OGH 13Os159/94

OGH13Os159/9416.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Dr.Mayrhofer und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kahofer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ali Veysel K***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1, 201 Abs 2 und 15 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 26.Juli 1994, GZ 17 Vr 349/94-35, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Zehetner, und des Verteidigers Mag.Bertsch jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen (auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Ali Veysel K***** der Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1; 201 Abs 2 und 15 StGB (I.) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II.) sowie des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (III.) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 20.März 1994 in Dornbirn Michaela F***** durch die Drohung, er werde sie umbringen, falls sie nicht mit ihm schlafe, wobei er eine Pistole gegen sie richtete (I.A) sowie im Sommer 1993 in Lustenau Claudia V***** durch Gewalt, indem er sie festhielt, und die Drohung, er werde sie umbringen, wenn sie abhaue bzw er werde ihr nachgehen und sie erschießen, zur Duldung des Beischlafes genötigt (I. B 1.) und dies am 4.März 1994 in Hohenems bei Carmen E***** mit Gewalt, indem er sie festhielt und würgte, versucht (I. B 2.).

Ferner wurde ihm angelastet, am 20.März 1994 in Dornbirn Hasan S***** dadurch, daß er eine Pistole gegen ihn richtete, also durch Drohung mit dem Tod, zum Wenden seines Fahrzeuges und Einbiegen in einen Feldweg sowie zum Aussteigen aus dem Auto genötigt (II.) und am 21. März 1994 ein Fenster der Arrestzelle der Stadtpolizei durch Einschlagen mit den Fäusten beschädigt zu haben (III.).

Die gegen dieses Urteil aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a und b StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Die Mängelrüge (Z 5) moniert zu den Urteilsfakten I. A und II., das Schöffengericht habe die Verwendung einer Waffe angenommen, obwohl die Zeugen Michaela F***** und Hasan S***** diese nicht hätten beschreiben können und eine solche auch nicht sichergestellt worden sei. Sie geht am Akteninhalt vorbei, weil beide Zeugen bereits in ihren Aussagen vor der Gendarmerie das verwendete Tatwerkzeug als Pistole bezeichneten (AS 21 und 33 ff), die sie in der Hauptverhandlung entgegen der diesbezüglichen Beschwerdebehauptung auch nach Größe und Aussehen näher beschrieben (AS 325, 327; 337, 343). Einer genauen Feststellung nach Art und Type der Waffe bedurfte es unter diesen Umständen nicht mehr. Daß sie nicht sichergestellt werden konnte, ändert daran nichts, weil sich das Schöffengericht (beweiswürdigend) bereits auf die angeführten Zeugenaussagen stützen konnte (US 15).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und b) richtet sich gegen den Schuldspruch

I. B 2. Der Einwand, die Konstatierung, der Angeklagte habe den Willen gehabt, mit Carmen E***** erst im Wald einen Geschlechtsverkehr durchzuführen, reiche zur Annahme des Tatversuches nicht hin, er hätte das Opfer jedenfalls erst entkleiden müssen, übergeht die Urteilsfeststellung, daß der Täterwille bei Festhalten des Opfers darauf gerichtet war, es durch den Einsatz physischer Gewalt am Weglaufen zu hindern und damit den an Ort und Stelle oder unmittelbar darauf im angrenzenden Wald beabsichtigten Geschlechtsverkehr noch zu ermöglichen sowie den dagegen gerichteten begonnenen Widerstand zu überwinden (US 9, 10).

Die (minderschwere) Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB besteht im Nötigen zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes (oder einer dieser gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) mit Gewalt, durch Entziehen der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Der Einsatz eines Nötigungsmittels ist (liegt entsprechender Vorsatz vor) bereits begonnene Tatausführung und damit jedenfalls deren Versuch (Leukauf-Steininger Komm3 § 201 RN 24). Von der Nötigung bis zur Vollendung der Tat durch Unternehmen des Beischlafs (oder der diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) folgende Etappen der Deliktsverwirklichung, wie Entkleiden des Opfers, Ablegen der eigenen Kleidung und ähnliches, sind weitere, der Deliktsvollendung unmittelbar vorangehende Handlungen. Mit den vom Vorsatz auf Nötigung zur Duldung des Beischlafes durch Carmen E***** getragenen Gewalthandlungen durch Festhalten und Würgen des Opfers hat der Angeklagte nach Überwindung der entscheidenden Hemmschwelle die Tatausführung bereits begonnen, sodaß ihm zu Recht der Versuch des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 angelastet wurde.

