OGH 13Os137/99

OGH13Os137/993.11.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. November 1999 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jäger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dieter W***** wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Reutte, vom 23. Oktober 1999, GZ 1 U 3/97g-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 23. Oktober 1998, GZ 1 U 3/97g-13, verletzt insoweit, als Dieter W***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Tatzeitraum ab 6. Oktober 1998 bis zur Urteilsfällung schuldig erkannt und (auch) deshalb zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 267, 447 Abs 1 StPO.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im bezeichneten Teil des Schuldspruches (jedoch nicht im Ausspruch über die Strafe) aufgehoben.

Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über die Schuld (zum verbleibenden Schuldspruch) und die Strafe wird der Akt dem Landesgericht Innsbruck zugeleitet.

Text

Gründe:

In der Strafsache AZ 1 U 3/97g des Bezirksgerichtes Reutte legte der Bezirksanwalt mit schriftlichem Bestrafungsantrag vom 5. Oktober 1998 (ON 9) Dieter W***** eine Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB gegenüber seinen mj Kindern Nadine und Tanja U***** jeweils vom 1. Oktober 1997 bis "dato" zur Last. Die Vorladung für die am 23. Oktober 1998 anberaumte Hauptverhandlung und der schriftliche Bestrafungsantrag wurden dem Beschuldigten unter seiner Münchner Adresse mit internationalem Rückschein (Art 52 Abs 1 SDÜ, BGBl III 1997/90; Erlass des BMJ vom 21. Oktober 1997, GZ 530.102/398-IV 1/97, S 7) zugestellt (S 64). Als Dieter W***** ungeachtet dieser gehörigen Vorladung zur Hauptverhandlung nicht erschien, wurde diese gemäß § 459 StPO in seiner Abwesenheit durchgeführt. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles bezog der Bezirksrichter zunächst ein weiteres Verfahren (ON 11) ein, beschränkte aber (ersichtlich) das Beweisverfahren rechtsrichtig (JBl 1968, 378) auf den eingangs angeführten Strafantrag, den der Bezirksanwalt unverändert - eine Ausdehnung wäre im Abwesenheitsverfahren unzulässig gewesen (12 Os 22/92 ua) - aufrecht hielt (S 65). Dennoch wurde der Beschuldigte in Abwesenheit mit Urteil des Bezirksgerichtes Reutte vom 23. Oktober 1998, GZ 1 U 3/97g-13, des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB auch für den Zeitraum bis 23. Oktober 1998 (= Datum der Urteilsfällung) schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Den gegen das Abwesenheitsurteil rechtzeitig erhobenen Einspruch (ON 14) verwarf der Bezirksrichter mit dem seit 13. April 1999 rechtskräftigen Beschluss vom 12. März 1999 (ON 18).

Eine Entscheidung über die im Einspruch inhaltlich ausgeführte Berufung wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (§ 467 Abs 3 StPO) steht noch aus.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in der gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das vorerwähnte Urteil mit den Bestimmungen der §§ 267, 447 Abs 1 StPO nicht im Einklang, weil es Dieter W***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht auch für die Zeit nach dem 5. Oktober 1998 (Tag der Verfassung des Strafantrages) bis zum 23. Oktober 1998 (Tag der Urteilsfällung) schuldig erkannte. Denn der Bestrafungsantrag erfasste nach seiner Formulierung ("bis dato") nur die bis zu seiner Abfassung (5. Oktober 1998) verübten Taten. Künftige präsumtive Deliktsakte konnten nicht Gegenstand der Anklage sein (Mayerhofer StPO4 § 262 E 38; 12 Os 22/92; 13 Os 37/98 ua).

Da der Angeklagte die Urteilsnichtigkeit nach § 468 Abs 1 Z 4 iVm § 281 Abs 1 Z 8 StPO bewirkende Anklageüberschreitung in der Berufung nicht geltend gemacht hat, war seine durch diese Gesetzesverletzung erfolgte Benachteiligung gemäß § 292 StPO - ohne gesonderten Freispruch - durch bloße Aufhebung des die Anklage überschreitenden Teiles des Schuldspruches zu beseitigen (14 Os 127/97; 13 Os 37/98).

Dem Berufungsgericht ist es möglich, der durch dieses Erkenntnis geschaffenen prozessualen Situation, nämlich, dass der (mit Berufung angefochtene) Strafausspruch nicht (mehr) zur Gänze auf dem Schuldspruch des Erstgerichtes beruht, im Rahmen seiner (noch zu fällenden) Entscheidung Rechnung zu tragen (s. nochmals 13 Os 37/98).

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