Spruch:
I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
II. Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2, soweit dem Karl L*** zur Last gelegt wird, die von ihm den Bezirksinspektoren Stefan W*** und Georg R*** fälschlich angelasteten Handlungen seien das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt (§ 302 Abs 1 StGB.), ferner im Ausspruch, der Angeklagte habe das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1, letzter Fall, StGB. begangen sowie im Freiheitsstrafausspruch aufgehoben und es wird gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Karl L*** hat zu 2 das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB. begangen.
Hiefür und für das ihm zu 1 zur Last liegende Vergehen des Diebstahls wird Karl L*** nach §§ 28, 128 Abs 1 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt. III.Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.
IV. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 2.Oktober 1946 geborene Karl L*** ist des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 4 StGB. (1) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1, letzter Fall (gemeint: erster Deliktsfall, höherer Strafsatz
- EvBl 1982 Nr. 198, LSK. 1984/129, 13 Os 155/84, 13 Os 127/85, 13 Os 84/87, 13 Os 6/88 u.a.m.) StGB. (2) schuldig erkannt worden. Darnach hat er in Wien vom 21.Juni bis 11.Juli 1987 unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch die ihm aufgetragene Arbeit (Renovierung einer Wohnung) geschaffen worden war, seiner Auftraggeberin Gabriele O*** Schmuckstücke, eine goldene Uhr, fünf bespielte und fünf unbespielte Videokassetten, eine Fernbedienung für einen Videorecorder und eine Bohrmaschine im (soweit festgestellt) Gesamtwert von (ca.) 29.600 S gestohlen (1). Ferner hat er am 27.August 1987 die Polizeibeamten Stefan W*** und Georg R*** durch die fälschliche Behauptung, sie hätten ihn bei der Einvernahme zum Diebstahlsvorwurf (1) durch Schläge und ein "Wasserbad" zu einem (falschen) Teilgeständnis genötigt, verleumdet, wobei das Erstgericht davon ausging, daß der Angeklagte gegenüber den beiden Polizeibeamten solcherart fälschlich den Vorwurf des
- mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedrohten - Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB. erhoben habe (2).
Rechtliche Beurteilung
Den Schuldspruch wegen Diebstahls (1) ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit b StPO. mit Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Mängelrüge (Z. 5) geht insoweit fehl, als sie behauptet, das Gericht habe die Täterschaft des Angeklagten aus einem ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis abgeleitet. Davon kann keine Rede sein. Ist der Schöffensenat doch davon ausgegangen, daß auch andere Personen Zutritt zur Wohnung hatten, aus der die Sachen gestohlen wurden, hat aber deren Täterschaft auf Grund der glaubwürdigen Bekundungen der vernommenen Zeugen ausgeschlossen (S. 133 ff.).
Auch der weitere Einwand der Mängelrüge, der Senat habe den Schuldspruch durch den Hinweis auf die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten begründet, ist nicht stichhältig. Außer der einleitenden Feststellung, daß der Angeklagte bisher zwölf gerichtliche Verurteilungen, nahezu alle wegen Vermögensdelikten, aufweise (S. 131), wird daraus kein Schluß auf dessen Täterschaft im gegenständlichen Fall gezogen.
In seiner Rechtsrüge (Z. 9 lit b) geht der Beschwerdeführer abermals urteilsfremd von einem ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis aus und bekämpft damit wieder nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter. Rechtlich relevante Einwände werden hingegen nicht erhoben.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, daß der Absatz 2 des § 127 StGB. zwar mit Ablauf des 29.Februar 1988 außer Kraft getreten ist (Art. XIX Abs 1 StRÄG. 1987), daß aber die hier angenommene (übrigens nicht strafnormierende) Qualifikation des § 127 Abs 2 Z. 3 StGB. mangels Aufhebung des Diebstahlsschuldspruchs urteilsmäßig wirksam bleibt (Art. XX Abs 1 StRÄG. 1987). Bezüglich § 128 Abs 1 Z. 4 StGB. ergibt sich diese Frage gar nicht (Wert 29.600 S: siehe Art. I Z. 15 StRÄG. 1987).
