OGH 13Os143/04

OGH13Os143/0412.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Jänner 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer in der Strafsache gegen Moussa C***** wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19. August 2004, GZ 12 Hv 139/04s-17, nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, sowie in Anwesenheit des Angeklagten Moussa C***** und seines Verteidigers Dr. Benning zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und es werden

1. das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung, sowie

2. der zugleich verkündete Beschluss (§ 55 StGB) aufgehoben und insoweit erkannt:

Moussa C***** wird für die Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG nach § 28 Abs 3 erster Satz SMG unter Anwendung des § 28 StGB und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf die Urteile des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Oktober 2003, AZ 3 U 412/03s, und des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. März 2004, AZ 12 Hv 10/04w, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von elf Monaten verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Die Entscheidung über den Antrag auf Widerruf der dem Moussa C***** mit Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Oktober 2003, AZ 3 U 412/03s, gewährten bedingten Strafnachsicht obliegt dem Bezirksgericht Graz.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Moussa C***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG schuldig erkannt und unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 und 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. März 2004, AZ 12 Hv 10/04w, zu einer zwölfmonatigen Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Mit zugleich gefasstem Beschluss wurde auf Widerruf der Moussa C***** im Verfahren zum AZ 3 U 412/03s des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht erkannt.

Dem Schuldspruch zufolge hat Moussa C***** in Graz den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, indem er

1. im Zeitraum von Mai bis Ende August/Anfang September 2003 insgesamt zumindest 70 Gramm Heroin an Michael P***** und

2. im Zeitraum von Mai bis September 2003 insgesamt zumindest 70 Gramm Heroin und 5 Gramm Kokain an Mario H*****

gewinnbringend verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Strafausspruch aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO zu Gunsten des Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist berechtigt.

Die Beschwerdeführerin macht zutreffend geltend, dass sowohl das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz vom 3. Oktober 2003, GZ 3 U 412/03s-4 (mit dem der Angeklagte wegen einer am 30. August 2003 begangenen Tat zu einer einmonatigen, für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde), als auch jenes des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. März 2004, GZ 12 Hv 10/04w-34 (mit dem der Angeklagte wegen zwischen Ende November 2002 und 8. September 2003 begangener Straftaten verurteilt wurde), durch das im § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis mit dem gegenständlichen Urteil verknüpft sind, weil mit diesem der Angeklagte wegen einer anderen Tat verurteilt wurde, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im ersten Verfahren hätte abgeurteilt werden können.

Dazu ist zu erwägen: Liegen zwischen Tatbegehung und Aburteilung mehrere Strafurteile, dann ist auf alle diese Urteile Bedacht zu nehmen, wenn - wie hier - sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen, somit alle Vor-Urteile durch das im § 31 Abs 1 StGB beschriebene Verhältnis verbunden sind (EvBl 2000/55, Ratz in WK² § 31 Rz 5). Dies hat das Erstgericht (trotz des aus der Begründung des Widerrufsbeschlusses nach § 55 StGB ersichtlichen Erkennens) unterlassen.

Es war daher - in Übereinstimmung mit der Meinung der Generalprokuratur - das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft im Strafausspruch aufzuheben, mit Strafneubemessung vorzugehen und die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung hierauf zu verweisen.

Bei der Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und das weitere Zusammentreffen mit (aus den Vorurteilen enthaltenen) Vergehen; mildernd war das jeweils reumütige Geständnis und die (seinerzeitige) Unbescholtenheit. Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungsgründe ist die Verhängung einer elfmonatigen Zusatzfreiheitsstrafe der Täterschuld und dem sozialen Störwert der Straftaten angemessen. Zufolge Aufhebung des Strafausspruchs war auch mangels Grundlage der Widerrufsbeschluss aufzuheben, der damit begründet worden war, dass bei gemeinsamer Aburteilung mit der nachträglichen (= der gegenständlichen) Verurteilung die bedingte Strafnachsicht nicht gewährt worden wäre (§ 55 Abs 1 StGB).

Gemäß der Bestimmung des § 495 Abs 2 StPO obliegt - nach nunmehr gefestigter Judikatur die Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung (§ 55 StGB) jenem Gericht, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält, und zwar unter Gerichten gleicher Ordnung jenem, dessen Urteil zuletzt rechtskräftig wurde bzw unter Gerichten verschiedener Ordnung jenem höherer Ordnung, dessen Urteil

zuletzt rechtskräftig wurde (14 Os 184/98 = EvBl 1999/111 = RZ

1999/57 = JBl 2000, 130; Jerabek in WK² § 55 Rz 5). Weil vorliegend

jedoch nur das Urteil des (seinerzeitigen) Bezirksgerichtes für Strafsachen Graz eine bedingte Strafnachsicht enthält, obliegt (nunmehr) dem Bezirksgericht Graz (s BGBl I 60/2004), über den Widerrufsantrag zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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