Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch
1. wegen des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB sowie im Ausspruch über die Strafe und demzufolge auch der Beschluss über den Widerruf bedingter Strafnachsicht aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung und Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marco G***** des Verbrechens der versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (1.), des Vergehens nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen: erster und zweiter Fall) SMG (2.) und des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (3.) schuldig erkannt.
Danach hat er
1. am 29. Juni 2004 in S***** Roswitha W***** außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er ihre Hose herunterriss und das T-Shirt hinaufschob, um sie im Genitalbereich und an den Brüsten zu berühren;
2. im Juli 2004 im Raum Z***** eine nicht mehr feststellbare Menge Cannabis erworben und besessen;
3. am 25. April 2005 in I***** im Einkaufszentrum „Sillpark" versucht, eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein T-Shirt im Wert von 17,99 Euro Verfügungsberechtigten des Geschäftes „Hervis" mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Rechtliche Beurteilung
Der aus Z 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen, nur die Schuldsprüche 1. und 3. bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Sie weist - zum Schuldspruch 1. - aus Z 9 lit a StPO zutreffend darauf hin, dass das angefochtene Urteil mit einem nichtigkeitsbegründenden Mangel an Feststellungen behaftet ist. Der deliktsspezifische Gewaltbegriff des § 202 Abs 1 StGB idgF stellt nach herrschender Auffassung auf den Einsatz jeder nach Lage des Falles überlegenen und zur Beugung bzw Beseitigung eines tatsächlichen oder etwa zu erwartenden Widerstandswillens des Opfers geeigneten physischen Kraft ab (vgl Schick in WK² § 202 Rz 6; Hinterhofer, SbgK § 202 Rz 17 ff; dies entspricht der Definition zum sonst im StGB verwendeten Gewaltbegriff: vgl Jerabek in WK² § 74 Rz 35; Schick, aaO Rz 5; zuletzt 13 Os 102/05g mwN).
Feststellungen, dass der Angeklagte die - wenn auch nicht ganz unerhebliche - Kraft zum Zweck der Willensbeugung eingesetzt hat, also Gewalt angewendet hat, damit sich das Opfer in der Hoffnung, die Gewaltanwendung werde wieder wegfallen, oder aus Angst, sie werde sich wiederholen, zur Duldung der intendierten geschlechtlichen Handlung entschließe, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Dies zwingt zur Aufhebung des betroffenen Schuldspruchs samt Rückverweisung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Die diesen Schuldspruch betreffende Tatsachenrüge (Z 5a) sowie die Berufung und die Beschwerde sind damit gegenstandslos. Zum Schuldspruch 3. geht die Nichtigkeitsbeschwerde fehl (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).
Unter Berufung auf den geringen Wert der Diebsbeute sowie die Aussage des Angeklagten im Vorverfahren und auch in der Hauptverhandlung, wonach er zu viel getrunken und „einen Blödsinn gemacht" habe (S 14 in ON 16, S 181), rügt die Beschwerde zum Schuldspruch 3. aus Z 10 „mangelhafte Feststellungen zum Wert der betroffenen Sache sowie zum Umstand, ob der Angeklagte die Tat aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes begangen hat". Bei zutreffender und vollständiger Sachverhaltsfeststellung wäre davon auszugehen gewesen, dass der Angeklagte nicht nach § 127 StGB, sondern „schlechtestenfalls" nur nach § 141 StGB zu bestrafen sei. Den - tatsächlich als gering zu anzusehenden (vgl dazu zuletzt 11 Os 140/04 = EvBl 2005/138) - Wert des Tatobjektes haben die Tatrichter ausdrücklich festgestellt (US 3 und 8).
Mit ihrem Vorbringen, es sei aufgrund der Verantwortung des Angeklagten „nicht ohne weiteres auszuschließen, dass der Angeklagte diese Tat aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes begangen habe", legt die Rüge nicht dar, weshalb eine Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit oder seine ex post erfolgte Beurteilung der eigenen Tat als nicht sinnvoll, die Annahme einer Tatbegehung unter den Voraussetzungen des § 141 StGB indizieren sollte.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt im Wesentlichen das Vorbringen zur Subsumtionsrüge, ohne damit sich aus dem Akt ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen.
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO in bezug auf das dem Schuldspruch 2. zugrundeliegende Vergehen nach dem § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG bestand angesichts der bereits erfolgten vorläufigen Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft nach § 35 Abs 1 (und ersichtlich Abs 6) SMG und der anschließenden Einleitung des Verfahrens gem § 38 Abs 1 Z 2 SMG (S 1 in ON 14) kein Anlass, weil dem Akt - mit Ausnahme der Mitteilung des Vereins B.I.T. vom 2. März 2005 (ON 6 in ON 14) - keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass die Diversionsvoraussetzungen nach § 37 SMG iVm § 35 SMG vorliegen und sich der Angeklagte nunmehr gesundheitsbezogenen Maßnahmen unterzieht. Seine Verantwortung in der Hauptverhandlung umfasst bloß die Behauptung, seit ca einem Jahr in ärztlicher Behandlung zu stehen und im Rahmen des Substitutionsprogramms - wie schon im Tatzeitraum - weiterhin 600 mg Substitol einzunehmen (S 171; vgl aber dazu Kodek-Fabrizy, SMG § 38 Anm.9; Foregger/Litzka/Matzka, SMG (1998), Erl II. zu § 38).
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