Indes leidet der Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleumdung (2) an einer ungerügt gebliebenen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z. 11 StPO.), die, weil sie sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt, von Amts wegen aufzugreifen ist (§ 290 Abs 1 StPO.):
Durch die fälschliche Behauptung, von Polizeibeamten zur Ablegung eines - sei es wahren, sei es unwahren - Geständnisses durch Schläge oder sonstige körperliche Mißhandlungen (hier: Untertauchen im Wasser) gezwungen worden zu sein, wird nämlich den Polizeibeamten nicht das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB., sondern vielmehr das - mit Freiheitsstrafe bloß bis zu einem Jahr bedrohte - Vergehen der Nötigung im Sinn des § 105 Abs 1 StGB. vorgeworfen (siehe dazu einläßlich EvBl 1982/198 = JBl 1982 S. 548 = LSK. 1982/127 mit zahlreichen Nachweisen; LSK. 1984/129; 13 Os 169/84, 13 Os 6/88 u.a.). Der Angeklagte Karl L*** verantwortet somit bei
rechtsrichtiger Beurteilung zu 2 nur das Vergehen (nicht das Verbrechen) der Verleumdung nach § 297 StGB. Insoweit war der verfehlte Schuldspruch zu korrigieren.
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe nach §§ 28, 128 Abs 1 StGB. war auf das Urteil des JGH. Wien vom 12. August 1987, 23 U 162/87, gemäß § 31 StGB. nicht Bedacht zu nehmen, weil die Verleumdung am 27.August 1987 verübt worden ist. Auch das hat das Landesgericht übersehen. Erschwerend waren das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen und die einschlägigen Vorstrafen, die eine Anwendung des § 39 StGB. zugelassen hätten, mildernd war hingegen die (zwei Kassetten und eine Fernbedienung umfassende) teilweise Schadensgutmachung.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.
Auf Grund dieser Verurteilung wäre auch über den Widerruf der dem Karl L*** im Urteil des Jugendgerichtshofs Wien vom 12. August 1987, 23 U 162/87-15, gewährten bedingten Strafnachsicht zu entscheiden (§ 53 StGB., §§ 494 a, 495 StPO.). Indes fehlt dem Obersten Gerichtshof die Kompetenz zu dieser Entscheidung: Dort nämlich, wo über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht (§ 43 StGB.) von dem eine neuerliche Verurteilung aussprechenden Gericht erster Instanz nicht entschieden wurde bzw. werden konnte und das Unterbleiben einer solchen Entscheidung nicht angefochten worden ist, erstreckt sich das die neuerliche Verurteilung betreffende Rechtsmittelverfahren nicht auf das Unterbleiben der Widerrufsentscheidung.
Nur dann, wenn in erster Instanz ein unangefochten gebliebener (positiver oder negativer) Widerrufsbeschluß ergangen ist, wird diesem durch eine Änderung des Strafausspruchs in dem die neuerliche Verurteilung betreffenden Rechtsmittelverfahren der Boden entzogen; der Widerruf wird so zum unmittelbaren Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Nur in einem solchen Fall kann also das Rechtsmittelgericht im Sinn einer "Gesamtregelung" der Straffrage (ratio der §§ 494 a, 494 b StPO.) hinsichtlich aller in Betracht kommenden Urteile unter Beachtung des Verschlimmerungsverbots so vorgehen, als ob auch der Widerrufsbeschluß unmittelbar angefochten worden wäre.
Eine erstinstanzliche Entscheidungstätigkeit des Rechtsmittelgerichts (also hier des Obersten Gerichtshofs) im Widerrufsverfahren ist für den Fall eines unangefochtenen Unterbleibens einer Entscheidung durch das Erstgericht im Anlaßverfahren nach dem Gesetz nicht vorgesehen (15 Os 30,31/88 mit eingehender Begründung). Da darnach eine Entscheidung gemäß § 494 a StPO. hier nicht in Betracht kommt, wird über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß § 495 Abs 1 StPO. der Jugendgerichtshof Wien zu 23 U 162/87 zu entscheiden haben. Die Aussprüche des Erstgerichts über die Vorhaftanrechnung und über die Verpflichtung zum Kostenersatz bleiben aufrecht; dies sei der Deutlichkeit halber nochmals (siehe Spruch) hervorgehoben.
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