Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Margit W***** (richtig:) mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 lit a, 11 dritter Fall FinStrG schuldig erkannt. Danach hat sie „von 26. April 1995 bis 31. März 2000 im Bereich des Zollamts Wien und anderen Tatorten vorsätzlich gewerbsmäßig in mehrfachen Tathandlungen zur Ausführung nachgenannter Finanzvergehen ihres Bruders Dietmar W***** dadurch beigetragen, dass sie für ihn inhaltlich falsche Rechnungen, welche auf Scheinfirmen lauten, unterschrieb, Waren ausführte, Fahrzeuge anmietete, um Transporte zu bewerkstelligen, wobei sie für ihre Tätigkeit stets entlohnt wurde, wobei Dietmar W***** unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine in zu niedriger Festsetzung gelegene Verkürzung bescheidmäßig festzusetzender Abgaben, nämlich der Alkoholsteuer und der Schaumweinsteuer bewirkte, indem er im Rahmen der von ihm unter Falschnamen getätigten Alkohollieferungen das Deklarieren der entsprechenden Verbrauchssteuer unterließ, und zwar für die Zeit vom 26. April 1995 bis 31. März 2000 Alkoholsteuer in Höhe von 97.578,47 Euro und Schaumweinsteuer in Höhe von 67.859,13 Euro". Der strafbestimmende Wertbetrag macht demnach insgesamt 165.437,60 Euro aus.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die Angeklagte mit einer aus Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde.
Das Erstgericht stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Ab dem 26. April 1995 bis zum 31. März 2000 half die Angeklagte ihrem Bruder Dietmar W***** bei dessen Import von Alkoholika nach Österreich und anschließendem Verkauf in Österreich an hier ansässige Unternehmen. Die Durchführung erfolgte nach dem von Dietmar W***** bereits davor entwickelten Tatplan. Dabei stellte sich Dietmar W***** zunächst seinen Abnehmern unter Falschnamen vor. Für die Kontaktaufnahme gab er seinen Kunden eine Telefonnummer bekannt, welche für die von ihm verwendeten Falschnamen ident war. Dietmar W***** nahm die Anrufe unter dieser Nummer nicht unmittelbar entgegen, sondern rief aufgrund einer auf der Mailbox hinterlassenen Nachricht beim Abnehmer zurück. Bei diesem Gespräch wurden dann zu liefernde Ware und Preis vereinbart. In der Folge wurde ein Leih-LKW unter Genehmigung für Auslandsfahrten, insbesondere Deutschland, angemietet, mit welchem die Ware im Ausland eingekauft und sodann ohne zollrechtliche Stellung nach Österreich verbracht und an die Kunden ausgeliefert wurde. Die Bezahlung der den Kunden unter Legung von Rechnungen, ausgestellt jeweils unter dem aktuellen Falschnamen, gelieferten Waren erfolgte bar oder durch Barscheck, welcher auf einem Konto bei der Volksbank Süd-Oststeiermark, deren Kunde Dietmar W***** war, eingelöst wurde. Dietmar W***** erklärte die für diese Alkohol- und Schaumweinlieferungen angefallene Alkoholabgabe und Schaumweinsteuer nicht und führte diese auch nicht ab. Er führte diese Verkäufe unter den Firmen Peter Z*****, Johannes G*****, und Matthias K***** durch. Beginnend mit dem 26. April 1995 erfolgten derart 135 Lieferungen.
Die Angeklagte beteiligte sich an diesen 135 Lieferungen derart, dass sie teilweise die LKW bei den Unternehmen E***** und B***** unter ihrem Namen anmietete, ihren Bruder bei den Fahrten durch Lenkdienste unterstützte, die Waren an die Kunden auslieferte, teils Rechnungen nach seinem Diktat erstellte, teils Rechnungen im Namen der vorgeblichen Rechnungsleger fertigte, die Barschecks sowie das Bargeld übernahm und ihrem Bruder übergab. Bei allen diesen Lieferungen wusste die Angeklagte, dass tatsächlich ihr Bruder diese Geschäfte durchführte und unter Scheinnamen auftrat. Ebenso wusste sie, dass die Verwendung der Falschnamen sowie die namentliche Einschaltung ihrer Person der Verschleierung des tatsächlich wirtschaftlich handelnden Bruders diente. Die Angeklagte war auch in Kenntnis, dass die gesamte Gestaltung der Auftragsabwicklung dazu diente, dass ihr Bruder diese Geschäfte ohne Entrichtung der anfallenden inländischen Steuern und Abgaben, insbesondere der Alkoholabgabe und Schaumweinsteuer, besorgen und im Falle der Entdeckung der Tat persönlich möglichst nicht mit dieser in Verbindung gebracht werden konnte, wobei sie um die tatsächliche Nichterklärung und Nichtentrichtung der anfallenden Steuern und Abgaben wusste. In der Absicht, ihm dies zu ermöglichen, wirkte die Angeklagte auf die geschilderte Weise an den Geschäftsfällen verschleiernd mit, um sich derart „durch die wiederkehrende verschleiernde Mitwirkung" eine fortlaufende, durch zumindest mehrere Wochen wirkende Einnahmequelle zur Befriedigung ihrer persönlichen finanziellen Bedürfnisse zu erschließen (US 2 bis 4). Aus Z 5 erster Fall unangefochten, ist daraus für den Obersten Gerichtshof mit noch hinreichender Deutlichkeit der Wille der Tatrichter zu einer Feststellung des Inhalts zu erkennen, wonach die Angeklagte solcherart ihrem Bruder in qualifizierter Weise die Nichtdeklaration ermöglicht und ihn damit willentlich in seinem darauf gerichteten Tatentschluss bestärkt hat (RIS-Justiz RS0117228).
