OGH 13Os16/06m

OGH13Os16/06m22.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll, Mag. Hetlinger und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gödl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nikola N***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall und 15 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 20. Jänner 2005, GZ 13 Hv 131/04h-95, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Aicher, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten Nikola N***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 20. Jänner 2005, GZ 13 Hv 131/04h-95, mit dem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO ausgesprochen wurde, dass aus Anlass der gleichzeitig erfolgten Verurteilung des Nikola N***** vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ 061 Hv 102/03w des Landesgerichtes für Strafsachen Wien abgesehen, jedoch nach § 494a Abs 6 StPO die dort bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert wird, verletzt in Bezug auf die Verlängerung der Probezeit das Gesetz im § 55 Abs 1 StGB.

Der Ausspruch auf Probezeitverlängerung wird ersatzlos aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. Oktober 2003, GZ 061 Hv 102/03w-27, wurde Nikola N***** rechtskräftig der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB sowie des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und zu einer 12-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, von der gemäß „§ 43 Abs 1" (richtig: § 43a Abs 3) StGB ein Teil im Ausmaß von neun Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 20. Jänner 2005, GZ 13 Hv 131/04h-95, verhängte das Landesgericht St. Pölten als Schöffengericht hiezu wegen des im Zeitraum vom 25. Juli 2003 bis 14. August 2003 begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB eine Zusatzfreiheitsstrafe von einem Jahr. Mit zugleich gefasstem Beschluss wurde nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO „gemäß § 53 Abs 3 StGB" vom Widerruf der zu AZ 061 Hv 102/03w des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten (teil-)bedingten Strafnachsicht abgesehen und die dort bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Rechtliche Beurteilung

Die Probezeitverlängerung findet - wie vom Generalprokurator in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufgezeigt - im Gesetz keine Deckung. Werden mehrere Straftaten eines Rechtsbrechers, die nach der Zeit ihrer Begehung Gegenstand eines Urteils hätten sein können, in verschiedenen, im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Erkenntnissen abgeurteilt, so ist anlässlich der zeitlich nachfolgenden Verurteilung (nur) zu prüfen, ob eine im zeitlich vorangegangenen Verfahren ausgesprochene bedingte Strafnachsicht auch bei gemeinsamer Aburteilung gewährt worden wäre. Wird dies verneint, so ist die bedingte Strafnachsicht gemäß der diese Fallgestaltung abschließend regelnden Bestimmung des § 55 Abs 1 StGB zu widerrufen. Andernfalls bleibt die im vorangegangenen Urteil gewährte Strafnachsicht mit der dort bestimmten Probezeit unter der Maßgabe des § 55 Abs 3 StGB unberührt. Eine Verlängerung der Probezeit ist - weil gesetzlich nicht vorgesehen - unzulässig (Fabrizy StGB8 § 55 Rz 5; RIS-Justiz RS0090596).

Dass dieser Beschluss vom (über die neu hervorgekommene, vor Beginn der Probezeit begangene Tat) erkennenden Gericht unter Berufung auf § 494a Abs 1 Z 2 StPO und nicht vom gemäß § 495 StPO dafür zuständigen Gericht gefasst wurde (vgl Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 7; ders in WK2

§ 55 Rz 5; St. Seiler Strafprozessrecht8 Rz 716; RIS-Justiz RS0111521; aA Bertel/Venier, Strafprozessrecht8 Rz 855; Fabrizy StPO9

§ 495 Rz 1; 15 Os 46/90, EvBl 1990/166, 789), dessen Urteil die bedingte Nachsicht enthält, blieb vom Generalprokurator unangefochten und muss daher auf sich beruhen.

Die rechtswidrige Probezeitverlängerung gereicht dem Verurteilten zum Nachteil. Der Ausspruch auf Probezeitverlängerung im Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten war daher ersatzlos aufzuheben (§ 292 letzter Satz StPO).

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