OGH 13Os20/12h

OGH13Os20/12h10.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann F***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 8. September 2011, GZ 16 Hv 41/10y-46, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann F***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 13 Os 2/11k) mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er von 2001 bis 2006 in S***** mit (zu II: von) einer unmündigen Person, nämlich der am 20. Oktober 1993 geborenen Katharina Z*****,

(I) 1) im Jahr 2002 oder 2003 den Beischlaf unternommen;

2) im Jahr 2001 sowie im Jahr 2004 oder 2005 dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er einen Finger in ihre Scheide einführte;

(II) im Jahr 2004 oder 2005 eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen lassen, indem er ihre Hand nahm, diese zu seinem Glied führte und onanierende Bewegungen machte.

Rechtliche Beurteilung

Der aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b und 10 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zeigt nicht auf, weshalb die Überlegung, der Beschwerdeführer habe das Alter seines Opfers durch „die verwandtschaftliche und bekanntschaftliche Verbindung der Familien“ der beiden und „das dörfliche Milieu“ gekannt (US 8), gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstoßen sollte (RIS-Justiz RS0118317).

Ob der Beschwerdeführer mit erigiertem Penis in die Vagina des Opfers eingedrungen ist, wie dieses angab (vgl ON 7 S 17 und US 7), betrifft, da das festgestellte (äußerliche) Berühren der Geschlechtsteile (US 4) bereits tatbildlich iSd § 206 Abs 1 StGB ist (RIS-Justiz RS0115581 [T2], RS0095114), keine entscheidende Tatsache. Der aus dem gleichen Nichtigkeitsgrund (Z 5 vierter Fall) zum Schuldspruch I/1 unternommene Versuch, die Glaubwürdigkeit des Opfers mit Hinweis auf im Verfahren thematisierte Erektionsstörungen des Beschwerdeführers in Frage zu stellen, schlägt daher fehl (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432). Eine (im Wesentlichen mit derselben Argumentation versuchte) Bekämpfung der - vorliegend durch (vollständige) Vorführung der Bild- und Tonaufnahme über die kontradiktorische Vernehmung gewonnenen (ON 45 S 23) - Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Opfers mit Tatsachenrüge (Z 5a) kommt ebenso wenig in Betracht (RIS-Justiz RS0099649).

Die kritisierte (teils wörtliche) Übernahme von Passagen aus dem erstinstanzlichen Urteil des ersten Rechtsgangs beeinträchtigt die mängelfreie Darstellung (US 5 f) der diesbezüglichen Erwägungen des Erstgerichts nicht (RIS-Justiz RS0115236; 13 Os 135/00).

Die Abweichungen in den Aussagen des Tatopfers und des Zeugen Wilhelm Z***** zum Hergang der vom Schuldspruch I/1 erfassten Tat wurden von den Tatrichtern logisch und empirisch einwandfrei erörtert (US 6 f); der dagegen im Rahmen der Tatsachenrüge (Z 5a) der Sache nach erhobene Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) schlägt daher fehl. Gleiches gilt für die Kritik an den Erwägungen zur fehlenden Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers (US 5 f und 8).

Aus den Taten allenfalls resultierende Spät- und Dauerfolgen des Tatopfers betreffen - im Hinblick auf die jeweils nach den Grundtatbeständen (§ 206 Abs 1 und § 207 Abs 1 StGB) erfolgte Verurteilung - weder die Schuld- noch die Subsumtionsfrage. Feststellungen dazu (US 5) oder deren Begründung sind daher nicht Gegenstand einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde (RIS-Justiz RS0118585).

Mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz (§ 14 StPO) zeigt die weitere Tatsachenrüge (Z 5a) keine Nichtigkeit auf (RIS-Justiz RS0102162).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) behauptet Verjährung der vom Schuldspruch II erfassten Tat, ohne darzulegen, weshalb die von § 58 Abs 3 Z 3 StGB angeordnete Hemmung der Verjährungsfrist dem nicht entgegenstehen soll.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bekämpft den Schuldspruch I/2 ersichtlich mit dem Ziel einer Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB. Das Erstgericht stellt in diesem Zusammenhang fest, der Beschwerdeführer sei jedes Mal mit seinem Finger in die Vagina des Opfers so intensiv eingedrungen, dass dieses einen „stechenden Schmerz“ verspürte (US 3 ff und 10). Die Behauptung, zur Beurteilung, ob diese geschlechtlichen Handlungen dem Beischlaf gleichzusetzen sind, hätte es weiterer Konstatierungen dazu bedurft, „in wieweit, wie oft und wie lange es zur digitalen Vaginalpenetration zu den beiden Tatzeitpunkten gekommen ist“, wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet. Zwar darf eine Subsumtionsrüge statt einer derartigen Ableitung an einen Rechtssatz des Obersten Gerichtshofs (innerhalb der von Logik und Grammatik gezogenen Grenzen) anknüpfen (RIS-Justiz RS0116962). Indem der Beschwerdeführer sein Vorbringen lediglich auf einzelne ältere Judikate stützt, dabei jedoch konsequent die gefestigte jüngere Rechtsprechung, nach deren Maßstäben das vom Erstgericht konstatierte Verhalten jedenfalls den Tatbestand des § 206 Abs 1 StGB erfüllt (RIS-Justiz RS0095004 [insbesondere T6 und T7]), übergeht, verfehlt er allerdings die Anforderungen an eine gesetzmäßige Darstellung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.

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