OGH 13Os169/84

OGH13Os169/8422.11.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.November 1984 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gurschler als Schriftführers in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 18.Juli 1984, GZ 29 Vr 126/84- 16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Bernhauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, das dem Gendarmeriebeamten Walter B fälschlich angelastete Verhalten sei das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, in der Unterstellung der Tat (I) als Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1, höherer Strafsatz, StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Die fälschlich angelastete Handlung (I) ist das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB

Friedrich A hat hiedurch das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB begangen.

Er wird hiefür und für die ihm weiters zur Last liegenden Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (II) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III) nach § 28, 297 Abs 1, erster Strafsatz, StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 2.September 1949 geborene Hilfsarbeiter Friedrich A wurde des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 (höherer Strafsatz) StGB (I) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (II) und der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB bestraft.

Darnach hat er am 13.Oktober und am 7.November 1983 in Innsbruck den Gendarmeriegruppeninspektor Walter B dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden und mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, indem er im Strafverfahren 29 Vr 3166/83 des Landesgerichts Innsbruck behauptete, B habe ihn durch Versetzen von Tritten zu einem unwahren Geständnis gezwungen, wobei A wußte (§ 5 Abs 3 StGB), daß die Verdächtigung falsch war (I). A hat ferner am 18. November 1983 in Nassereith Blandina A dadurch, daß er ihren Kopf gegen eine Bank stieß, am Körper mißhandelt und fahrlässig leicht verletzt (II) und schließlich am 22.November 1983 in Nassereith Elfriede C durch die Drohung, er werde sie niederschlagen, dazu genötigt, die Entnahme ihrer Kraftfahrzeugschlüssel aus der Handtasche zu dulden (III).

Gegen den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Verleudmung (in seiner Gesamtheit) richtet sich die (formell) auf § 281 Abs 1 Z. 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer erhebt den Vorwurf unzureichender Begründung der festgestellten Wahrheitswidrigkeit der von ihm gegen den Gendarmeriebeamten erhobenen Anschuldigung. Hiebei unterzieht er das Ergebnis der Urteilserwägungen, wonach die (teilweise) Bestätigung seiner Verantwortung durch den wegen Verleumdung abgesondert verfolgten Siegmund D die Verläßlichkeit der Aussage des Beamten nicht zu beeinträchtigen und den Angeklagten nicht zu entlasten vermag (126 unten, 127), isoliert einer kritischen Betrachtung. Er setzt sich jedoch nicht mit der dieser Annahme zugrundeliegenden wesentlichen Argumentation des Schöffengerichts auseinander, welches den Zeugen B als erfahrenen Gendarmeriebeamten charakterisiert, dessen Bekundung in der Hauptverhandlung als glaubwürdig bezeichnet (S. 126 letzter Abs) und solcherart in mit dem Akteninhalt und mit den Denkgesetzen vereinbarer Weise die bekämpften Urteilsannahmen letztlich auf den vom Zeugen B in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck stützt. Einer Bezugnahme auf den Amtseid des Gendarmeriebeamten bedurfte es dazu nicht. Wenn in der Beschwerde unter übergehung dieses maßgebenden Teils der Urteilsbegründung die Aussage des Belastungszeugen als zur überführung nicht hinreichend bezeichnet wird, weil ihr die mehrfach wiederholten Verantwortungen des Angeklagten und seines nunmehr abgesondert verfolgten Komplizen gegenüberstehen, wird damit kein formaler Begründungsmangel aufgezeigt, sondern nur auf die Möglichkeit einer anderen, für den Angeklagten günstigeren Würdigung der Verfahrensergebnisse hingewiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus Anlaß dieses Rechtsmittels war von Amts wegen wahrzunehmen (§ 290 Abs 1 StPO), daß der Gerichtshof bezüglich der Urteilstat I rechtsirrig die Voraussetzungen des höheren Strafsatzes, demnach das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB angenommen und derart eine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 11 StPO verwirklicht hat: Die Zuordnung der dem Gendarmeriebeamten fälschlich angelasteten strafbaren Handlung - Abnötigung eines Geständnisses durch Gewaltanwendung - zum Mißbrauch der Amtsgewalt erweist sich nämlich als verfehlt. Verhaltensweisen eines Beamten, die sich nicht einmal äußerlich als Amtshandlungen (Amtsgeschäfte) darstellen, können keine, wenn auch mißbräuchliche, Ausübung hoheitlicher Befugnis verkörpern und darum auch keinen Mißbrauch der Amtsgewalt begründen (EvBl. 1982

Nr. 198 = JBl. 1982 S. 548 = LSK 1982/127). Darauf, ob das angeblich erzwungene Geständnis nach der Vorstellung des Beamten den Tatsachen entsprochen haben oder falsch gewesen sein sollte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (dazu einläßlich EvBl. 1982 Nr. 198 = JBl. 1982 S. 548).

Das vom Angeklagten dem Gendarmeriebeamten angedichtete Verhalten würde sohin keinesfalls den Tatbestand des (mit bis zu fünfjähriger Freiheitsstrafe bedrohten) Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB erfüllen, sondern jenen des mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedrohten Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB herstellen. Daß die Strafdrohung des § 105 Abs 1 StGB das für den höheren Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB vorausgesetzte Ausmaß von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe nicht aufweist, vermag auch die durch § 313 StGB eingeräumte Möglichkeit, das Höchstmaß der angedrohten Strafe bei der Verübung durch einen Beamten unter Ausnützung seiner Amtsstellung um die Hälfte zu überschreiten, nicht zu ändern. § 313 StGB stellt nämlich nur eine fakultativ anzuwendende Strafbemessungsvorschrift dar, die keine önderung der Strafsätze bewirkt (EvBl. 1978, Nr. 63, 1978 Nr. 136 u.a.). Der Vorwurf gegen einen Beamten, durch gemeine Nötigung (§ 105 Abs 1 StGB) ein Geständnis erzwungen zu haben, kann deshalb bloß nach dem ersten Strafsatz des § 297 Abs 1 StGB geahndet werden (siehe abermals LSK 1982/127 = JBl. 1982 S. 548 = EvBl. 1982

Nr. 198 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Es waren daher der Ausspruch eines Verbrechens der Verleumdung sowie der Strafausspruch aufzuheben, gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO der aufgehobene Verbrechensausspruch durch einen solchen wegen Vergehens nach § 297 Abs 1 StPO zu ersetzen und die Strafe hiefür sowie für die unberührt gebliebenen Urteilsfakten II und III neu zu bemessen. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen dreier strafbarer Handlungen verschiedener Art und die einschlägigen Vorstrafen wegen Gewaltdelikten, mildernd war hingegen nur das Geständnis zur Körperverletzung.

Da zwei der konkurrierenden Vergehen mit einer Strafe bis zu einem Jahr bedroht sind, war die Freiheitsstrafe mit acht Monaten im oberen Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens (ohne Untergrenze) auszumessen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Der Freispruch sowie die Aussprüche des Ersturteils gemäß § 38 StGB und gemäß § 389 StPO blieben unberührt.

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