OGH 13Os128/06g

OGH13Os128/06g24.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wolfgang S***** wegen des Verbrechens der versuchten erpresserischen Entführung als Beteiligter nach §§ 15 Abs 2 zweite Alternative, 12 zweite Alternative, 102 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7. August 2006, GZ 423 Hv 1/06h-77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Wolfgang S***** des Verbrechens der versuchten erpresserischen Entführung als Beteiligter nach §§ 15 Abs 2 zweite Alternative, 12 zweite Alternative, 102 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 19. und 21. Oktober 2005 in Wien den Sorin V***** durch die Aufforderung, die Tochter des rumänischen Staatsangehörigen Andrei Se*****, Andrea Se*****, zu entführen und indem er ihm das durch Andrea Se***** bewohnte Haus und einen Geldübergabeort zeigte, dazu zu bestimmen versucht, Andrea Se***** ohne deren Einwilligung mit Gewalt zu entführen, indem er sie auf der Straße abpassen sollte, um einen Dritten, nämlich den Vater der Andrea Se*****, Andrei Se*****, zu einer Handlung, und zwar zur Übergabe eines Betrages von etwa 2.000.000 bis 3.000.000 Euro zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 6, 8 und 11 lit b des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Mit ihrer Unterstellung, die an die Geschworenen gerichtete Zusatzfrage ziele darauf ab, ob der Angeklagte vom Versuch der Tatausführung freiwillig zurückgetreten sei, orientiert sich die Fragenrüge (Z 6) zunächst nicht am Wortlaut der kritisierten Frage. Denn die auf den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch im Sinne des § 16 Abs 1 StGB gerichtete Zusatzfrage bezieht sich unmissverständlich auf die in der Hauptfrage 1./ geschilderte Tat, die dort ebenso unmissverständlich als zweimaliger Versuch des Angeklagten, Sorin V***** zur erpresserischen Entführung der Andrea Se***** zu bestimmen, umschrieben ist. Dass die Zusatzfrage nicht sämtliche gesetzlichen Kriterien des Strafausschließungsgrundes iwS (zum Begriff: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 634) enthält (WK-StPO § 281 Rz 619; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 23) rügt die Beschwerde nicht. Die weitere Kritik der Fragenrüge, die Zusatzfrage hätte richtigerweise auf „Putativrücktritt vom Bestimmungsversuch" im Sinne des § 16 Abs 2 StGB lauten müssen, geht zunächst von der Prämisse aus, die inkriminierte Tat hätte „nicht ins Versuchsstadium treten können", weil Sorin V***** „ja als Polizeispitzel, Vertrauter und Abgesandter des Vaters, mit der Aufgabe fungiert hat, Beweismaterial gegen Wolfgang S***** zu schaffen", legt aber nicht dar, inwiefern das Auftreten eines unter der Aufsicht der Sicherheitsbehörde handelnden Lockspitzels - entgegen ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0089787) - für die Frage der Versuchsuntauglichkeit im konkreten Fall von Bedeutung sein sollte. Eine Zusatzfrage nach absoluter Untauglichkeit eines Versuchs ist im Übrigen niemals zu stellen, weil sich dieser nur auf eine Tathandlung beziehen kann, die schon ihrer Anlage nach nicht zur Verwirklichung eines Sachverhaltes zu führen geeignet ist, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, weswegen diesfalls die Hauptfrage zu verneinen wäre (Schindler, WK-StPO § 312 Rz 65 mwN). Sachverhaltselemente der angeklagten Tat, die in Richtung von Versuchsuntauglichkeit nach § 15 Abs 3 StGB hinweisen (und damit die Aufnahme der die Tatvollendung hindernden Umstände in eine Haupt- oder Eventualfrage erfordern würden; vgl 13 Os 193/97, JBl 1999, 615; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 30), werden mit dem in Rede stehenden Vorbringen nicht aufgezeigt.

In der Hauptverhandlung vorgekommenes, die Stellung der verlangten Zusatzfrage nach „Putativrücktritt vom Versuch" indizierendes Tatsachensubstrat, wonach sich der Angeklagte in Unkennntnis des misslungenen Bestimmungsversuchs „freiwillig und ernstlich bemüht hat" (§ 16 Abs 2 StGB), die Tatausführung (durch Sorin V*****) zu verhindern oder den Erfolg abzuwehren, bezeichnet die Fragenrüge nicht.

Durch den verkürzenden Hinweis auf die Textstelle: „Nein, ich scheiß drauf, weißt du was, ich will nicht mehr, weil ich nehme andere Leute, weil wenn du kannst Geschäft machen für eineinhalb Millionen Euro du musst auch irgend etwas investieren, ich habe fünftausend Euro schon gegeben, jetzt sechstausend Euro schon gegeben, ich will nicht, wenn du nicht willst das Risiko machen, oder wenn ihr keine Leute seid die schon Profi sind dann musst auch schon einmal Geschäfte gemacht haben, wenn du jetzt machst eineinhalb Millionen Euro, ich meine du musst auch, sag;" (S 129/I), macht der Beschwerdeführer nicht klar, was daraus zugunsten des Angeklagten folgen sollte.

