OGH 13Os171/03

OGH13Os171/0314.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2004 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Loewe als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther A***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther A***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 12. August 2003, GZ 10 Hv 11/03g-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther A***** der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB (I.) der öffentlichen unzüchtigen Handlung nach § 218 StGB (II.), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (III.) und des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (IV.) schuldig erkannt.

Danach hat er

I. eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, und zwar

1. dadurch, dass er im fahrenden Pkw masturbierte

a) von 1996 bis August 2002 in Salzburg und andernorts in einer Vielzahl von Fällen vor nicht mehr feststellbaren Unmündigen,

b) im Juli 2002 in Lochen vor der am 29. November 1998 geborenen Verena M*****,

c) am 2. September 2002 in Salzburg vor der am 8. Februar 1989 geborenen Jaqueline S***** und der am 9. September 1988 geborenen Parnas D*****,

2. von 2001 bis 2002 in Friedburg in mehrfachen Angriffen dadurch, dass er vor der am 10. Mai 1992 geborenen Lisa-Marie L***** seinen Penis entblößte;

II. von 1996 bis 2. September 2002 im Stadtgebiet Salzburg durch die unter I. 1. a) und c) geschilderten Taten öffentlich und unter Umständen, die geeignet sind, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, unzüchtige Handlungen vorgenommen;

III. außer den Fällen des § 201 StGB eine Person mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar dadurch, dass er zwischen Jänner und März 2002 Lisa-Marie L***** in eine Ecke drängte und mit seinen Fingern an ihrer Scheide hin- und herfuhr;

IV. durch die unter III. geschilderte Tat außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person, nämlich der am 10. Mai 1992 geborenen Lisa-Marie L*****, vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berichtigung zukommt.

In der Mängelrüge (Z 4) behauptet der Beschwerdeführer eine fehlende Entscheidung über seinen Antrag auf Ladung der Zeugin Lisa-Marie L*****. Selbst wenn man das Vorbringen des Verteidigers in der Hauptverhandlung, wonach die unterbliebene Ladung dieser Zeugin einen Nichtigkeitsgrund darstelle (S 49/II), als damit konkludent zum Ausdruck gebrachten Antrag auf deren Vorladung deuten sollte, wäre damit für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen. Da nämlich die Bild- und Tonaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung der unmündigen Zeugin im Vorverfahren gemäß § 252 Abs 1 Z 2a StPO in der Hauptverhandlung vorgeführt wurde (S 44/II), wobei der Verteidiger auf die zusätzliche (tatsächliche) Verlesung des darüber aufgenommenen "Beweistagsatzungs"-Protokolls verzichtete (S 49/II), hätte es zu der solcherart gebotenen Antragsbegründung eines Vorbringens von konkreten Beweisthmemen bedurft, zu der Lisa-Marie L***** in der Hauptverhandlung befragt werden sollte. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf in der technischen Aufzeichnung über die Vernehmung dieser Zeugin vorkommende (im Protokoll nicht aufscheinende) divergierende Angaben der Unmündigen die Ernstlichkeit ihrer Entschlagungsklärung und damit (inhaltlich den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 3 StPO geltend machend) die Beurteilungsgrundlage für die Verlesung der kontradiktorischen Aussage nach § 252 Abs 1 Z 2a StPO in tatsächlicher Hinsicht (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 40 ff) in Zweifel zieht, übergeht sie, dass im Resümeeprotokoll über diese Vernehmung abschließend (und damit ungeachtet vorangehender, anders lautender Bekundungen für den weiteren Prozessverlauf entscheidend) die Weigerung der Unmündigen festgehalten ist, bei einer Hauptverhandlung aussagen zu wollen (S 198/I), sodass der Vorsitzende formal einwandfrei vom Vorliegen der Verlesungsvoraussetzungen nach der genannten Gesetzesstelle ausgehen konnte.

Insoweit bedurfte es auch keines weiteren Eingehens auf den in der Mängelrüge (Z 5) behaupteten Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz infolge eines nach Ansicht des Rechtsmittelwerbers nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO beachtlichen (vgl aber Ratz in WK-StPO § 281 Rz 65 ff) Verwertungsverbots betreffend diese Zeugenangaben.

