Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Oktober 2007, GZ 23 Hv 126/06w-398, verletzt im Ausspruch über den dem Angeklagten Matvei Hu***** auferlegten Wertersatz § 19 Abs 5 FinStrG.
Das Urteil wird in diesem Umfang aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Matvei Hu***** wird gemäß § 19 Abs 1 lit a, Abs 3, 4, 5 und 6 iVm §§ 17 Abs 2 lit a, 35 Abs 4, 38 Abs 1 letzter SatzFinStrG ein Wertersatz von 50.000 Euro auferlegt. Gemäß § 20 Abs 2 FinStrG wird für den Fall der Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe mit zwei Wochen festgesetzt.
Der Wertersatz wird gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen.
Text
Gründe:
Matvei Hu***** wurde (im zweiten Rechtsgang) mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Oktober 2007, GZ 23 Hv 126/06w-398, im hier maßgeblichen Zusammenhang (richtig:) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben nach §§ 11 dritter Fall, 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a, 13 FinStrG schuldig erkannt (Punkte 2/a und b des Schuldspruchs).
Danach hat er (in der durch Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Juli 2009, GZ 23 Hv 126/06w-441, berichtigten Fassung) nach dem 13. Jänner bis Dezember 1999 gewerbsmäßig durch Vermittlung von Ausfuhrgeschäften und Übermittlung von Zollpapieren in Bezug auf zumindest 216.106 kg Rindskopffleisch und dafür zu Unrecht ausbezahlte Ausfuhrerstattungen von 110.213,94 Euro (zu a) sowie (weitere) zumindest 539.434 kg Rindskopffleisch und dafür beantragte Ausfuhrerstattungen von 275.111,58 Euro (zu b) dazu beigetragen, dass Karl Othmar H***** und Karl Peter H***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken vorsätzlich unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht Abgabenhinterziehungen
a/ bewirkt haben, und zwar nach dem 13. Jänner 1999 durch Export von 1.041.365 kg Rindskopffleisch und 154.756 kg Schweinekopffleisch nach Russland, wofür ihnen zu Unrecht Ausfuhrerstattungen von insgesamt 641.783,90 Euro ausbezahlt wurden;
b/ zu bewirken versucht haben, nämlich nach dem 13. Jänner 1999 durch Export von 1.527.768 kg Rindskopffleisch nach Russland und Beantragung von Ausfuhrerstattungen von insgesamt 779.169,27 Euro.
Er wurde hiefür unter anderem „gemäß §§ 17, 19 FinStrG zu einem Wertersatz in der Höhe von 100.000 EUR, im Uneinbringlichkeitsfall ein Monat Ersatzfreiheitsstrafe“ verurteilt; der Wertersatz wurde unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehen (ON 398 S 15 ff).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Matvei Hu***** wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 14. Jänner 2010, AZ 13 Os 187/08m, 13 Os 155/09g (ON 450), ebenso zurückgewiesen wie seine Berufung gegen den Strafausspruch (mangels rechtzeitiger Anmeldung) vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 24. März 2010, AZ 7 Bs 52/10w (ON 456).
Rechtliche Beurteilung
Der Ausspruch über den Matvei Hu***** auferlegten Wertersatz ohne Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl ON 398 S 93) verletzt - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - die Bestimmung des § 19 Abs 5 FinStrG (vgl RIS-Justiz RS0088035).
Mit Blick auf § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung dieser Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen, den davon betroffenen Ausspruch über den Wertersatz zu kassieren und in diesem Umfang in der Sache zu erkennen.
Gemäß § 17 Abs 2 lit a FinStrG unterliegen Sachen, hinsichtlich derer Finanzvergehen (hier: der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben nach §§ 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a FinStrG) begangen wurden, dem Verfall. Steht im Zeitpunkt der Entscheidung fest, dass der Verfall unvollziehbar wäre, ist nach § 19 Abs 1 lit a FinStrG statt seiner auf die Strafe des Wertersatzes zu erkennen. Diese Voraussetzungen liegen in Ansehung des exportierten Rindfleischs, für welches die gegenständlichen Ausfuhrerstattungen beantragt und teils auch ausbezahlt wurden, aufgrund der Aktenlage vor. Die Höhe des Wertersatzes entspricht nach § 19 Abs 3 erster Satz FinStrG dem gemeinen Wert der dem Verfall unterliegenden Gegenstände im Zeitpunkt der Begehung des Finanzvergehens. Dieser Wert beträgt nach den Verfahrensergebnissen (vgl die unbedenklichen Ermittlungsergebnisse der Finanzstrafbehörde - ON 120 S 14 - und deren Berechnungen im Beilagenordner 2 zu ON 120) für die Exportmengen, die den Matvei Hu***** betreffenden Schuldsprüchen zugrunde liegen, 444.901,52 Euro. Der Wertersatz ist allen Personen, die als Täter, andere an der Tat Beteiligte oder Hehler vorsätzlich Finanzvergehen hinsichtlich der dem Verfall unterliegenden Gegenstände begangen haben, anteilsmäßig aufzuerlegen (§ 19 Abs 4 FinStrG). Stünde der Wertersatz (Abs 3) oder der Wertersatzanteil (Abs 4) zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis, so ist von seiner Auferlegung ganz oder teilweise abzusehen (§ 19 Abs 5 FinStrG). Ist der Wertersatz aufzuteilen (Abs 4) oder ist vom Wertersatz ganz oder teilweise abzusehen (Abs 5), so sind hiefür die Grundsätze der Strafbemessung (§ 23 FinStrG) anzuwenden.
Bei Matvei Hu***** sind als erschwerend (vgl RIS-Justiz RS0085962, RS0086300) die Tatwiederholung zu werten, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel, die teilweise Schadensgutmachung, das längere Zurückliegen der Taten verbunden mit zwischenzeitlichem Wohlverhalten und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist. Davon ausgehend erweist sich angesichts des bei Matvei Hu***** im Verhältnis zu den beiden hiefür bereits rechtskräftig verurteilten unmittelbaren Tätern (vgl ON 460 S 9 ff) deutlicheren Überwiegens von Milderungsgründen der ihm vom Landesgericht Innsbruck mit 100.000 Euro - das entspricht weniger als einem Drittel des gemeinen Werts des Exportguts - auferlegte Wertersatzanteil auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (§ 23 Abs 3 FinStrG) als angemessen.
Bei der gemäß § 19 Abs 5 FinStrG durchzuführenden Verhältnismäßigkeitsprüfung zeigt sich allerdings, dass dieser Wertersatzanteil angesichts des mittlerweile gewichtigeren Milderungsgrundes des Wohlverhaltens seit den mehr als zehn Jahre zurückliegenden Taten zu dem Matvei Hu***** treffenden Vorwurf außer Verhältnis stünde. Der nach Maßgabe dieser Prüfung angemessene Wertersatz von 75.000 Euro wird überdies als Ausgleich der - hiermit als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) anerkannten - unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (§ 34 Abs 2 StGB), auf 50.000 Euro reduziert. Für den Fall der Uneinbringlichkeit war die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 20 Abs 2 FinStrG mit zwei Wochen festzusetzen.
Ein gänzliches Absehen vom Wertersatz kommt angesichts der durch geplantes und gewerbsmäßiges Vorgehen akzentuierten Schuld des Angeklagten Matvei Hu***** nicht in Betracht.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)