European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E30409
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten Ryszard P* und Waldemar K* auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 23. März 1959 in Krakau geborene polnische Staatsangehörige Ryszard P* des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach dem (§ 83 Abs 1) § 86 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er in der Nacht zum 11. Juli 1991 in Klosterneuburg im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Waldemar K* als Mittäter (§ 12 StGB) den Dariusz S* dadurch, daß sie ihm zahlreiche Tritte und Schläge versetzten, auf den Brustkorb des Opfers sprangen, ihn an Händen und Beinen fesselten, ihm einen Knebel anlegten, mit einem Leintuch strangulierten und sodann den Sterbenden aus der Wohnung brachten und im Freien liegen ließen, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unter dem Grund der Z 6 behauptet der Angeklagte zunächst, daß die Geschworenen durch das fehlerhafte Fragenschema keine Möglichkeit gehabt hätten, zu einer Verurteilung wegen Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung zu kommen.
Dieser Einwand trifft nicht zu. Im Anschluß an die Eventualfrage XI (ob der Angeklagte eine Straftat nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB begangen habe), war die Eventualfrage XII gestellt worden, ob der Angeklagte sich, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzte und in diesem Zustand die in der Eventualfrage XI umrissene Tat begangen habe (vgl US 353).
Diese Fragestellung entspricht dem Zwei‑Fragen‑Schema: Für den Fall der Verneinung der Eventualfrage XI (Begehung einer nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB zu beurteilenden Tat) wurde eine Eventualfrage nach einer Tatbegehung iS des § 287 StGB gestellt. In diesem Sinne wurden die Geschworenen auch in der Rechtsbelehrung darauf verwiesen, daß für den Fall der Verneinung der Eventualfrage XI (nach den §§ 83 Abs 1, 86 StGB) die Eventualfrage XII (nach dem § 287 StGB) zu beantworten ist. Diese Belehrung entspricht dem Gesetz (§ 317 Abs 3 StPO). Die Behauptung der Beschwerde, daß dieses Fragenschema zur Ermittlung des korrekten Wahrspruches ungeeignet sei, ist unbegründet (vgl EvBl 1982/181). Da nach Lage des Falles kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Angeklagte die Tat im Zustand unverschuldeter Volltrunkenheit begangen haben könnte, war dieses Zwei‑Fragen‑Schema hinreichend und auch angemessen. In einem solchen Falle haben nämlich die Geschworenen auf Grund dieser zwei Fragen die Gelegenheit, die auf Volltrunkenheit weisenden Verfahrensergebnisse zu würdigen und gegebenenfalls die verschuldete volle Berauschung durch Bejahung der Eventualfrage XII im Wahrspruch anzunehmen. Die Ansicht des Beschwerdeführers, daß bei Verneinung der Eventualfrage XI die Eventualfrage XII ebenfalls nur verneint werden könne, weil das Tatbild der Begehung einer strafbaren Handlung im Zustand voller Berauschung das Tatbild der im Rausch begangenen Tat zur Gänze enthalten müsse, trifft im Hinblick auf die oben wiedergegebene Fassung der Eventualfrage XII (in der auch die in der Eventualfrage XI umrissene Tathandlung angeführt wird) nicht zu. Richtig ist, daß bei Bejahung der Eventualfrage XI die im Zusammenhang damit gestellte Eventualfrage XII nicht mehr zu beantworten war. Darauf wurden die Geschworenen ‑ wie oben angeführt ‑ in der Rechtsbelehrung zutreffend hingewiesen. Durch diese überflüssige Beantwortung der Eventualfrage XII wurde der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund aber nicht verwirklicht.
Es trifft auch der weitere Einwand der Beschwerde nicht zu, das Fragenschema sei deshalb fehlerhaft, weil in die Zusatzfragen 3.) nach Zurechnungsunfähigkeit (US 355) lediglich die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale aufgenommen wurden, nicht aber die besonderen Umstände, welche die Zurechnungsunfähigkeit begründet haben könnten, nämlich die mögliche volle Berauschung.
Anders als bei der Formulierung von Schuldfragen (§§ 312, 314 StPO) sowie von unechten Zusatzfragen (§ 316 StPO), in welchen die Tat nicht nur individualisiert, sondern darüber hinaus (durch die Anführung jener konkreten Tatsachen, welche die abstrakten Tatbestands‑ und Qualifikationsmerkmale im Einzelfall verwirklichen) auch ausreichend konkretisiert werden muß (vgl. EvBl 1985/87; EvBl 1985/134), genügt es bei der Abfassung von echten Zusatzfragen (§ 313 StPO), darin jene im Gesetz angeführten Gründe anzugeben, welche nach dem die Stellung einer solchen Frage indizierenden Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung den in Betracht kommenden Straflosigkeitsgrund in concreto zu begründen vermögen, ohne daß es einer weitergehenden Konkretisierung (oder gar Spezialisierung) des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch über die echte Zusatzfrage zugrunde zu legenden Sachverhalts bedarf (vgl abermals EvBl 1985/97, 12 Os 135/86). Für den vorliegend in Rede stehenden Fall der Zurechnungsunfähigkeit des Täters zur Tatzeit reichte es demnach aus, daß in den darauf abzielenden Zusatzfragen jene Gründe generell abstrakt angeführt wurden, denenzufolge es an der Diskretions‑ und/oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten fehlen konnte (vgl 12 Os 135/86); eine Bezugnahme auf die konkrete Fallgestaltung bei der Formulierung der betreffenden Zusatzfragen, wie die Beschwerde dies geltend macht, bedurfte es daher nicht. Daß der Schwurgerichtshof die Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit entsprechend dem Wortlaut des § 11 StGB formulierte, vermag demnach eine Nichtigkeit im Sinne der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO nicht zu begründen.