Der Einwand, das Erstgericht hätte angesichts dieser nach den Behauptungen des Beschwerdeführers widersprüchlichen Äußerungen der unmündigen Zeugin während der kontradiktorischen Vernehmung an der Schlüssigkeit der Entschlagungserklärung zweifeln und daher ihre neuerliche Ladung zur Hauptverhandlung anordnen müssen (inhaltlich Z 3 iVm Z 5a), legt nicht dar, weshalb der durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte an einer entsprechenden Antragstellung gehindert worden sei (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 50, 480). Die weiters bemängelte Abweisung des unter Bezugnahme auf ein Privatgutachten gestellten Antrags auf Einholung eines weiteren psychologischen Gutachtens zur Aussagefähigkeit und Aussageehrlichkeit der Zeugin Lisa-Marie L***** erfolgte zu Recht, weil die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. R***** die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Gutachtensmängel in ihren mündlichen Ausführungen mit entsprechenden Klarstellungen und Ergänzungen umfangreich erörterte (S 51-57/II) und der Beschwerdeführer trotz der seinem Begehren entsprechenden Vervollständigung des gerichtlichen Gutachtens keine neuen Anträge stellte, insbesondere es aber verabsäumte, einen der in §§ 125 f StPO angeführten Mängel betreffend ergänztem Befund oder Gutachten aufzuzeigen (vgl 15 Os 43/03; 11 Os 116/02; 14 Os 73/01). Auf die erst in der Beschwerde vorgebrachten Bedenken gegen die Ausführungen der Sachverständigen war hingegen nicht weiter einzugehen, weil sich die Prüfung der Antragsberechtigung auf das Vorbringen im (vor der Gutachtensergänzung gestellten) Antrag zu beschränken hat (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 325).

Soweit der Beschwerdeführer inhaltlich abermals in Form einer Aufklärungsrüge (Z 5a) moniert, dass das Erstgericht auch im Hinblick auf diese ergänzenden Ausführungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen verpflichtet gewesen wäre, ein weiteres Gutachten einzuholen, lässt er abermals die gebotene Konkretisierung seines Begehrens vermissen, weshalb es ihm unmöglich gewesen wäre, im Anschluss an die Vervollständigung der Expertise der Sachverständigen entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen. Die in der Rechtsrüge (inhaltlich Z 5) vorgebrachte fehlende Begründung für die Unmündigkeit der vom Schuldspruch I. erfassten Tatopfer und für die unmittelbare Wahrnehmbarkeit der unter Schuldspruch II. inkriminierten exhibitionistischen Handlungen übergeht die den Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechenden Erwägungen der Tatrichter zur geständigen Verantwortung des Beschwerdeführers und dessen gezielte Auswahl der Tatorte (US 7 iVm US 5 f und US 14).

In der Tatsachenrüge (Z 5a) versucht der Beschwerdeführer lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts zu bekämpfen und dessen Erwägungen zu den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismitteln in einer für ihn günstigeren Art zu interpretieren. Damit vermag er keine sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Die sowohl in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) als auch unter Z 5 vorgebrachten Mängel an Feststellungen zur Öffentlichkeit iSd § 218 StGB lassen prozessordnungswidrig die im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dargestellten Urteilsannahmen außer Acht, wonach der Angeklagte vorwiegend im Stadtgebiet von Salzburg beim Vorbeifahren an Schulen und Benutzen öffentlicher Straßen vor noch nicht 14 Jahre alten Mädchen (US 5 f) masturbierte, wobei eine unmittelbare und gleichzeitige Wahrnehmbarkeit durch mindestens zehn Personen bestand (US 14).

Des weiteren verabsäumt es die auf Z 9 lit a gestützte Beschwerde aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb der genaue Tatort, die exakte Tatzeit und die konkrete Identität der Tatopfer bei den Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 StGB und der öffentlichen unzüchtigen Handlung nach § 218 StGB tatbestandserheblich sein sollten.

Die fehlende Feststellungen zur Verjährung aller vor dem Jahr 2000 liegender und im Schuldspruch I. 1. a) inkriminierter Taten behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit b) legt wiederum nicht dar, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse die nach den Urteilsannahmen zwischen 1996 und August 2002 durchgehend verübten exhibitionistischen Handlungen während eines der Ablaufhemmung des § 58 Abs 2 StGB entgegenstehenden Zeitraumes unterbrochen gewesen sein sollten. Mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung der materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgründe und infolge fehlenden Festhaltens am gesamten Urteilsinhalt werden daher die in der Rechtsrüge vorgebrachten Einwände nicht prozessordnungsgemäß dargestellt.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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