuldspruch A/1 gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde ist aus dem zuletzt genannten Grund im Recht.
Sie wendet zutreffend ein, dass den Feststellungen keine tragfähige Sachverhaltsgrundlage für den Schuldspruch wegen Finanzvergehen nach § 33 Abs 1 FinStrG (A/1) zu entnehmen ist.
Das Schöffengericht konstatierte insoweit zusammengefasst, dass Josef H***** von der Aufnahme der Geschäftstätigkeit der C***** GmbH im Frühjahr 1999 bis zur Kündigung ihm erteilter Vollmachten zum 20. Jänner 2000 als „faktischer Unternehmenschef“ agierte. Er führte im Einvernehmen mit den Gesellschaftern und den nur zum Schein bestellten Geschäftsführern für die Abgabenfestsetzung sowie Umsatz- und Gewinnermittlung und für die Lohnabgaben erforderliche Aufzeichnungen, die er an die steuerliche Vertretung weiter leitete. „Dies“ nahm der Angeklagte „auf unvollständige Weise vor, sodass für das Geschäftsjahr 1999 die Erfassung der Ausgangsrechnungen in der Buchhaltung nicht den Tatsachen entsprach“. Betreffend das genannte Jahr wurden, wie es im Urteil heißt, insgesamt Umsätze von 4.055.177 S „nicht in die Buchhaltung aufgenommen und der Abgabenbehörde gegenüber nicht erklärt“ (US 9 f).
Ob und gegebenenfalls durch wen und in welchem Umfang es zu Abgabenerklärungen der Gesellschaft für 1999 kam, lassen die Entscheidungsgründe offen, auch wenn das Urteil an einer Stelle „die tatsächlich höheren als die erklärten Umsätze“ anspricht (US 10 Mitte), was jedoch nicht näher dargelegt wird.
Weder die Abgabe einer inhaltlich unrichtigen Steuererklärung noch das Unterlassen einer Erklärung durch den dazu Verpflichteten (13 Os 142/08v, JBl 2010, 318 [Kert 284]) gehen daher aus den Entscheidungsgründen hervor. Diese legen statt dessen dar, dass nicht erweislich sei, „wer die Geschicke des Unternehmens“ ab der erwähnten Kündigung der Vollmacht des Angeklagten im Jänner 2000 tatsächlich leitete, „sodass weder ihm noch dem Zweitangeklagten die abgabenrechtliche Verantwortlichkeit zugeordnet werden konnte“ (US 13, vgl auch 15, 16).
Ausreichende Konstatierungen, aus denen sich eine strafrechtliche Verantwortung des nach den vorliegenden Urteilsannahmen mit 20. Jänner 2000 - somit vor Ende der Erklärungsfristen (31. März 2000; § 134 Abs 1 BAO idF BGBl 1972/224) - aus seinem Tätigkeitsbereich im Unternehmen ausgeschiedenen Angeklagten ergäben, liegen demnach nicht vor.
Der Mangel an Feststellungen erforderte - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde die Aufhebung des Urteils im Schuldspruch A/1 und demzufolge im Strafausspruch und in diesem Umfang die Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung (Z 9 lit a). Damit erübrigt sich eine Erörterung der Mängelrüge (Z 5).
Zur amtswegigen Maßnahme:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Urteil auch insoweit Nichtigkeit anhaftet, als dem Angeklagten für 1999 Verkürzungen sowohl von Umsatzsteuer als auch von Umsatzsteuervorauszahlungen angelastet werden (vgl US 10; § 281 Abs 1 Z 10 StPO):
Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG wird, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Umsatzsteuerverkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG zumindest versucht wird, von Letzterem konsumiert (RIS-Justiz RS0086719).
Solche im vorliegenden Urteil durch die Feststellungen ausgedrückte Identität (US 10 f: zum einen heißt es „Jahresumsatzsteuerverkürzung für 1999“, zum anderen ist die Rede von Umsatzsteuervoranmeldungen und -vorauszahlungen „für die Perioden April 1999, Juni 1999, August 1999, Oktober 1999, Dezember 1999) wird mit dem darauf folgenden dazu konträren, nicht nachvollziehbaren Hinweis der Entscheidungsgründe, „dass die Verkürzungen an Umsatzsteuervorauszahlungen nicht mit der Jahresumsatzsteuerverkürzung für das Jahr 1999 korrespondieren“ (US 10 f), nicht ausgeräumt.
Daher war das Urteil auch im Schuldspruch A/2 - von Amts wegen - aufzuheben und die Sache in diesem Umfang gleichfalls zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Für den zweiten Rechtsgang bleibt anzumerken:
1. Zunächst wird der Frage nach der abgabenrechtlichen Verantwortlichkeit für die inkriminierten Verkürzungen das entsprechende Augenmerk zu widmen sein. Mit Blick auf § 33 Abs 3 lit a FinStrG wird überdies zu klären sein, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt, Abgabenerklärungen erstattet worden sind.
2. Hinsichtlich der inkriminierten Verkürzung von Umsatzsteuer und Umsatzsteuervorauszahlungen wird auf die angesprochene, Scheinkonkurrenz begründende Identität zu achten sein.
3. Die Teilrechtskraft des nicht von der Urteilsaufhebung erfassten Schuldspruchs A/3 besteht nur für den Fall, dass im zweiten Rechtsgang ein gerichtliche Zuständigkeit begründender strafbestimmender Wertbetrag erreicht wird (§ 53 Abs 1 lit b, Abs 2 FinStrG). Sie ist solcherart auflösend bedingt (RIS-Justiz RS0121978; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 8).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)