Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Ried im Innkreis die - bedingt nachgesehene (§ 45 Abs 1 StGB) - Unterbringung des Franz B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB an, weil er am 15. März 2007 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades, nämlich einer episodisch verlaufenden paranoiden Schizophrenie beruhte,
1. die Beamten der Polizeiinspektion W***** Dieter B***** und Cornelia F***** mit Gewalt an seiner gerechtfertigten vorläufigen Verwahrung dadurch zu hindern versuchte, dass er wiederholt auf die beiden Beamten einschlug;
2. anlässlich dieses Vorfalls Beamte während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben oder Erfüllung ihrer Pflichten am Körper verletzte, und zwar
a. Dieter B*****, indem er mit Händen und Fäusten auf ihn einschlug, wodurch dieser eine Zerrung der linken Schulter mit diskretem Einriss der Supraspinatussehne, eine Brustkorbprellung im Bereich des Brustbeins, eine Prellung mit Bluterguss am rechten Oberarm, eine Prellung des rechten Mittelhandknochens sowie Schürfwunden am rechten Handrücken, im Bereich der Grundgelenke der streckseitigen Finger, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Berufsunfähigkeit, erlitt;
b. Cornelia F*****, indem er ihr mit der Hand ins Gesicht und gegen den Körper schlug, wodurch diese Rötungen im Gesicht und Zerrungen der Schulter, des Ellenbogengelenks und des rechten Handgelenks erlitt,
und dadurch die Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (1.), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 4 StGB (2/a) und der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (2/b) beging.
Rechtliche Beurteilung
Die aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit b und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel. Dem - undifferenziert auf Z 5 und Z 5a gestützten - Beschwerdevorbringen zuwider ist den Urteilskonstatierungen nicht zu entnehmen, dass ein landwirtschaftliches Fahrzeug des Betroffenen „zur Gänze auf der Fahrbahn abgestellt" war (US 4 f). Ob das Verhalten des Betroffenen im Straßenverkehr tatsächlich als Übertretung nach § 23 Abs 1 StVO zu qualifizieren war, ist im Übrigen für die Beurteilung des Tätigwerdens der Beamten als Amtshandlung iSd § 269 StGB nicht von Bedeutung und daher als nicht entscheidend einer Anfechtung aus Z 5 und Z 5a entzogen. Der Hinweis auf eine erst mit der Beschwerdeschrift vorgelegte - nicht den gegenständlichen Vorfall betreffende - Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich hat ohnehin schon aufgrund des im Nichtigkeitsverfahren geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen. Wenn das Erstgericht auch konstatierte, dass Franz B***** dadurch, dass er dem Polizeibeamten Dieter B*****, den er als „in Uniform im Dienst befindlichen Beamten" erkannte, einen heftigen Schlag gegen dessen Schulter versetzte, diesen nicht nur verletzen, sondern auch „die weitere Amtshandlung wegen des stattgefundenen Verwaltungsvergehens verunmöglichen" wollte (US 5), wurde die Unterbringung des Betroffenen darauf gar nicht gegründet. Erst die anschließende Gewaltanwendung verbunden mit dem Vorsatz, die Beamten dadurch an seiner - aufgrund dieser Aggressionshandlung ausgesprochenen - Festnahme („gerechtfertigten vorläufigen Verwahrung") zu hindern, begründete die Anlasstat des Vergehens des (versuchten) Widerstands gegen die Staatsgewalt (US 2 iVm US 5). Mit der Kritik an der Feststellung eines auf die Verhinderung einer Amtshandlung wegen einer Verwaltungsübertretung gerichteten Vorsatzes des Betroffenen bereits beim ersten gegen Dieter B***** geführten Schlag spricht der Beschwerdeführer demnach erneut keine entscheidende Tatsache an. Gleiches gilt für die auf § 33 Abs 2 VStG gestützte Beschwerdebehauptung, eine „Verwaltungsamtshandlung" sei gar nicht vorgelegen, weil sich die Beamten hätten entfernen müssen, nachdem der Betroffene „zu erkennen gegeben hat, dass er nicht darüber" (gemeint: über den Verdacht einer Verwaltungsübertretung) „sprechen will".
Der Einwand, die Schlussfolgerung aus der Vorgehensweise des Betroffenen auch auf dessen die Verletzung der Beamten umfassende Willensausrichtung sei unzulässig (der Sache nach Z 5 vierter Fall), trifft nicht zu. Vielmehr ist der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452). Die - den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechende - beweiswürdigende Bezugnahme auf die Vielzahl der entstandenen Verletzungen und die daraus abgeleitete „ungemein aggressive, gewalttätige Vorgangsweise" (US 8) ist aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.
