OGH 13Os143/07i

OGH13Os143/07i16.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Jänner 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erich D***** wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. September 2007, GZ 21 Hv 137/07d-36, sowie über seine Beschwerde (§ 498 Abs 3 StPO) gegen die gleichzeitig mit dem Urteil gefassten Beschlüsse auf Widerruf bedingter Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und die zugleich ergangenen Beschlüsse auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht und Verlängerung einer Probezeit aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Erich D***** des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 10. Februar 2007 in Wien Christine J***** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie von hinten an den Haaren packte, festhielt und an ihrer Handtasche, welche zumindest 10 bis 12 Euro, ein Mobiltelefon und eine optische Brille enthielt, zerrte (vgl US 3), fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 3, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt schon aus dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer weist nämlich aus Z 3 zutreffend auf eine Missachtung des ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit d MRK sichernden Verbots hin, ohne Vorliegen einer der in § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 StPO geregelten Ausnahmen amtliche Schriftstücke, welche - wie hier in Form eines während der Urteilsberatung (und vor Wiedereröffnung der Verhandlung) erstellten Amtsvermerks (ON 24) - mit dem Ziel errichtet wurden, Aussagen von Zeugen (hier: einer Grazer Apothekerin, deren Angaben zufolge der Angeklagte bereits am Tag vor der ihm vorgeworfenen Tat die Medikamente für eine Substitutionsbehandlung der drei folgenden Tage abgeholt habe) festzuhalten, zu verlesen oder vorzuführen (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 34).

Aus der für die Beurteilung der Möglichkeit eines nachteiligen Einflusses der Formverletzung auf die Entscheidung relevanten Sicht des Obersten Gerichtshofs (§ 281 Abs 3 StPO; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 740) ist eine solche ohne weiteres erkennbar, hat der Angeklagte die Begehung des Raubes doch just mit dem - von seiner Lebensgefährtin als Zeugin bestätigten - Hinweis in Abrede gestellt, zur Tatzeit in Graz gewesen zu sein und dort auch die von der im Amtsvermerk erwähnten Apothekerin angesprochenen Medikamente bezogen zu haben (S 289).

Dazu kommt die bereits für sich alleine für die Relevanz der Formverletzung ausreichende Tatsache, dass sich die Tatrichter zur Widerlegung des vom Angeklagten angebotenen Alibis (auch) auf die im Amtsvermerk wiedergegebenen Angaben der Zeugin gestützt haben (US 4 f; vgl 13 Os 153/03, SSt 2004, 12 = EvBl 2004/142, 649 = JBl 2004, 594 [Burgstaller]).

Aufgrund des Gesagten zeigt sich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (§§ 285e erster Satz, 288 Abs 2 Z 1 StPO). Berufung und Beschwerde sind damit gegenstandslos.

Im nachfolgenden Rechtsgang werden im Fall der Annahme einer Tatbegehung durch den Angeklagten Feststellungen zu treffen sein, welche eine klare rechtliche Differenzierung zwischen Raub und minderschwerem Raub nach § 142 Abs 2 StGB ermöglichen. Dabei werden der Inhalt der Handtasche des Tatopfers und die Vorstellung des Täters wertmäßig ebenso darzulegen sein wie die konkret angewendete Gewalt und deren Folgen beim Opfer (vgl S 287).

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