OGH 13Os41/20h

OGH13Os41/20h17.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, Mag. Fürnkranz und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen Maurice F***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Geschworenengericht vom 12. März 2020, GZ 13 Hv 5/20h‑82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00041.20H.0617.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Maurice F***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 

21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am 11. August 2019 in L***** seinen Vater DI Jürgen‑Gottfried F***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihn von hinten am Oberkörper erfasste, ihn zu Boden drückte und acht Mal mit einem Küchenmesser mit 14 cm langer Klinge auf ihn einstach, wodurch der Genannte Stich‑ und Schnittverletzungen am Kopf, im Nackenbereich, am oberen Brustkorbrücken und im oberen Rückenbereich erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 4, 10a, 12 und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge ist die Unterlassung des Ausschlusses der Öffentlichkeit aus Z 4 des § 345 Abs 1 StPO unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0112528 [T1]).

Unter dem Aspekt der Z 5 des § 345 Abs 1 StPO wurde der Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit (ON 81 S 3) zu Recht abgewiesen. Denn dieser beschränkte sich auf den pauschalen Hinweis, der Ausschluss sei zum Schutz vor der Veröffentlichung von „allenfalls doch sehr sensiblen Privat‑ und Familienangelegenheiten“ erforderlich. So würden bei Befragung des Angeklagten „persönliche gesundheitsbezogene Daten seiner Krankheit“ sowie „die zuvor erfolgte persönliche Auseinandersetzung und die familiäre Situation mit seinem Vater“ erörtert werden, weshalb „negative Auswirkungen auch auf das Berufsleben des Vaters“ zu befürchten seien.

Dieses Vorbringen ließ nicht erkennen, inwieweit in § 229 Abs 1 Z 2 StPO aufgezählte schutzwürdige, das Verfassungsgebot (Art 6 Abs 1 MRK, Art 90 Abs 1 B‑VG) einer öffentlich durchzuführenden Verhandlung überwiegende Interessen des Rechtsmittelwerbers oder des Opfers berührt gewesen wären und solcherart der Ausschluss der Öffentlichkeit geboten gewesen wäre, um ein die Verteidigung sicherndes faires Verfahren zu gewährleisten (RIS‑Justiz RS0053667 [T3]).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) wendet sich gegen den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tötungsvorsatz.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben (RIS-Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470, 490).

Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde (Z 10a), soweit sie ihre Einwände aus der Niederschrift der Geschworenen entwickelt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0115549 und RS0100809), behauptet, „entsprechende Beweismittel“ lägen nicht vor, und Spekulationen darüber anstellt, wie der Angeklagte (aus ihrer Sicht) „mit Mordvorsatz“ gehandelt hätte.

Soweit die Tatsachenrüge auf die den Tötungsvorsatz bestreitende Verantwortung des Angeklagten und auf Ausführungen des medizinischen Sachverständigen hinweist, vermag sie keine erheblichen Bedenken im dargestellten Sinn zu wecken.

Der Beschwerdeansicht zuwider ist die Dauer der Beratung der Geschworenen aus Z 10a ohne Bedeutung (RIS‑Justiz RS0123012).

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 10a des § 345 Abs 1 StPO beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162 [T2]).

Die eine rechtliche Beurteilung als Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 12) orientiert sich nicht an den im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen. Damit verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0101527).

Die (verfehlt nicht im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde, sondern) als auf § 345 Abs 1 Z 13 StPO gestützte „Beschwerde“ gegen die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB ausgeführte Sanktionsrüge (vgl zur Irrelevanz der Fehlbezeichnung RIS-Justiz RS0099013 [T2] und RS0116879 [T3]) richtet sich ausschließlich gegen die Gefährlichkeitsprognose.

Allfällige Fehler der Prognoseentscheidung ressortieren in den Regelungsbereich des zweiten Falles der Z 13. Nichtigkeit aus Z 13 zweiter Fall liegt insoweit dann vor, wenn die Entscheidung zumindest eine der in § 21 Abs 1 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt oder die aus diesen Erkenntnisquellen gebildete Feststellungsgrundlage die Prognoseentscheidung als willkürlich erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0113980 und RS0118581; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 715 ff).

Mit dem Vorbringen, die Gefährlichkeitsprognose sei weder nachvollziehbar noch ausreichend begründet, erschöpft sich die Rüge hingegen in bloßem Berufungsvorbringen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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