Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5.Mai 1986, GZ 6 a Vr 3674/85-217, auf 7 (sieben) Jahre als Zusatzstrafe herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde aufgrund des Wahrspruchs der Geschwornen (neben anderen Angeklagten) Erich E*** des in der Zeit vom 12. März 1985 bis 29. März 1985 in Wien wiederholt verübten Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Die Geschwornen hatten die ihn betreffenden, nach dem genannten Verbrechen in sieben Fällen gestellten Hauptfragen 2, (fortlaufende Zahl II des Fragenschemas), 4 (VI), 5 (IX), 6 (XII), 8 (XXI), 9 (XXIV) und 10 (XXVII) einstimmig bejaht, wobei sie lediglich bei Beantwortung der Hauptfrage 6 die Beschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) beifügten, daß Erich E*** die bezügliche Tat nicht in Gesellschaft des Drittangeklagten Abderrezak Ben Hassine C*** verübt habe. Die zu jeder einzelnen dieser Hauptfragen gestellten Zusatzfragen nach dem Schuldausschließungsgrund des § 11 StGB 1 (III), 2 (VII), 3 (X), 4 (XIII), 7 (XXII), 8 (XXV) und 9 (XXVIII) hatten sie ebenso einstimmig verneint. Die Eventualfragen 1 (IV), 2 (VIII), 3 (XI), 4 (XIV), 8 (XXIII), 9 (XXVI) und 10 (XXIX) nach dem Vergehen nach § 287 StGB blieben folgerichtig unbeantwortet.
Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Erich E*** mit einer auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO sowie (der Sache nach) auch auf § 345 Abs 1 Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Die Verletzung einer der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß die Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) nicht durch Anführung seiner Heroinsucht als deren Grundlage präzisiert worden seien. Die Rüge versagt.
Anders als bei der Formulierung von Schuldfragen (§§ 312, 314 StPO) sowie von unechten Zusatzfragen (§ 316 StPO), in welchen die Tat nicht nur individualisiert, sondern darüber hinaus (durch die Anführung jener konkreten Tatsachen, welche die abstrakten Tatbestands- und Qualifikationsmerkmale im Einzelfall verwirklichen) auch ausreichend konkretisiert werden muß (vgl. EvBl 1985/97; EvBl 1985/134), genügt es bei der Abfassung von echten Zusatzfragen (§ 313 StPO), darin jene im Gesetz angeführten Gründe anzugeben, welche nach dem die Stellung einer solchen Frage indizierenden Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung den in Betracht kommenden Straflosigkeitsgrund in concreto zu begründen vermögen, ohne daß es einer weitergehenderen Konkretisierung (oder gar Spezialisierung) des von den Geschwornen ihrem Wahrspruch über die (echte) Zusatzfrage zugrunde zu legenden Sachverhalts bedarf (vgl. abermals EvBl 1985/97). Für den vorliegend in Rede stehenden Fall der Zurechnungsunfähigkeit des Täters zur Tatzeit reichte es demnach aus, daß in den darauf abzielenden Zusatzfragen 1 (III), 2 (VII), 3 (X), 4 (XIII), 7 (XXII), 8 (XXV) und 9 (XXVIII) jene (zwar an sich verschiedenen, aber rechtlich gleichwertigen) Gründe (generellabstrakt) angeführt wurden, denenzufolge es an der Diskretionsund/oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten fehlen konnte (vgl. 9 Os 76/85); einer Bezugnahme auf die konkrete Fallgestaltung bei der Formulierung der betreffenden Zusatzfragen, wie sie die Beschwerde bei ihrem Eiwnand, es wäre darin auf die Heroinsucht des Angeklagten hinzuweisen gewesen, im Auge hat, bedurfte es daher nicht. Daß der Schwurgerichtshof die Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit entsprechend dem Wortlaut des § 11 StGB formulierte, vermag demnach eine Nichtigkeit im Sinn der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO nicht zu begründen; dies umso weniger, als das einzige in die Richtung einer mangelnden Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers deutende Tatsachenvorbringen die Behauptung seiner Heroinsucht war, sodaß die Geschwornen ohne Gefahr eines Irrtums oder der Verwechslung mit anderen Begebenheiten in der Lage waren, zu entscheiden, ob darin einer jener (im § 11 StGB aufgezählten) Gründe gelegen ist, dessentwegen der Angeklagte im Tatzeitpunkt unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 18a zu § 345 Z 6).
Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 6 StPO, inhaltlich jedoch eine unrichtige Rechtsbelehrung (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO) behauptend, macht der Beschwerdeführer geltend, daß in der Rechtsbelehrung zum Rechtsbegriff der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung (§ 11 StGB) nur generelle Ausführungen gemacht werden, insbesonders nicht darauf verwiesen werde, daß eine derartige Bewußtseinsstörung aufgrund eines Rauschgiftkonsums eintreten kann.
Auch insoweit ist der Beschwerde nicht beizupflichten. Denn in der Rechtsbelehrung wurde ausgeführt, daß zu den Geisteskrankheiten im weiteren Sinn auch exogene Psychosen zählen, die krankhafte Veränderungen der geistig-seelischen Funktionen darstellen, welche als Begleiterscheinung körperlicher Erkrankungen auftreten; als Beispiel hiefür wurden u.a. Drogenpsychosen als Folge chronischer Drogenschädigung angeführt (S 15 der Rechtsbelehrung). Im übrigen wurden die Rechtsbegriffe der tiefgreifenden Bewußtseinsstörung und einer anderen schweren seelischen Störung im Sinne des § 11 StGB im Einklang mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung ausführlich dargelegt (S 15-18 der Rechtsbelehrung; Leukauf-Steininger Komm. 2 § 11 RN 5-16). Die Anführung der konkret zu beurteilenden Tatsachen hingegen ist nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung, vielmehr sind in der anschließenden Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen (§ 323 Abs 2 StPO) die in die Fragen aufgenommenen gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrundeliegenden Sachverhalt zurückzuführen und die für die Beantwortung der Frage entscheidenden Tatsachen hervorzuheben. Eine Unvollständigkeit der schriftlichen Rechtsbelehrung, die einer Unrichtigkeit gleichkommt (§ 345 Abs 1 Z 8 StPO), liegt somit nicht vor.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Erich E*** wurde nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu acht
Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Bei der Strafbemessung war erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, die die Voraussetzung des § 39 StGB erfüllen und darüber hinausgehen, die mehrfache Tathandlung, die zweifache Qualifikation zum Raub, die leichte Verletzung der Anna P*** und der überaus rasche Rückfall, mildernd das Geständnis, die Begehung der Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahrs und die vernachlässigte Erziehung. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Die Berufung ist berechtigt.
Gemäß §§ 31, 40 StGB war zum Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Mai 1986 (das mit der Entscheidung vom Obersten Gerichtshof vom 18. Dezember 1986, AZ 12 Os 132/86 in Rechtskraft erwachsen ist) eine Zusatzstrafe zu verhängen. Mit diesem Urteil wurde der Angeklagte wegen der Begehung von sieben vollendeten Einbruchsdiebstählen mit einem Schadensbetrag von über 19.000 S und 22 versuchten Einbruchsdiebstählen, des Verbrechens nach § 12 SuchtgiftG (wegen des Inverkehrsetzens von 50 Gramm Heroin) und des Vergehens nach § 16 SuchtgiftG (wegen des Erwerbs und Besitzes von Haschisch und Heroin) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zu den vom Geschwornengericht im übrigen zutreffend festgestellten und gewürdigten Strafbemessungsgründen kommt als weiterer Erschwerungsumstand noch das Zusammentreffen mit den im Urteil, auf das Bedacht zu nehmen war, genannten Verbrechen und eines Vergehens. Hingegen kommt der psychopathischen Veranlagung, die der Berufungswerber als weiteren Milderungsgrund ins Treffen führt, als mildernd keine besondere Bedeutung zu, weil sich aus ihr gleichzeitig auch eine erhöhte Gefährlichkeit des Täters ergibt. Bei gemeinsamer Aburteilung wäre eine Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Jahren schuldangemessen. Der Berufung war daher teilweise Folge zu geben und die Freiheitsstrafe auf sieben Jahre Zusatzstrafe herabzusetzen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO
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