Das unsubstantiierte weitere Vorbringen, die Bejahung einer derartigen Frage (in welchem Fall ohnehin mit Freispruch vorzugehen gewesen wäre) hätte auch noch „eine weitere Frage" hinsichtlich „ich nehme andere Leute" (S 129/I) erfordert, die sodann wegen der bald nach dieser Bemerkung erfolgten Verhaftung des Angeklagten „zum absolut untauglichen Versuch geführt hätte", ist einer meritorischen Beantwortung nicht zugänglich.

Die Instruktionsrüge (Z 8) verkennt, dass die Rechtsbelehrung nur insofern angefochten werden kann, als sie Fragen betrifft, die den Geschworenen tatsächlich gestellt wurden (WK-StPO § 345 Rz 63). Die Hauptfrage 1./ stellt aber weder auf einen Versuch der unmittelbaren Tatausführung durch den Angeklagten als „Einzeltäter" ab, noch lautet die Zusatzfrage auf Rücktritt vom Versuch im Sinne des § 16 Abs 2 StGB. Demgemäß geht die Rüge fehlender, unrichtiger oder unvollständiger Belehrung über den Unterschied zwischen Ausführungs- und Bestimmungsversuch und über den Strafaufhebungsgrund des Putativrücktritts im Sinne des § 16 Abs 2 StGB ins Leere.

Der Einwand, die Rechtsbelehrung verschweige, dass auch vom Bestimmungsversuch straflos zurückgetreten werden kann, orientiert sich nicht am tatsächlichen Inhalt der Unterweisung, die den Geschworenen unmissverständlich darlegt, dass auch der Bestimmungstäter als Tatbeteiligter im Sinne des § 12 StGB anzusehen ist und dass bei Beteiligung mehrerer am Versuch, der einzelne Beteiligte (unter den sodann genannten Voraussetzungen) zurücktreten kann (Blatt 5 f iVm 7 der nicht fortlaufend mit Seitenzahlen versehenen Rechtsbelehrung).

Nicht aus dem Gesetz abgeleitet wird die Forderung nach der Aufnahme einer Erläuterung straflosen Bestimmungsversuchs zur Leistung eines bloßen Tatbeitrags im Sinne des § 12 dritte Alternative StGB in die Rechtsbelehrung, weil die Beschwerde nicht darlegt, inwiefern in der nach dem Inhalt der Hauptfrage an Sorin V***** gerichteten Aufforderung des Angeklagten eine Bestimmung zu einem bloßen Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB zu erblicken sein sollte (vgl dazu sinngemäß WK-StPO § 345 Rz 64 f). Abgesehen davon wurde eine Eventualfrage in dieser Richtung nicht gestellt (vgl § 314 Abs 1 StPO).

Die Wiederholung der unter Z 6 des § 345 StPO ohnehin geltend gemachten Forderung nach einer „Frage..., ob Wolfgang S***** in Unkenntnis des Umstandes der Unmöglichkeit, einen verkabelten Vertrauensmann der Polizei zur angesonnenen Tat zu bestimmen, freiwillig auf dessen Mitwirkung verzichtet hat und damit vom Bestimmungsversuch putativ zurückgetreten ist", kann auch aus Z 11b des § 345 Abs 1 StPO nicht zielführend sein.

Wie mit der Rüge der Unterlassung von Eventual- oder uneigentlichen Zusatzfragen (§ 314 Abs 1 erster und dritter Fall sowie Abs 2, § 316 StPO) wird zwar auch mit der Forderung nach einer eigentlichen Zusatzfrage (§ 313 StPO) - hier mit der Maßgabe, dass in in der Hauptverhandlung vorgekommene Tatsachen nur Anlass, nicht aber Inhalt einer solchen Frage bilden (WK-StPO § 345 Rz 46 iVm § 281 Rz 619) - stets ein Feststellungsmangel (zum Begriff WK-StPO § 281 Rz 600 ff) geltend gemacht. Im geschworenengerichtlichen Verfahren können derartige Feststellungsmängel (maW ein ungeklärt gebliebener Tatsachenbereich, dem nicht durch Eventual- oder Zusatzfrage [§ 313] Rechnung getragen wurde) allerdings nicht unmittelbar unter Z 11 lit b des § 345 StPO geltend gemacht werden. Sie sind Gegenstand der Fragenrüge (WK-StPO § 313 Rz 27; WK-StPO § 345 Rz 46 iVm § 281 Rz 619).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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