OGH 13Os28/24b

OGH13Os28/24b22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Loibl LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * S* wegen des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB sowie im Verfahren zur strafrechtlichen Unterbringung des * S* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 31. Jänner 2024, GZ 11 Hv 8/23x‑35, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen einen zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0130OS00028.24B.0522.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Unter einem wurde die strafrechtliche Unterbringung des * S* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

[2] Nach den Feststellungen des Erstgerichts (US 4 f) hat er am 18. Oktober 2023 in G* mit Gewalt gegen Personen einem anderen fremde bewegliche Sachen, nämlich 500.000 Euro, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, indem er den Geldboten * K* kräftig an der Schulter packte, die Geldübergabe forderte und, nachdem er von diesem weggestoßen worden war, mit den Worten „Überfall! Geld her“ nach einem vom Geldboten * C* getragenen Geldkoffer griff, energisch daran zerrte und sich bemühte, diesen aus der Hand des Genannten zu entreißen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a, 9 lit a, 9 lit b und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) aus Verfahrensergebnissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[5] Mit dem Hinweis auf die – vom Erstgericht für unzuverlässig befundenen (US 8) – Angaben des Zeugen A* weckt die Tatsachenrüge beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

[6] Die Behauptung absolut untauglichen Versuchs (der Sache nach Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb die Verwirklichung eines Raubes nach § 142 Abs 1 StGB durch ein (von den Worten „Überfall, Geld her“ begleitetes) Zerren an einem – wie hier – vom Opfer getragenen Geldkoffer (US 5) bei generalisierender Betrachtung, also losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan, die Fahrer des Geldtransportwagens zu überfallen, sobald diese zum Fahrzeug zurückkehren würden (US 4), informierten verständigen Beobachters geradezu denkunmöglich gewesen sein sollte (RIS‑Justiz RS0115363 und RS0098852).

[7] Weshalb der Eintritt der unrechtmäßigen Bereicherung für die Verwirklichung des Tatbestands des Raubes (hier nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB) erforderlich sein sollte (vgl hingegen Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 44 sowie [zum Betrug] RIS‑Justiz RS0103999 [T1]) entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565).

[8] Gleiches gilt für den Einwand, räuberische Gewalt müsse in einer unmittelbaren Einwirkung auf den Körper des Opfers selbst bestehen (siehe hingegen RIS‑Justiz RS0094079 und RS0093941 [T4, T8, T15, T18 und T21] sowie Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 20) und zudem eine über die Erheblichkeitsschwelle hinausgehende Beeinträchtigung bewirken (vgl hingegen RIS‑Justiz RS0093906 [insb T6]). Der Hinweis auf eine Kommentarstelle (Eder‑Rieder in WK2 StGB § 142 Rz 26) ist unverständlich, weil die von der Beschwerde vertretene Rechtsansicht darin keine Deckung findet.

[9] Die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 StPO sind voneinander wesensmäßig verschieden und daher gesondert auszuführen, wobei unter Beibehaltung dieser klaren Trennung deutlich und bestimmt jene Punkte zu bezeichnen sind, durch die sich der Nichtigkeitswerber für beschwert erachtet (RIS‑Justiz RS0115902). Bezugspunkt der Sanktionsrüge (Z 11) ist nicht der Ausspruch nach Z 2, sondern ausschließlich jener nach Z 3 des § 260 Abs 1 StPO (RIS‑Justiz RS0132697).

[10] Mit dem Verweis auf das Vorbringen der Rechtsrüge wird die Sanktionsrüge (Z 11) den strafprozessualen Anforderungen somit nicht gerecht.

[11] Weder das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB noch jener des § 39 Abs 1a StGB (US 13) noch der Umstand des Vorliegens von vier Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten (US 3 f) bestimmen den anzuwendenden Strafsatz (§ 142 StGB). Entgegen der Sanktionsrüge verstößt demnach die aggravierende Wertung des letztgenannten Umstands bei der Strafbemessung (US 13) nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 erster Satz StGB (RIS‑Justiz RS0130193).

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[13] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[14] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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