OGH 13Os138/17v

OGH13Os138/17v31.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sergiu M***** wegen Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 22. September 2017, GZ 27 Hv 65/17m‑26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00138.17V.0131.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sergiu M***** mehrerer Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in L***** und anderenorts mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Vera G*****, der unter der falschen Identität „Viviana B*****“ in Österreich Asyl gewährt worden war, durch gefährliche Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder der gesellschaftlichen Stellung zu Handlungen zu nötigen versucht, welche die Genannte am Vermögen schädigen sollten, nämlich

(1) im August 2010 durch die telefonische Aufforderung, ihm 10.000 Euro zu zahlen, widrigenfalls er die österreichischen Behörden über die von ihr verwendete falsche Identität informieren werde, und

(2) am 16. Jänner 2016 im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung, zu der Vera G***** als Dolmetscherin beigezogen wurde, durch die Forderung von 20.000 Euro, im Fall deren Ablehnung er die Polizeibeamten über ihre wahre Identität in Kenntnis setzen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 5 f), wonach der Beschwerdeführer die Taten in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) setzte, Vera G***** durch gefährliche Drohung „mit der Vernichtung ihrer gesamten, in Österreich aufgebauten wirtschaftlichen Existenz sowie ihrer hier erworbenen Reputation gegenüber jedem Menschen, der sie kennt“, zur Übergabe von zunächst 10.000 Euro und danach 20.000 Euro zu nötigen, dabei auch seine unrechtmäßige Bereicherung beabsichtigte (§ 5 Abs 2 StGB) und um die intendierte Vermögensschädigung der Vera G***** wusste (§ 5 Abs 3 StGB), keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall).

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) der Konstatierungen zur subjektiven Tatseite findet sich auf der US 13. Dass die Tatrichter ihre diesbezüglichen Erwägungen primär aus dem objektiven Tatgeschehen ableiteten, ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

Der Einwand der Urteilsunvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wird nicht aus in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) entwickelt und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RIS‑Justiz RS0118316).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) lässt großteils den erforderlichen Aktenbezug vermissen (13 Os 60/03, SSt 2003/47; RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749 und RS0119310).

Soweit sie sich auf den Akteninhalt bezieht, konkret auf einige Details aus der polizeilichen Anzeige (ON 2), gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, welche konkreten Feststellungen zum Verhalten des Beschwerdeführers zwischen den Taten hier zur rechtsrichtigen Subsumtion fehlen sollten und entzieht sich demgemäß einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0095939, RS0117247 und RS0118342).

Entsprechendes gilt für den Einwand, die konstatierten Äußerungen des Beschwerdeführers würden nicht das Tatbestandselement der gefährlichen Drohung verwirklichen, weil die Beschwerde insoweit die methodische Ableitung der angestrebten rechtlichen Konsequenz aus dem Gesetz vermissen lässt (12 Os 52/02, SSt 64/31; RIS‑Justiz RS0116565 und RS0116569).

Unter dem Aspekt des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei hinzugefügt, dass eine dem Tatbestand der Erpressung entsprechende Tat nach der (in der Sache wohl angesprochenen) Bestimmung des § 144 Abs 2 StGB dann nicht rechtswidrig ist, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Die Drohung mit – per se – zulässigen Verhaltensweisen zum Zweck des Erwirkens einer unrechtmäßigen Bereicherung verstößt aber jedenfalls gegen die guten Sitten ( Eder‑Rieder in WK 2 StGB § 144 Rz 35, Hintersteininger SbgK § 144 Rz 48 f, jeweils mwN), womit solche Drohungen gerade nicht im Sinn des § 144 Abs 2 StGB gerechtfertigt sind.

Das Vorbringen der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b), die Strafbarkeit sei infolge Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) aufgehoben, argumentiert nicht auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 6) und verfehlt solcherart den Bezugspunkt materiell‑rechtlicher Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Indem die Beschwerde zum genannten Strafaufhebungsgrund einen (richtig) Feststellungsmangel geltend macht (Z 9 lit b, nominell verfehlt auch Z 5), entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) nennt, die entsprechende Konstatierungen indizieren würden (13 Os 91/02, SSt 64/46; RIS‑Justiz RS0116735 und RS0118580).

Die Subsumtionsrüge (Z 10), die einen Schuldspruch nach § 107 StGB (insoweit nominell verfehlt Z 9 lit b) bzw einen solchen nach dem Grundtatbestand des § 144 Abs 1 StGB anstrebt, entfernt sich zur Gänze vom Urteilssachverhalt (siehe aber erneut RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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