OGH 13Os23/16f

OGH13Os23/16f13.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. April 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jürgen M***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 24. November 2015, GZ 25 Hv 28/15g‑73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0130OS00023.16F.0413.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jürgen M***** ‑ soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung ‑ des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 27. April 2014 in S***** Pia S***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er sie an Armen und Beinen fesselte, mindestens zehn Minuten lang an einem Holzbalken fixierte und mehrere Gegenstände sowie seinen Penis in ihren After einführte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine zumindest vom April 2014 bis zum April 2015 und solcherart jedenfalls länger als 24 Tage anhaltende posttraumatische Belastungsstörung (US 7 iVm US 10), zur Folge hatte.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft bekämpfen dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sich Ersterer auf Z 4, Letztere auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO stützt. Beide Beschwerden gehen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Entgegen der Verfahrensrüge wies das Erstgericht den Antrag auf „ergänzende Vernehmung der Zeugin Pia S***** zum Beweis dafür, dass sie aus dem Vorfall vom 27. 4. 2014 keine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB davongetragen hat“ (ON 72 S 2), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten ab (ON 72 S 3). Eine Zeugenvernehmung hat nämlich nur Wahrnehmungen von Tatsachen zum Gegenstand, nicht aber Schlussfolgerungen oder Wertungen (RIS‑Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK‑StPO § 154 Rz 7f).

Sofern der Antrag dahin zu verstehen ist, dass aus der ergänzenden Befragung der Pia S***** ein Sachverhaltssubstrat resultieren könnte, welches geeignet wäre, die gutachterlichen Schlüsse der psychiatrisch-neurologischen Sachverständigen (ON 68 S 8‑15 iVm ON 65) in Zweifel zu setzen, ließ er nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung (RIS‑Justiz RS0118444).

Die angesprochenen „Postings“ fanden ohnedies Eingang in die Expertise der Sachverständigen (ON 68 S 9, 10 und 11), womit auch der Antrag auf diesbezügliche Gutachtensergänzung ins Leere ging.

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die Beschwerde wendet sich gegen die Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Qualifikationsnorm des § 201 Abs 2 vierter Fall StGB (US 7).

Warum die Aussage der Pia S***** oder die ‑ einen entsprechenden Vorsatz gerade leugnende ‑ Verantwortung des Angeklagten diesen Negativfeststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen soll (Z 5 zweiter Fall), lässt die Mängelrüge nicht erkennen.

Die Ableitung der angesprochenen Feststellungen aus den insoweit als glaubwürdig erachteten Depositionen des Angeklagten (US 8) entspricht den Gesetzen folgerichtigen Denkens ebenso wie grundlegenden Erfahrungssätzen und ist solcherart unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (14 Os 72/02, SSt 64/39; RIS‑Justiz RS0116732 und RS0118317).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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