Unzutreffend ist auch der unter dem Grund der Z 8 erhobene Einwand der Beschwerde, diese fehlerhafte Fragestellung finde ihre Fortsetzung in der Rechtsbelehrung, die deshalb falsch sei, weil in ihr angeführt wurde, daß nach Bejahung der Eventualfrage XI und der Zusatzfrage 3.) nach Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes des § 11 StGB sofort ein Freispruch zu erfolgen habe.
Die gerügte Belehrung entspricht dem Gesetz. Das Vorbringen der Rüge, daß den Geschworenen dadurch die unrichtige Meinung vermittelt werden konnte, bei Annahme der Volltrunkenheit des Angeklagten bleibe die Tötung des Dariusz S* straflos, was schon im Hinblick auf die Bestimmung des § 287 StGB falsch sei, schlägt deshalb nicht durch, weil ‑ wie bereits dargestellt ‑ im Sinne des Zweifragenschemas den Geschworenen ohnedies die Möglichkeit eröffnet wurde, gegebenenfalls eine verschuldete volle Berauschung iS des § 287 StGB anzunehmen, worüber die Geschworenen auch richtig belehrt wurden.
Nicht berechtigt ist schließlich auch die unter diesem Nichtigkeitsgrund erhobene Behauptung, daß die Rechtsbelehrung zur Frage der Zurechnungsunfähigkeit ungeeignet war, einem juristischen Laien diesen Begriff nahe zu bringen und daß insbesonders die tiefgreifende Bewußtseinsstörung nicht erläutert worden sei. Die den Geschworenen erteilte Belehrung zur tiefgreifenden Bewußtseinsstörung im Sinne des § 11 StGB entspricht durchaus der gängigen Lehre (vgl. dazu die Ausführungen bei Leukauf‑Steininger, Komm3, § 11 RN 11, die nahezu wörtlich in die Rechtsbelehrung übernommen wurden). Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang die Alkoholisierung hatte, war den Geschworenen vom Vorsitzenden in der nach dem § 323 Abs 2 StPO vorzunehmenden Besprechung zu erläutern.
Die Tatsachenrüge (Z 10 a) wendet ein, daß eine erhebliche Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit vorlag und daher eine Verurteilung gemäß dem § 287 StGB hätte erfolgen müssen, ergeht sich aber ‑ was den Grad der Trunkenheit des Beschwerdeführers betrifft ‑ letztlich nur in Spekulationen. Inwiefern die Geschworenen dadurch gegen ihre Pflicht zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit in einer Weise verstoßen hätten, daß daraus erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen resultieren müßten, vermag die Beschwerde aber nicht aufzuzeigen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P* war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte die Angeklagten nach dem § 86 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar Ryszard P* zu acht Jahren und Waldemar K* zu sechs Jahren. Bei der Strafbemessung waren erschwerend bei beiden Angeklagten die Brutalität ihres Vorgehens und bei P* auch die Bestimmung Dritter (T* und K*) zur Tat, mildernd hingegen bei beiden der bisherige untadelige Wandel sowie eine Enthemmung durch Alkohol, bei K* überdies das Geständnis.
Den Berufungen, mit welchen die Angeklagten P* und K* eine Herabsetzung der Strafe anstreben, kommt keine Berechtigung zu.
Im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten P* in der Hauptverhandlung am 20. Juli 1992 ‑ er hat dort seine Angaben vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter wesentlich abgeschwächt (vgl Bd III S 23 ff) ‑ kann entgegen dem Berufungsvorbringen von einem Geständnis dieses Angeklagten iS des § 34 Z 17 StGB nicht die Rede sein; auch bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Provokation durch das Tatopfer.
Auch der Angeklagte K* zeigt in seiner Berufung nichts auf, was eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe rechtfertigen könnte. Bei der gegebenen Sachlage ist auch in dem Umstand, daß der Angeklagte K* später die Fesseln an dem bereits wehrlosen und verletzten Opfer Darius S* löste (an deren Anlegung er mitgewirkt hatte, vgl. HV‑Protokoll S 127/III) und den Knebel entfernte, der Milderungsgrund des § 34 Z 15 StGB nicht zu erblicken.
Die demzufolge im wesentlichen richtig und vollständig angenommenen Strafzumessungsgründe hat das Geschworenengericht auch ihrer Bedeutung entsprechend durchaus zutreffend gewürdigt. Angesichts des hohen Schuld‑ und Unrechtsgehalts der vorliegenden Straftat, die auch auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten gleichgültige Einstellung (§ 32 Abs 2 StGB) der Angeklagten hinweist, sind die vom Erstgericht verhängten Freiheitsstrafen nicht zu hoch bemessen, sodaß auch den Berufungen ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung fußt auf der zitierten Gesetzesstelle.
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