Im Anschluss daran führte das Schöffengericht wörtlich aus:
„Auf diese 135 Fahrten, von welchen insbesondere solche am 26. April 1995, am 25. April 1996, am 14. März 1997, am 12. März 1998, am 9. März 1999, am 14. Dezember 1999 und letztlich am 31. März 2000 durchgeführt wurden, entfielen die aus dem Spruch ersichtlichen Beträge an Alkoholabgabe und Schaumweinsteuer" (US 4 zweiter Absatz). Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu. Zur Anfechtung des Schuldspruchs
Der Antrag auf „Ladung und Ausforschung des Zeugen Dietmar W*****" (S 53/VI) enthielt - was die Beschwerde selbst einräumt - kein Beweisthema, weshalb die aus Z 4 gerügte Ablehnung des Antrags Verteidigungsrechte nicht geschmälert hat. Ein Beweisthema war im Übrigen auch nicht evident (vgl die zum Beitragsverhalten geständige Verantwortung der Angeklagten S 21 ff und 53/VI iVm S 303 ff/I). Den Antrag ergänzendes Beschwerdevorbringen ist unbeachtlich, denn bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrags ist stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt seiner Stellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen (RIS-Justiz RS0099618). Indem sich die Angeklagte den Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft (auf Vernehmung bestimmter Zeugen, S 53/VI oben), allerdings ausdrücklich zum Beweis dafür anschloss, „dass bis jetzt keine konkreten Zeiten von Tathandlungen nachgewiesen wurden, wann die Angeklagte was hingeliefert hat" (S 53/VI Mitte), bezog sie sich auf keinen für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage erheblichen Umstand. Nicht an der Prozessordnung orientiert ist die Verfahrensrüge, wo sie vom damals gestellten Beweisthema abgeht (so mehrfach BS 3). Soweit den aus Z 5, 9 lit a und 10 erhobenen Einwänden in Betreff der Gewerbsmäßigkeit die Ansicht zu Grunde liegt, es komme darauf an, ob sich die Angeklagte tatsächlich bereichert hat, geht die Beschwerde, welche die vorgebrachte Meinung nicht aus dem Gesetz ableitet, daran vorbei, dass nach § 70 StGB die das Tatverhalten - hier im Sinn der §§ 33 Abs 1, 11 dritter Fall FinStrG - begleitende Absicht des Täters, sich durch ihre wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Merkmal der Gewerbsmäßigkeit ist, weshalb deren rechtliche Bejahung - hier nach § 38 Abs 1 lit a FinStrG - von einer Sachverhaltsgrundlage unabhängig ist, aus der eine tatsächliche Einnahmeerzielung hervorginge. Demnach kann weder von einem Widerspruch (Z 5 dritter Fall) entscheidender, dh für den Schuldspruch und den anzuwendenden Strafsatz bedeutender Feststellungen noch von einer solche Konstatierungen betreffenden Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Beweiswürdigung (zum Wesen dieses Begründungsmangels zB Fabrizy StPO10 § 281 Rz 43) die Rede sein.
Die Beschwerde spricht mit ihrem nicht aus dem Gesetz abgeleiteten Standpunkt (vgl 13 Os 151/03, JBl 2004, 531 [Burgstaller] = SSt 2003/98), dass Gewerbsmäßigkeit eine tatsächliche Einnahmeerzielung zur Voraussetzung habe, diesbezügliche Sachverhaltsannahmen aber nicht vorliegen (nominell Z 9 lit a und 10; inhaltlich Z 10), auch keinen Rechtsfehler mangels Feststellungen (zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 605) prozessförmig an.
Von undeutlicher oder gar fehlender Beweiswürdigung (Z 5 erster oder zweiter Fall) in Betreff der Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit kann, wie letztlich der Beschwerde selbst zu entnehmen ist (BS 6 oben), keine Rede sein (US 5 unten).
Der Einwand der Verwendung substanzloser verba legalia zur Konstatierung der subjektiven Tatseite geht über die dazu getroffenen eingehenden Feststellungen hinweg (US 3 f).
