European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00034.20D.0507.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Idriz M***** und Qendrim M***** jeweils des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach haben am 4. Oktober 2018 in S*****
(I) Qendrim M***** im einverständlichen Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit einem Unbekannten V***** und C***** mit Gewalt gegen deren Person fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen oder abzunötigen versucht, indem der eine V*****, nachdem diese ihre Wohnungstür geöffnet hatte, am Nacken packte, ihr eine Hand auf den Mund drückte und sie in die Wohnung schob, wodurch sie zu Boden fiel, und der andere C***** anzugreifen trachtete, wobei es infolge dessen Gegenwehr beim Versuch blieb, sowie
(II) Idriz M***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz (US 7) zur strafbaren Handlung der unmittelbaren Täter (I) beigetragen (§ 12 dritter Fall), indem er den Abend zuvor mit C***** und V***** verbrachte, mit ihnen in deren Wohnung alkoholische Getränke konsumierte, währenddessen mehrmals Qendrim M***** telefonisch Hinweise für die spätere Tatausführung gab und schließlich, nachdem er die Wohnung bereits verlassen hatte, noch zweimal die Türglocke betätigte und sich jeweils für den Abend bedankte, sodass V***** den nachfolgend (um etwa 3:00 Uhr) anläutenden unmittelbaren Tätern ohne Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen die Wohnungstür öffnete.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von Idriz M***** auf Z 5, von Qendrim M***** auf Z 5, 5a und 8 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Idriz M*****:
Das Schöffengericht ging anhand des Ergebnisses einer Rufdatenrückerfassung von einer Vielzahl telefonischer Kontakte des Idriz M***** mit seinem Bruder Qendrim M***** im Zeitraum von 3. Oktober 2018, 21:54 Uhr, bis 4. Oktober 2018, 3:29 Uhr, aus (US 4 bis 6).
Ob ihm Idriz M***** just „im ersten Telefonat um 21:54 Uhr“ – somit noch bevor C***** diesen „kurz nach Mitternacht“ zu sich nach Hause einlud (um den gemeinsam verbrachten Abend „ausklingen zu lassen“ [US 4]) – „die Örtlichkeit“ (nämlich die ihm schon von früheren Besuchen bekannte [US 4] Wohnung des C***** und der V*****) „näher beschrieb“ (US 14), ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage bedeutsam, somit nicht entscheidend.
Darauf bezogene Einwände (aus Z 5 dritter Fall) verfehlen daher von vornherein den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS-Justiz RS0106268).
Die Täterschaft des Qendrim M***** ist zwar (nur) für dessen Schuldspruch entscheidend, für die Annahme jener des Idriz M***** ist sie jedoch fallkonkret erheblich (vgl US 9 bis 15; zum Begriff Ratz , WK-StPO § 281 Rz 409).
Soweit sie (gestützt auf Z 5 zweiter Fall) die Feststellung dieses Tatumstands (US 5) bekämpft, versäumt es die Rüge aber prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0119370), an der Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilserwägungen (US 9 bis 15) Maß zu nehmen.
Im Übrigen sind (losgelöst vom Akteninhalt aufgestellte) Beschwerdebehauptungen zum „tatsächlichen Erscheinungsbild“ des Qendrim M***** („185 cm“, „95 kg“, Statur „kräftig“) kein in der Hauptverhandlung vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Beweisergebnis, das in einem erörterungsbedürftigen (Z 5 zweiter Fall) Widerspruch zu einer „Täterbeschreibung“ stehen könnte, die C***** bei der Anzeigenerstattung gab (ON 2 S 81 [iVm ON 38 S 32]: „zwischen 175 und 180 cm“, „normale Statur“). Im Rechtsmittel relevierte Angaben des Qendrim M*****, dieser habe im Rahmen seiner „Beschäftigung im Umzugsunternehmen des Erstangeklagten“ „bis zu 400 kg schwere Klaviere zu transportieren“ (ON 38 S 15), stellen jedenfalls keinen derartigen Widerspruch her.
Ebenso wenig steht die – zudem ohne konkreten Aktenbezug (siehe aber RIS-Justiz RS0124172 [T5]) – als übergangen (Z 5 zweiter Fall) reklamierte Aussage der V*****, sie habe, als sie am 3. Oktober 2018 um etwa 23:40 Uhr nachhause gekommen sei, einen „Mann mit Kapuze“ gesehen, der sich in der Straße gegenüber ihrem Wohnhaus auf einen Stuhl gesetzt habe (ON 2 S 49 iVm ON 38 S 26), (irgend-)einer Feststellung über eine entscheidende Tatsache erörterungsbedürftig entgegen.
Die Kritik an der Beurteilung der Einlassung des Beschwerdeführers (zu den Gründen für seine mehrmalige Kontaktaufnahme mit Qendrim M***** in der Tatnacht und nachfolgende Löschung der betreffenden Telefonate „aus der Anrufliste“) als unglaubhaft (US 12 ff) erschöpft sich in einem Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Qendrim M*****:
Die Mängelrüge behauptet einen unerörtert gebliebenen „offenbaren Widerspruch“ zwischen „der Täterbeschreibung und dem tatsächlichen Erscheinungsbild“ des Beschwerdeführers (nominell Z 5 zweiter und fünfter Fall) und vermeint, die Annahme telefonischen Austauschs „über den ganzen Abend hinweg“ stehe in „krassem Widerspruch“ (Z 5 dritter Fall) zur Feststellung, C***** habe Idriz M***** „erst kurz nach Mitternacht“ in seine Wohnung eingeladen. Insoweit sei auf die Erledigung der – gleichgerichteten – Einwände des Idriz M***** verwiesen.
Aus Z 5a und Z 8 rügt die Beschwerde, das Schöffengericht habe anstelle des in der Anklageschrift genannten und „im ganzen Strafverfahren“ „nie in Zweifel gezogene[n]“ Tatzeitpunkts – „gegen 3:30 Uhr“ – „unangekündigt“ „etwa 3:00 Uhr“ als Tatzeit konstatiert und damit gegen das aus Art 6 Abs 3 lit a und b MRK abzuleitende Überraschungsverbot verstoßen.
Ein geänderter rechtlicher Gesichtspunkt, der – aus Z 8 relevant – im Sinn des § 262 StPO eine Anhörung der Beteiligten des Verfahrens erfordert hätte (RIS-Justiz RS0121419 [insbesondere T14], RS0113755; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 545), steht damit jedoch nicht in Rede.
Unter dem Aspekt der Z 5a wiederum gilt das Überraschungsverbot nur in Betreff von Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 480, 492; vgl RIS-Justiz RS0120025, jüngst 12 Os 114/19k). Entscheidend (RIS-Justiz RS0106268 [T7]) aber ist die Tatzeit – hier wie auch in der Regel (vgl RIS-Justiz RS0098557) – keineswegs. Das Erfordernis welcher konkreten (nicht von Amts wegen vorgenommenen) Beweisaufnahme „zu einem Alibi um 3:00 Uhr“, die zu beantragen er durch die „unangekündigte Änderung des Tatzeitpunkts“ gehindert gewesen sein will, sich aus den Akten (Z 5a) ergeben sollte, lässt die Beschwerde offen.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen und der (impliziten) Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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