Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Musa S***** (A.) des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, (B.) der Verbrechen der „teils vollendeten, teils versuchten" Vergewaltigung nach §§ 201 Abs 1, 15 StGB und der Vergehen (C.) der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, (D.) der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB und (E.) der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er in Wien
zu A.) Mitte August 2004 Luisa K***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie auf seine Schultern hob, in einen Keller trug, ihren Mund zuhielt, sie aufforderte, nicht zu schreien, sie gegen eine Wand drückte und sie, trotz Gegenwehr und der Aufforderung, dies zu unterlassen, am Oberkörper betastete und unter ihrer Kleidung ihre Brust streichelte;
zu B.) Luisa K***** mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben trotz Gegenwehr und der Aufforderung, dies zu unterlassen, zur Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung
I.) genötigt, und zwar
1.) Ende August/Anfang September 2004, indem er sie in ein Zimmer zerrte, entkleidete, ins Gesicht schlug, ihre Beine auseinander zog und mit ihr zweimal den Beischlaf vollzog;
2.) Ende September/Anfang Oktober 2004, indem er sie zu Boden stieß, ihre Beine festhielt, ihren Rock hochzog, die Unterhose hinunter schob und mit ihr den Beischlaf vollzog;
II.) zu nötigen versucht (§ 15 StGB), und war Mitte August 2004, indem er sie gegen eine Wand drückte, ihr das T-Shirt sowie den BH und die Unterhose auszog, ihren Kopf zur Seite drehte und sie aufforderte, ruhig zu sein, ansonsten würde man sie morgen mit gebrochenem Hals finden, ihr ins Gesicht schlug und Fußtritte versetzte und seinen Penis vaginal und anal in sie einzuführen suchte, was ihm jedoch aufgrund der heftigen Bewegungen der Luisa K***** nicht gelang;
zu C.) im Dezember 2004 Luisa K***** dadurch, dass er mit der Hand auf sie einschlug, was ein Aufplatzen oder Anschwellen der Lippe zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt;
zu D.) im Dezember 2004 Luisa K***** und Olga E***** dadurch, dass er sie für ca. zehn bis fünfzehn Minuten in einem Zimmer einsperrte, wobei er ein Messer mit einer Klingenlänge von ca. 10 cm auf Olga E***** richtete und beide aufforderte, sich niederzusetzen und ruhig zu verhalten und sie beschimpfte, widerrechtlich gefangen gehalten; zu E.) im Dezember Luisa K***** und Olga E***** durch die unter D. angeführte Handlung durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zum Hinsetzen sowie zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme einer Gegenwehr, genötigt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.
Die Mängelrüge behauptet zu den Fakten A. und B. eine unvollständige (Z 5 zweiter Fall), mit sich selbst im Widerspruch stehende (Z 5 dritter Fall) offenbar unzureichende (Z 5 vierter Fall) und „schlichtweg" aktenwidrige (Z 5 letzter Fall) Begründung dafür, dass das Erstgericht den Aussagen der Zeugen aus dem russischen bzw tschetschenischen Personenkreis, die in der Hauptverhandlung für den Angeklagten günstige Angaben machten, „als unglaubwürdig kein Gewicht beimaß" und (dieser Beschwerdebehauptung widersprechend) „diese günstigen Aussagen daher unberücksichtigt ließ". Eine derart globale Unglaubwürdigkeitsfeststellung widerspreche den Grundsätzen eines fairen Verfahrens (Art 6 EMRK).
Die behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor.
Entgegen der Beschwerde erfolgte keineswegs ein pauschales Abtun der von der Beschwerde genannten Zeugen. Die Erwägung, dass diese Zeugen in der Hauptverhandlung teilweise von ihren im Vorverfahren gemachten Aussagen abweichende, für den Angeklagten günstigere Angaben machten, wozu sie beeinflusst wurden (S 545), ist nämlich, wie aus dem Text ersichtlich („... aus den nachfolgenden dargestellten Gründen ..."), bloß eine vorangestellte Zusammenfassung der umfänglichen (S 445 bis 459), akribischen auf alle erheblichen (§ 254 Abs 1 StPO) Angaben der Zeugen Luisa K***** und Olga E*****, Luisa A***** und Khan I***** eingehenden beweiswürdigenden Erwägungen. Zufolge der Verpflichtung zur gedrängten Darstellung der Gründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht jedoch nicht verhalten, auf unbedeutende Details der Aussagen einzugehen (ob der Angeklagte der „erste Mann" des Opfers war, über den Leumund des Angeklagten, über ihn betreffenden Neid „wegen seines schönen Körpers", ob die Mutter der Angeklagten ihren Liebhaber zwecks Intervention beim Opfer angerufen habe, über die Ankündigung einer Belohnung für eine Anzeige wegen Vergewaltigung) einzugehen.
Die behauptete Unvollständigkeit liegt daher nicht vor, desgleichen aber auch keine offenbar unzureichende Begründung, zumal diese logisch deduziert ist und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widerspricht. Weshalb sie in sich widersprüchlich sein soll, bleibt unerfindlich, desgleichen die behauptete, nicht jedoch dargelegte Aktenwidrigkeit. Eine solche wird nämlich nicht durch Schlüsse der Tatrichter, sondern durch unrichtige Zitierung von Aussage- oder Urkundeninhalten begründet.
Schließlich lässt auch das auf eigenen spekulativen Erwägungen der Beschwerde gestützte Vorbringen, dem Zeugen Mag. Sa***** könne Objektivität nicht unterstellt werden, und die Zeugin Veronika H***** hätte keine eigenen Wahrnehmungen widergeben können, einen Verfahrensmangel nicht erkennen.
Zum Faktum D. behauptet die Beschwerde eine Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht das Beweisergebnis, dass der Schlüssel an der Tür steckte und die Zeugin Olga E***** auch selber aufsperrte, unberücksichtigt gelassen hätte. Sie lässt dabei unbeachtet, dass der genannte Umstand im Hinblick auf die weitere Tathandlung des Angeklagten (Bedrohung der Zeuginnen K***** und E***** mit einem Messer verbunden mit der Aufforderung, sich niederzusetzen und ruhig zu verhalten) eine Benützung des Schlüssels verhinderte. Im Übrigen hat nach Anklopfen durch Beslan Az***** der Angeklagte und nicht die Zeugin E***** (S 445) die Tür geöffnet. Zum Vorwurf eines mangels ausreichender Begründung vorliegenden Verstoßes gegen Art 6 EMRK genügt es darauf hinzuweisen, dass die für ein faires Verfahren vorausgesetzte (vgl Grabenwarter, EMRK² § 24 Rz 60, 66) Begründungspflicht strafgerichtlicher Entscheidungen zur Schuldfrage durch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO gesichert ist, die Beschwerde aber - wie bereits dargelegt - keinen Begründungsmangel iS dieser Bestimmung aufzuzeigen vermochte. Die Rechtsausführungen der Beschwerde nach Z 9 lit a und Z 10 monieren das Fehlen von Feststellungen, ob und wieweit die Ausübung von schwerer Gewalt gegen Luisa K***** vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war, und darüber, worin es die Ausübung schwerer Gewalt bei den einzelnen Urteilsfakten erblickt.
Die Rüge übersieht, dass dem Angeklagten die Ausübung schwerer Gewalt (Fassung des § 201 Abs 1 StGB vor BGBl I 2004/15) nicht zur Last gelegt wurde, und wendet sich somit einen solcherart gar nicht ergangenen Schuldspruch.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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