Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Michael A wird von der wider ihn erhobenen Anklagte, er habe am 24. September 1979 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, Zweigstelle Alsergrund, durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Auszahlung von 7.000 S verleitet, die dieses Kreditinstitut am Vermögen schädigte, indem er den ihm von Wolfgang B übergebenen Scheck über 344 S auf 7.344 S verfälschte, bei der Zweigstelle Alsergrund der Zentralsparkasse Wien präsentierte und Zahlung erhielt, wobei der Betrug mit einem 5.000 S übersteigenden Schaden begangen worden sei, indem zur Täuschung eine verfälschte Urkunde benützt wurde; er habe hiedurch das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1, Abs 2 StGB. begangen, gemäß § 259 Z. 1 StPO. freigesprochen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 25.Februar 1963 geborene jugendliche Angeklagte Michael A des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1, Abs 2 StGB. schuldig erkannt.
Den Urteilsfeststellungen nach hat er am 21.September 1979 von einem Mitarbeiter seines Bruders Alexander A einen auf das Kommerzkonto des letzeren bei der Zweigstelle Operngasse der Zentralsparkasse und Kommerzbank Wien gezogenen Scheck über den (nur in Ziffern, nicht in Worten angegebenen) Betrag von 344 S erhalten und in der Folge derart verfälscht, daß er vor die Schecksumme die Ziffer 7 schrieb, diesen somit auf einen Betrag von 7.344 S verfälschten Scheck sodann am 24.September 1979
bei der Zweigstelle Alserstraße der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien eingelöst und den erhaltenen Betrag für eigene Zwecke verwendet. Die Tat wurde entdeckt, nachdem dem Bruder des Angeklagten die Belastung seines Kontos mit dem Betrag von 7.344 S aufgefallen war. Zufolge einer dem Bankkassier darin unterlaufenen Fahrlässigkeit, daß er den Scheck einlöste, obwohl die Angabe des Betrags in Worten fehlte, die nach dem Scheckformular nur bei Beträgen unter tausend Schilling entbehrlich ist, refundierte das Kreditinstitut (nach überprüfung der Angelegenheit in seiner Rechtsabteilung) dem Kontoinhaber auf dessen (unter Einschaltung eines Rechtsanwalts gestelltes) Verlangen den Betrag von 7.000 S und erstattete Anzeige.
Mit der (in dieser Jugendstraftat angesichts des bei Unzulässigkeit einer Privatanklage vorliegenden Verfolgungshindernisses des fehlenden Antrags des Verletzten gemäß § 43 Abs 1 JGG. - siehe auch § 2 Abs 3 StPO. - zutreffend) auf den Grund der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO.
gestützten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Beschwerdeführer mit dem Ziel einer rechtlichen Beurteilung seiner Tat als eines im Familienkreis begangenen Betrugs geltend, es sei durch die Tat der Schaden zunächst nicht im Vermögen der Bank, sondern in jenem seines Bruders eingetreten, der aber gemäß § 166 Abs 3 StGB. kein Verlangen auf Strafverfolgung (richtig: keinen Antrag auf Verfolgung gemäß § 43 Abs 1 JGG.) gestellt habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge ist berechtigt.
Da beim Betrug Getäuschter und Geschädigter nicht personengleich sein müssen (Leukauf-Steininger2 RN. 25 zu § 146 StGB.), kommt es bei der Lösung der Frage, ob ein Betrug als in der Bedeutung des § 166 StGB im Familienkreis begangen anzusehen ist, nicht darauf an, ob (auch) der Getäuschte Familienangehöriger ist. Der Betrug muß vielmehr, um solcherart privilegiert zu sein, zum Nachteil eines Familienangehörigen begangen werden, die Vermögensschädigung also im Eigentum des Angehörigen eintreten (Leukauf-Steininger2, RN. 7 zu § 166 StGB.; LSK 1980/159).
