European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00037.15P.0427.000
Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 12. März 2015 wurde Harald K***** der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (A), der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (B) und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (C) schuldig erkannt (ON 161 PS 12).
Nach Verkündung des Urteils und Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung behielt sich der Angeklagte drei Tage Bedenkzeit vor (ON 161 PS 15).
Die Frist zur Anmeldung der Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung endete am 16. März 2015 (§§ 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO).
Am 17. März 2015 gab der Verteidiger telefonisch bekannt, dass die Frist zur Anmeldung der Rechtsmittel versäumt worden sei (ON 1 S 83). Am 23. März 2015 beantragte er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung. Gleichzeitig holte er die versäumte Verfahrenshandlung nach. Zur Begründung brachte der Verteidiger vor, die Rechtsmittelanmeldung am 16. März 2015 verfasst und seiner Kanzleikraft mit einem weiteren fristgebundenen Schriftsatz mit dem Hinweis überreicht zu haben, dass beide Schriftstücke noch am selben Tag abgefertigt werden müssten. Am nächsten Tag habe er bemerkt, dass die Abfertigung nicht durchgeführt worden sei. Ein derartiges Versehen sei davor noch nie vorgekommen, vermutlich auf eine Konzentrationsschwäche zufolge einer sich bereits anbahnenden Erkrankung zurückzuführen. Dies sei für ihn aufgrund der sonst überaus sorgsamen Arbeitsweise der Angestellten unerwartet und unvorhersehbar gewesen (ON 164).
Dem Antrag kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 364 Abs 1 StPO ist die innerhalb von vierzehn Tagen nach Aufhören des Hindernisses beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die versäumte schriftliche Verfahrenshandlung mit dem Antrag nachgeholt und nachgewiesen wird, dass es den Beteiligten des Verfahrens aufgrund eines unvorhersehbaren oder unabwendbaren Ereignisses unmöglich war, die Verfahrenshandlung vorzunehmen, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.
Vorliegend steht das (dem Verteidiger zuzurechnende) Verschulden der Kanzleiangestellten der Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht entgegen, weil es sich um ein erstmaliges Versehen handelte, das angesichts der bisherigen Verlässlichkeit und Bewährung der Kanzleikraft nicht zu erwarten war. Der Verteidiger durfte darauf vertrauen, dass der von ihm fristgerecht angeordnete, bloß manipulative Vorgang der Abfertigung durchgeführt wird (RIS‑Justiz RS0122717). Da ihm auch keine Verletzung von Sorgfalts‑, Organisations‑ oder Kontrollpflichten vorzuwerfen ist (RIS‑Justiz RS0101310, RS0101329 [T15]) und auch sonst alle Voraussetzungen des § 364 Abs 1 StPO vorliegen, war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.
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