Spruch:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. Oktober 2010, AZ 24 BE 220/10v, angeordneten bedingten Entlassung wird abgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dionisio M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz und Wien
(A) von 20. Dezember 2006 bis 27. September 2009 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest 12.642,50 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 20 % (mithin jedenfalls 2.528,50 Gramm Reinsubstanz), die er zuvor in Teilmengen von im Urteilstenor näher bezeichneten Personen erworben hatte, durch gewinnbringenden Verkauf anderen überlassen;
(B) am 16. Dezember 2009 bei seiner förmlichen Vernehmung als Zeuge im gegen Ana G***** de R***** geführten Strafverfahren, AZ 28 Hv 114/09p des Landesgerichts Linz, zur Sache falsch ausgesagt, indem er behauptete, der Name „L***** M*****“ sage ihm nichts, er habe von der Angeklagten kein Suchtgift erhalten, er habe auch bei niemandem in den Niederlanden Schulden und sein Kontakt zur Angeklagten habe nichts mit kriminellen Dingen zu tun.
Rechtliche Beurteilung
Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Staatsanwaltschaft auf Z 10, der Angeklagte auf Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO; nur ersterer kommt Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Die Beschwerdeführerin weist darauf hin, dass das Schöffengericht sämtliche für die Annahme der Begehung der vom Schuldspruch A erfassten Taten durch den Angeklagten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in objektiver und subjektiver Hinsicht erforderlichen Feststellungen getroffen hat, ohne sein Verhalten (auch) § 28a Abs 2 Z 2 SMG zu unterstellen, und macht damit zu Recht einen Subsumtionsfehler geltend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 610).
Nach den erstgerichtlichen Konstatierungen hatte sich nämlich eine aus Dionisio M*****, daneben sieben namentlich genannten und einer Vielzahl weiterer Personen bestehende Gruppe auf längere Zeit mit dem Ziel zusammengeschlossen, „große Mengen Kokain aus dem Ausland, insbesondere aus den Niederlanden, nach Österreich zu importieren und gewinnbringend zu veräußern“ (US 12). Nach den weiteren Feststellungen beging der Angeklagte die solcherart geplante - auch in der Einbettung in diese Organisationsstruktur detailliert geschilderte (US 7 ff) - strafbare Handlung als Mitglied dieser kriminellen Vereinigung, was ihm auch „bewusst“ gewesen sei (US 12), wobei das konstatierte Wissen auch die Willenskomponente des Vorsatzes einschließt (13 Os 100/09v).
Der Angeklagte hat keine Gegenausführung zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft überreicht. Ihm wurde vor dem Gerichtstag eine Frist für das deutliche und bestimmte Vorbringen von Einwänden gegen die in Rede stehenden Feststellungen im Sinn der Z 2 bis 5a des § 281 Abs 1 StPO eingeräumt (vgl zur Vorgangsweise: 13 Os 100/09v). Derartige Mängel oder erhebliche Bedenken wurden weder in der vom Angeklagten erstatteten Äußerung aufgezeigt noch haben sie sich aus der amtswegigen Prüfung durch den Obersten Gerichtshof ergeben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 415). In der Äußerung wird zusammengefasst bloß behauptet, die Feststellungen reichten für eine Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG nicht aus. Von den Kategorien der angeführten Nichtigkeitsgründe wird (nominell) bloß Aktenwidrigkeit angesprochen, allerdings nach Art einer unzulässigen Schuldberufung mit der Behauptung, Feststellungen zur über eine längere Zeit andauernden Delinquenz stünden im Widerspruch zum Akteninhalt. Daher war die Grundlage für die - im Spruch ersichtliche - abschließende rechtliche Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts gegeben (§ 288 Abs 2 Z 3 erster Satz StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Die Mängelrüge macht mit dem bloß pauschalen Einwand (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe „sich mit den leugnenden Angaben des Angeklagten nur scheinbar auseinandergesetzt“, nicht deutlich, welche Passagen der - ohnehin umfassend erörterten (US 14 ff) - Verantwortung des Beschwerdeführers welchen Feststellungen erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen.
Auf die Sanktionsrüge (Z 11) ist im Hinblick auf die Aufhebung des Strafausspruchs nicht einzugehen.
Zur Neubemessung der Strafe:
Bei der Neubemessung der Strafe waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, der lange Tatzeitraum, die wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten erlittenen Vorstrafen, das Vorliegen der Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG neben jener nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG und insbesondere das Überlassen einer die Grenze des § 28a Abs 4 Z 3 SMG mehrfach übersteigenden Suchtgiftmenge zu werten, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis und der Umstand, dass es zum (ganz geringen) Teil beim Versuch geblieben ist.
Die Begehung der falschen Beweisaussage (Schuldspruch B) nach Rechtskraft des Urteils des Landesgerichts Linz vom 24. November 2009, GZ 23 Hv 157/09z-82, das im Übrigen auch einen Schuldspruch wegen des (auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden) Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB enthält, steht einer Bedachtnahme auf dieses Urteil gemäß § 31 StGB entgegen (aM Juhász, Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB auch in „Hybridfällen“?, RZ 2010, 277, deren Lösungsansatz jedoch zu unscharfen, weil von Strafzumessungserwägungen abhängigen Strafrahmen führt). Wenngleich die nunmehr nach dem Suchtmittelgesetz abzuurteilenden Taten (Schuldspruch A) zur Gänze vor jenem Urteil gesetzt wurden wirkt sich dies nicht zu Gunsten des Angeklagten aus, weil die jetzt gegenständlichen Suchtgiftmengen jene, auf die sich dieser frühere Schuldspruch bezog, um ein Vielfaches übersteigen (Ratz in WK2 § 31 Rz 22).
Davon ausgehend entspricht eine Freiheitsstrafe von acht Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.
Die Anrechnung der nach Fällung des Urteils erster Instanz erlittenen Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Zu den übrigen Entscheidungen:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO.
Das Erstgericht hat den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. Oktober 2010, AZ 24 BE 220/10v, gewährten bedingten Entlassung (aus der mit Urteil des Landesgerichts Linz vom 24. November 2009, GZ 23 Hv 157/09z-82, verhängten Freiheitsstrafe) „zurückgewiesen“, weil kein Fall der Begehung einer strafbaren Handlung während der Probezeit vorliege (US 32).
Dieser mit dem Fehlen der Voraussetzungen des § 494a Abs 1 StPO begründete, von der Rechtskraft des Urteils abhängige Beschluss war zugleich mit dem Strafausspruch aufzuheben (RIS-Justiz RS0101886). Aus den vom Erstgericht zutreffend dargestellten Gründen war der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen. Darauf war diese mit ihrer Beschwerde zu verweisen.
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