Anzumerken bleibt, dass die Gewerbsmäßigkeitsqualifikation zwar die Absicht des (hier: Beitrags-)Täters erfordert, sich selbst (durch die wiederkehrende Begehung) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Ob er diese unmittelbar aus der Tat oder auf dem Umweg über einen Dritten (etwa in Form von aus Anlass der unterstützenden Tathandlungen gewährten Zuwendungen) erhält, ist jedoch ohne Bedeutung. Auch in letzterem Fall ist nach gefestigter Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0086573) eine unmittelbare wirtschaftliche Folge aus der Tat gegeben.
Zur Anfechtung des Strafausspruchs
Die Beschwerdemeinung (Z 11 zweiter Fall), die Heranziehung des langen Tatzeitraumes als erschwerend verstoße bei gleichzeitiger Annahme von Gewerbsmäßigkeit gegen das Doppelverwertungsverbot, ist unzutreffend, kommt es doch nach § 70 StGB nur auf eine Wiederholungstendenz des Täters, nicht aber auf tatsächlich mehrfache Tatbegehung an.
Im Recht ist die Angeklagte jedoch mit dem Vorbringen, das angefochtene Urteil enthalte keine nachvollziehbaren Berechnungsgrundlagen für den strafbestimmenden Wertbetrag. Da der strafbestimmende Wertbetrag (§ 33 Abs 5 FinStrG) nichts anderes ist als das Ergebnis der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts (Tatsachenebene), der im Urteil den Kriterien der Z 5 (und 5a) des § 281 Abs 1 StPO entsprechend beweiswürdigend fundiert sein muss (Begründungsebene), bedeutet - sofern die Gerichtszuständigkeit dadurch nicht berührt wird (§ 53 FinStrG) - ein Fehlen von Feststellungen zum strafbestimmenden Wertbetrag Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall (Rechtsfehler mangels Feststellungen) und ein Begründungsmangel (oder das Bestehen erheblicher Bedenken) in Betreff der zum strafbestimmenden Wertbetrag konstatierten Tatsachen Nichtigkeit nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 (oder 5a) des § 281 Abs 1 StPO (vgl RIS-Justiz RS0107044; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 670).
Mit Blick auf den strafbestimmenden Wertbetrag darf demnach die Tatsachenebene, um einer Anfechtung aus Z 11 erster Fall iVm Z 5 standzuhalten, weder undeutlich (Z 5 erster Fall) noch in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) sein, die Begründungsebene nicht undeutlich, unvollständig, in sich widersprüchlich, offenbar unzureichend oder aktenwidrig (Z 5 erster bis fünfter Fall). Die erforderlichen Feststellungen können auch durch deutlichen Verweis auf die Richtigkeit des Inhalts einer anderen Urkunde getroffen werden, deren wörtliche Übernahme sich die Urteilsausfertigung solcherart erspart (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 579 mwN). Ungenügend wäre es, bloß auf Beweisergebnisse zu verweisen, ohne eine Feststellung zu treffen.
Im vorliegenden Fall verwiesen die Tatrichter zu ihren (vorstehend wiedergegebenen) Konstatierungen - ersichtlich teils ergänzend (Tatsachenebene), teils fundierend (Beweiswürdigungsebene) - auf bestimmte Erhebungen der Abgabenbehörde (US 4), kamen jedoch, ohne im Urteil darauf einzugehen, zu davon abweichenden Verkürzungsbeträgen. Damit blieb im angefochtenen Urteil undeutlich (Z 5 erster Fall), aufgrund welcher beweiswürdigender Erwägungen das Erstgericht zu welchen - vom Schlussbericht des Zollamts (ON 80) möglicherweise abweichenden - Feststellungen gelangte (vgl insbesondere die dem Urteil entgegenstehenden Angaben des Schlussberichts zu den einzelnen Abgabenarten S 385/V). Damit ist auch nicht erkennbar, ob es sich allenfalls (bloß) zur Berichtigung eines im Schlussbericht angenommenen Rechenfehlers veranlasst sah.
Solcherart ist dem Urteil eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage für den strafbestimmenden Wertbetrag nicht zu entnehmen (hier: Z 11 erster Fall iVm Z 5 erster Fall), was die Beschwerdeführerin zutreffend rügt. Daher war das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und insoweit eine neue Hauptverhandlung anzuordnen. Einer Kassation des von der Nichtigkeit unberührten Schuldspruchs bedarf es auch mit Blick auf § 289 StPO ungeachtet eines (abstrakt) denkbaren Wegfalls der Gerichtszuständigkeit (die auch von der im ersten Rechtsgang nicht ausdrücklich konstatierten Zuständigkeit derselben Finanzbehörde abhängt; § 53 Abs 1 lit b FinStrG) im zweiten Rechtsgang nicht (RIS-Justiz RS0121978; Ratz, WK-StPO § 289 Rz 8). Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Schuldspruch wendet, war sie aus den dazu angeführten Gründen bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Im zweiten Rechtsgang wird das Schöffengericht nach dem Gesagten den strafbestimmenden Wertbetrag nachvollziehbar darzulegen haben.
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