In konkreten Fall trat nun diese Vermögensschädigung, dem Vorsatz des Angeklagten entsprechend, zum Nachteil seines Bruders Alexander A ein. Eine im Strafrecht in bezug auf den Begriff Vermögen gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise (13 Os 179/79 und die dort dazu zitierte Literatur und Judikatur) zeigt nämlich, daß bei Einlösung falscher oder verfälschter Schecks der Verlust an Vermögenssubstanz (zunächst) regelmäßig den Kontoinhaber trifft, dessen Vermögen (an Buchgeld) durch die mehr oder weniger prompte, jedoch nach dem normalen Verlauf der Dinge stets unfehlbar eintretende Abbuchung der Passivpost in ökonomisch wirksamer Weise um den betrügerisch herausgelockten Betrag geschmälert wird, der nach allgemeiner Verkehrsanschauung demnach auch insoweit (primär) eine echte Einbuße an wirtschaftlichem Wert erleidet und solcherart geschädigt wird. Dem steht nicht entgegen, daß es dem Kontoinhaber - wenn er es überhaupt anstrebt, was durchaus in seinem Belieben steht, denn es steht ihm frei, es bei der unberechtigten Belastung seines Kontos bewenden zu lassen - in weiterer Folge gelingen mag, den Schaden auf das Kreditinstitut zu überwälzen. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß vielfach nach zwischen dem bezogenen Kreditinstitut und dem Kontoinhaber geltenden Bedingungen der Kontoinhaber alle Folgen und Nachteile des Abhandenkommens, der mißbräuchlichen Verwendung, der Fälschung und Verfälschung von Schecks, Scheckvordrucken und des Vordrucks des Bestell- und Empfangscheins trägt und das Kreditinstitut oft nur für nachgewiesenes Verschulden und auch das nur in dem Maß haftet, als es im Verhältnis zu anderen Ursachen an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat (siehe 4 Ob 554/78). Grundsätzlich trägt daher die Gefahr der Einlösung des gefälschten Schecks der Bezogene, d.h. er hat den Schaden der Fehlzahlung auch dann zu tragen, wenn ihn kein Verschulden trifft. Insoweit darf auf die dazu in der Entscheidung 9 Os 33/80 zitierte Literatur verwiesen werden, wenn der Oberste Gerichtshof auch der in jener Entscheidung - und im Anschluß an sie auch der von der Generalprokuratur - vertretenen Auffassung, daß in einem Fall wie dem vorliegenden der Schaden vorerst im Eigentum der Bank, sohin bei einer anderen Person als dem Familienangehörigen eintritt, was eine Privilegierung nach § 166 StGB. ausschließt (LSK 1980/161), nicht beizutreten vermag. Es kommt nämlich nicht darauf an, daß der das Guthaben darstellende Geldbetrag als Kontoerlag in das Eigentum der Bank übergegangen ist und Zahlungen daher zunächst aus deren Mitteln erfolgen, sondern darauf, daß der Kontoinhaber - den das wirtschaftliche Unternehmerrisiko für alle von der Bank vorgenommenen Transaktionen trifft, vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge I. Teil, S. 79 - durch eine solche Einlösung des Schecks an seinem tatsächlichen Guthaben einen Schaden erleidet. So wird es denn in der Regel beim Schaden des Kontoinhabers bleiben. Aber auch dann, wenn es diesem je nach Lage des Falls unter überwindung mehr oder minder großer (rechtlicher) Schwierigkeiten gelingen sollte, durch erfolgreiche Geltendmachung einer Verschuldenshaftung den Schaden an das Kreditinstitut weiterzugeben, bleibt er - aus strafrechtlicher Sicht - dennoch primär Geschädigter. Wenn etwa bei kurzfristigen Krediten das Vermögen des Kreditgebers, der nach Ablauf der Frist keine Rückzahlung erhält, schon mit Eintritt der Fälligkeit um den zugezählten Betrag geschädigt sein kann (Leukauf-Steininger2, RN. 34 zu § 146 StGB.), so muß dies umso mehr für denjenigen gelten, dessen Schaden nicht aus dem Verzug einer bedungenen vermögenswerten Leistung resultiert, sondern der aus der Begebung eines gefälschten oder verfälschten Schecks (wenn auch nur) für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum um die Verfügungsmacht über einen Teil seines Vermögens gebracht wird.
