OGH 13Os27/94(13Os28/94)

OGH13Os27/94(13Os28/94)20.4.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.April 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Jannach als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Andreas S***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 5.November 1993, GZ 2 d Vr 8255/93-44, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit diesem Urteil gefaßten Widerrufsbeschluß gemäß § 494 a StPO nach öffenlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten Andreas S*****, und des Verteidigers Dr.Doczekal zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas S***** (zu I 1) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, (zu I 2 a und b) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB, (zu II) des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 und 15 StGB, (zu III) des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und (zu IV) des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt.

Den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Raubes (I 1) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Insoweit liegt ihm zur Last, am 24.Mai 1993 in Wien Josefine W***** durch Versetzen eines Stoßes, sohin mit Gewalt eine Toilettetasche mit Wohnungs- und Gartenschlüssel sowie eine Geldbörse mit 1.450 S Bargeld weggenommen zu haben.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:

Dem Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge (Z 5) zuwider ist in der Urteilsannahme, wonach der Angeklagte der ihm entgegenkommenden Josefine W***** "auf ihrer Höhe gehend" von hinten einen Stoß versetzte (US 8) kein Widerspruch zu erkennen, ist doch auch bei einer entgegengesetzten Bewegungsrichtung von Täter und Tatopfer bei Erreichen gleicher Höhe die festgestellte Gewalteinwirkung möglich.

Soweit die Beschwerde einander ausschließende Tatsachenfeststellungen darin erblickt, daß das Schöffengericht einen Sturz der Josefine W***** verneinte, andererseits aber deren Sturz als Ursache für das Herausfallen der im Korb verwahrten Tasche feststellte, löst sie einzelne Urteilspassagen aus dem Sinnzusammenhang. Denn den bezüglichen Urteilsannahmen ist, in ihrer Gesamtheit gesehen, unmißverständlich zu entnehmen, daß das Tatopfer durch die Gewaltanwendung des Angeklagten "ins Taumeln geriet" und einen Sturz auf die Fahrbahn nur durch Festhalten am Straßengeländer vermeiden konnte (US 8). Mit der daran anschließenden Wendung, daß die Toilettetasche "durch den Sturz" aus dem Korb gefallen war, brachte das Erstgericht daher nur zum Ausdruck, daß das Herausfallen der Tasche aus dem Korb auf den durch den Stoß bewirkten (und damit der vom Gesetz geforderten Gewaltanwendung genügenden: SSt 51/50) Verlust des Gleichgewichtes des Tatopfers zurückzuführen war. Der behauptete Widerspruch haftet der Urteilsbegründung demnach nicht an.

Schließlich liegt auch eine Aktenwidrigkeit, die der Beschwerdeführer aus den Angaben der Zeugin W***** in der Hauptverhandlung über den Zeitpunkt der Sachwegnahme und der Gewaltanwendung abzuleiten sucht, nicht vor, stützten die Tatrichter doch die bekämpfte Feststellung ausdrücklich auf die Angaben W*****s vor der Polizei, wobei sie sich mit den abweichenden Depositionen dieser Zeugin in der Hauptverhandlung im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich auseinandersetzten (US 12, 13).

Aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die eine Beurteilung der Tat als bloß minderschweren Raub nach § 142 Abs 2 StGB anstrebt, geht fehl. Dieser Fall des Raubes setzt voraus, daß die ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangene Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog und daß es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt, wobei diese Voraussetzungen kumulativ gegeben sein müssen (EvBl 1978/215, JBl 1986, 468 ua).

Im vorliegenden Fall wurde die Tat zwar - worauf das Erstgericht zutreffend hinweist - ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen, weil die vom Angeklagten geübte Gewaltanwendung (Versetzen eines Stoßes ohne Verletzungsfolgen) noch nicht als Einsatz beachtlicher physischer Kraft in brutaler Weise anzusehen ist, demnach die hier maßgebliche Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht (Leukauf-Steininger Komm3 § 142 RN 28). Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung kann aber eine Raubbeute von 1.450 S Bargeld nebst anderen Sachen nach herrschender Judikatur des Obersten Gerichtshofes, von der abzugehen kein Anlaß besteht und wonach die Geringfügigkeitsgrenze bei (maximal) 1.000 S anzusetzen ist (EvBl 1989/112; EvBl 1991/33; 14 Os 87/90, 15 Os 52/91 ua), keineswegs als Sache geringen Wertes angesehen werden. Im übrigen verschweigt der Beschwerdeführer die durchaus bedeutenden (weiteren) Tatfolgen des Raubes (s.Leukauf-Steininger Komm3 § 142 RN 32 = NRsp 1990/215), nämlich die Entfremdung des Personalausweises, der Jahresnetzkarte und eines (vinkulierten) Sparbuches des Tatopfers (s.I 2 a). Die Beurteilung der vorliegenden Tat als Raub im Sinne des § 142 Abs 1 StGB erweist sich somit als rechtsrichtig.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Andreas S***** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 142 (zu ergänzen: Abs 1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten. Zudem wurde die bedingte Nachsicht der über ihn mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5.Februar 1993 zu 2 d EVr 12110/92 verhängten neunmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen, vom Widerruf einer weiteren, mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 25.Mai 1993 zu 10 EVr 431/92 gewährten bedingten Strafnachsicht jedoch abgesehen. Bei der Strafbemessung wurden die Vorstrafen, der rasche Rückfall und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, die teilweise Schadensgutmachung und das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren gewertet.

Die Widerrufsentscheidung begründete das Erstgericht mit dem raschen Rückfall in eine gleichartige Delinquenz.

Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Reduzierung des Strafmaßes anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes trägt die im unteren Bereich der aktuellen gesetzlichen Strafdrohung auf der Basis der vom Erstgericht richtig und vollständig erfaßten Strafzumessungsgründe ausgemessene Freiheitsstrafe den konkreten Straferfordernissen in angemessener Weise Rechnung. Insbesondere stellt die Suchtgiftergebenheit, zu deren Finanzierung der Angeklagte die ihm angelasteten Vermögensdelikte begangen hat, entgegen der Ansicht des Berufungswerbers keinen Milderungsgrund dar. Zu einer Herabsetzung der Strafe besteht daher kein Anlaß.

Der gegen den Widerruf erhobenen Beschwerde wiederum war ein Erfolg schon deshalb zu versagen, weil der Angeklagte bereits zweimal die ihm gewährte bedingte Strafnachsicht nicht zu nutzen verstand und somit spezialpräventive - bei einer opferbezogenen Betrachtungsweise der begangenen Raubtat aber auch generalpräventive - Überlegungen der Aufrechterhaltung der bedingten Nachsicht der wegen eines auf der gleichen schädlichen Neigung liegenden Deliktes verhängten Strafe dagegenstehen.

Es war somit wie im Spruch zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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