Mit dem Beschwerdeeinwand, „Verletzungsabsicht beim ersten Stoß" sei „von niemandem behauptet" worden, wird offenbar unzureichende Begründung iSd Z 5 vierter Fall demnach nicht aufgezeigt. Weswegen die - von der Beschwerde zudem verzerrt zusammengefasste - Aussage der Zeugin Cornelia F*****, wonach Franz B***** zu seinem Traktor ging, nachdem er ihrem Kollegen einen heftigen Stoß gegen den Oberkörper versetzt hatte (S 369), oder die Passage aus der - Tätlichkeiten gegen die Beamten grundsätzlich eingestehenden - Verantwortung des Betroffenen, er habe Dieter B***** „weggetaucht" (S 362) in - iSd Z 5 zweiter Fall relevantem - erörterungsbedürftigen Widerspruch zur Annahme zumindest bedingten Verletzungsvorsatzes schon bei diesem Angriff stehen sollte, lässt die Rüge offen. Ob der Betroffene nach diesem ersten Stoß „Anstalten, weiter tätlich vorzugehen" zeigte, ist für die rechtliche Beurteilung nicht von Belang.
Soweit der Beschwerdeführer sein Vorbringen (undifferenziert) auch auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO stützt, gelingt es ihm nicht, aus den Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Feststellungen über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) StPO kritisiert - unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz über den Einspruch des Betroffenen gegen den Unterbringungsantrag (ON 39) - die Nichtannahme des Vorliegens des Rechtfertigungsgrundes des § 269 Abs 4 StGB sowie - in Bezug auf die Körperverletzungen - des § 3 StGB. Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Mit dem Einwand, es sei „naheliegend", dass die Brustkorbprellung des Dieter B***** nicht durch den ersten Stoß gegen seine Schulter, sondern erst durch die späteren wiederholten Schläge und Stöße gegen seinen Oberkörper entstanden sei, weshalb „angenommen werden kann", dass „der Stoß ... als tätlicher Angriff nach § 270 StGB zu werten ist", zieht der Nichtigkeitswerber die Urteilskonstatierungen in Zweifel anstatt von diesen ausgehend einen allfälligen Rechtsfehler des Erstgerichts nachzuweisen.
Solcherart spekulative Überlegungen zur Unverhältnismäßigkeit einer vorläufigen Verwahrung wegen eines tätlichen Angriffs auf einen Beamten nach § 270 StGB und die Behauptung, ein gefährlicher Angriff nach § 16 SPG sei gar nicht vorgelegen, gehen prozessordnungswidrig nicht vom Urteilssachverhalt aus, wonach die Festnahme ausgesprochen wurde, weil der Betroffene dem Polizeibeamten Dieter B*****, den er als solchen erkannte, während der Sachverhaltsermittlung wegen einer Verwaltungsübertretung mit Verletzungsvorsatz einen heftigen Schlag gegen die Schulter versetzte, worauf dieser sofort Schmerzen verspürte (US 5).
Weshalb aber die Beamten zu einer Festnahme wegen des Verdachts des - mit bis zu dreijähriger Freiheitsstrafe bedrohten - Vergehens der (zumindest versuchten) schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB, bei dem der Betroffene auf frischer Tat betreten wurde (vgl §§ 175 Abs 1 Z 1, 177 Abs 1 Z 1 StPO aF), ihrer Art nach nicht berechtigt gewesen sein sollten oder diese Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen haben sollte (§ 269 Abs 4 StGB), legt die Rüge nicht dar.
Mit der Beschwerdebehauptung, es liege „der Verdacht nahe, dass Inspektor B*****, der durch die Beschimpfungen des Betroffenen verärgert war, diesen Stoß zum Anlass nahm, um absichtlich dem Betroffenen durch die Verhaftung eins auszuwischen, obwohl er wissen musste, dass hiefür kein ausreichender Grund vorlag", weshalb das Urteil mangels Beurteilung der Vorfrage, ob die Vorgangsweise des Beamten gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen habe, „an einem Mangel" leide, werden in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien, die Anlass zu solchen Feststellungen geben hätten können, nicht bezeichnet.
Das Vorbringen der Sanktionsrüge (nominell Z 11 zweiter Fall; der Sache nach Z 9 lit b), die Anordnung der Unterbringung sei nicht zulässig, weil „der Betroffene für die Anlasstat einen Rechtfertigungsgrund aufweist", entzieht sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht es unterlassen hat, die Prognosetat im Urteil ihrer Art nach näher zu umschreiben (RIS-Justiz RS0113980, RS0118581; zuletzt 13 Os 5/08x). Der Hinweis auf eine „hohe Wahrscheinlichkeit" der Begehung „gleichartiger Delikte" vermag derartige Feststellungen schon angesichts der Anlasstaten, auf die die Unterbringung gegründet wurde, nicht zu ersetzen. Diesem - aus Z 11 zweiter Fall ungerügt gebliebenen - Rechtsfehler kann vom Berufungsgericht Rechnung getragen werden, sodass es einer amtswegigen Maßnahme (§ 290 Abs 1 StPO) nicht bedurfte.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)