Da nach dem Gesagten die Vermögensschädigung sohin unmittelbar im Eigentum des Bruders des Angeklagten eingetreten ist - und zwar unbeschadet dessen, daß es dann doch noch gelang, das Kreditinstitut (nicht ganz ohne Schwierigkeit) letztlich zur Entschädigung des zunächst geschädigten Kontoinhabers zu bewegen - ist die Tat des Angeklagten als (Urkunden-) Betrug im Familienkreis im Sinn des § 166 StGB. zu werten; dazu ist noch folgendes zu erwägen: Der nach § 147 Abs 1 Z. 1 StGB. qualifizierte Betrug ist gegenüber der (ausschließlich zum Zweck der Verübung dieses Betrugs begangenen) Urkundenfälschung die spezielle Strafbestimmung, weil sie in der Qualifikationsnorm alle Tatbestandsmerkmale der Urkundenfälschung enthält, vermehrt um den dem Betrug eigenen, auf Irreführung, Schädigung und Bereicherung gerichteten Vorsatz.
Besteht die vom Vorsatz des Täters umfaßte Verwendung der von ihm hergestellten falschen Urkunde im Rechtsverkehr ausschließlich in der betrügerischen Täuschung eines andern, so bleibt für die Anwendung des § 223 Abs 2 StGB.
kein Raum (Leukauf-Steininger2, RN. 37 zu § 147 StGB., RN. 45 und 54 zu § 223 StGB.; LSK 1979/124; insoweit auch wie 9 Os 33/80, LSK 1980/158).
Ist aber das verdrängende Delikt als Betrug im Familienkreis privilegiert und fehlt es zu einer Verfolgung an den formellen Voraussetzungen, wie der nach dem Gesetz erforderlichen Privatanklage oder - wie hier - an der auf einem Verfolgungsantrag des Verletzten beruhenden öffentlichen Anklage gegen den jugendlichen Täter, so kommt eine Bestrafung nach §§ 146, 147 Abs 1 Z. 1 StGB. (weiterhin) nicht in Betracht und es lebt auch die Strafbarkeit des vom Betrug zufolge Spezialität verdrängten Delikts, also der Urkundenfälschung, nicht wieder auf (Burgstaller, Die Scheinkonkurrenzen im Strafrecht, Strafrechtliche Probleme der Gegenwart 6, S. 50 = JBl 1978 S. 465; Leukauf-Steininger2 RN. 20 zu § 166 StGB. und RN. 47 zu § 233 StGB.; insoweit ebenfalls wie 9 Os 33/80, LSK 1980/158).
Da somit im vorliegenden Fall ein im Familienkreis begangener (Urkunden-) Betrug vorliegt, ist eine Verfolgung und Verurteilung (lediglich) wegen - ausschließlich zum Zweck der betrügerischen Täuschung anderer - vorgenommener Urkundenfälschungen nicht möglich, und zwar auch dann nicht, wenn es, wie hier, an einem Antrag des Verletzten gemäß § 43 Abs 1 JGG. auf Verfolgung wegen Begehung eines Betrugs im Familienkreis nach § 166 StGB. fehlt, der für eine öffentliche Anklage gegen den jugendlichen Bruder durch den Staatsanwalt Voraussetzung gewesen wäre (LSK 1980/158). Der Angeklagte war daher in Stattgebung seiner auf § 281 Abs 1 Z. 9 lit b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 259 Z. 1 StPO. freizusprechen.
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
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