Inwieweit (strafaufhebender) Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) vorliegen sollte, hat der Rechtsmittelwerber nicht dargetan. Ein solcher scheitert aber bereits am Mangel der Freiwilligkeit des Rücktrittes, weil es nach den dazu getroffenen Feststellungen dem Opfer erst auf Grund der durch das Hinzukommen einer unbeteiligten Person bewirkten Ablenkung des Angeklagten gelang, sich aus dessen Gewalt zu befreien.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten (unter Anrechnung der Vorhaft) nach § 201 Abs 1 StGB in Anwendung des § 28 StGB gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 9.Mai 1994, 17 Vr 8/94, zu viereinhalb Jahren zusätzlicher Freiheitsstrafe (sowie zur Bezahlung von Schadenersatzbeträgen an Privatbeteiligte). Erschwerend wertete es dabei drei einschlägige Vorstrafen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit mehreren Vergehen (auch unter Berücksichtigung des Vorurteils), die Mehrzahl der Vergewaltigungen sowie den Umstand, daß eine der Taten zweifach qualifiziert war. Im Rahmen der (allgemeinen) Strafzumessungserwägungen berücksichtigte es auch die mangelnde Schuldeinsicht des Angeklagten zu sämtlichen Vergewaltigungsfakten wegen der darin zum Ausdruck kommenden ablehnenden Einstellung zur psychischen und physischen sowie insbesondere sexuellen Integrität anderer Personen, seine Bereitschaft zum Gewalteinsatz sowie die derzeit noch nicht absehbaren Folgen für die sexuelle Entwicklung von zwei zum Tatzeitpunkt noch jugendlichen Opfern im Hinblick auf die massive Nötigung durch Vorhalt einer Waffe. Mildernd wurde das Geständnis zur Sachbeschädigung sowie der Umstand, daß eine Tat beim Versuch geblieben war, gewertet. In diesem Rahmen wurde auch die dem Angeklagten durch den psychiatrischen Sachverständigen attestierte eingeschränkte Dispositionsfähigkeit bei sämtlichen Taten durch leichte Berauschung und seine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung (frustrationsintolerante Charakterstruktur mit Neigung zu soziopathischem Verhalten) berücksichtigt.

Zur gegen den Strafausspruch erhobenen Berufung wurde im Rahmen des Gerichtstages ausgeführt, daß die verhängte Freiheitsstrafe im Hinblick auf die persönlichen (psychischen) und familiären Verhältnisse des Angeklagten weit überhöht sei und das Erstgericht die Milderungsgründe zu wenig beachtet habe, weswegen Strafherabsetzung beantragt werde.

Auch die Berufung des Angeklagten versagt.

Das Erstgericht hat sich mit der psychischen Situation des Angeklagten ausführlich auseinandergesetzt und diese im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungserwägungen ausreichend beachtet (US 26). Auch die vorhandenen Milderungsgründe wurden ihrem Gewicht nach richtig gewertet. Besondere familiäre Umstände, die auf die Strafzumessung Einfluß üben könnten, liegen nicht vor. Im Hinblick auf die Mehrzahl besonders brutaler sexueller Angriffe gegen zum Teil noch jugendliche Opfer, das durch Gewaltdelikte gekennzeichnete Vorleben des Angeklagten und den raschen Rückfall in (sexuelle) Gewaltdelinquenz (Bezirksgericht Bezau vom 25.März 1993 zu U 48/93, erstes Vergewaltigungsverbrechen im Sommer 1993 zu I.B.1.) ist die vom Erstgericht in der Hälfte des gesetzlichen Rahmens ausgemessene Strafe keinesfalls überhöht.

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten Gesetzesstelle.

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