Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Gerhard S***** wurde mit dem angefochtenen Urteil der Verbrechen des Raubes nach §142 Abs 1 StGB (1.) und des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 1 und 4, 130 zweiter Satz erster Fall StGB (2.) sowie des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffenG (3.) schuldig erkannt.
Ihm liegt zur Last, am 23.November 1995 einer 83-jährigen, stark gehbehinderten Frau mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz die um den Hals gehängte Handtasche (mit unter anderem ca 470 S Bargeld) durch heftiges Ziehen mit Gewalt entrissen zu haben (1.). Ferner wird ihm angelastet, zwischen Mitte August und 23.November 1995 mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung (von Bedrängnisdiebstählen) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, unbekannten Unterstandslosen in mehreren Angriffen ca 35.000 S Bargeld weggenommen zu haben, wobei er die durch schwere Alkoholisierung verursachte Hilflosigkeit der Bestohlenen ausgenützt hat (2.). Letztlich wurde er schuldig erkannt, ab Sommer bis 23.November 1995, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt einen Tränengasspray besessen zu haben (3.).
Den Schuldsprüchen zu 2. und 3. des Urteilsspruchs liegt der stimmeneinhellige Wahrspruch zu den Hauptfragen 2. und 3., dem Schuldspruch wegen Raubes zu 1. die stimmenmehrheitliche Bejahung der Hauptfrage 1. mit der Beschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) zugrunde, daß die Passagen "wodurch die Genannte zu Boden fiel" und "wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung der Dr.Wera G*****, nämlich eine Fraktur des rechten Oberschenkels nächst dem Kniegelenk verbunden mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatte" zu entfallen haben.
Rechtliche Beurteilung
Die auf § 345 Abs 1 Z 6, 12 (zu 1. und 2.) und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Die Stellung einer uneigentlichen Zusatzfrage (§ 316 StPO; zuletzt 13 Os 113/95) nach dem Vorliegen minderschweren Raubes ist nicht indiziert (Z 6).
Der Beurteilung nach § 142 Abs 2 StGB ist ein strenger, objektiv-individualisierender Maßstab zugrunde zu legen, wobei aus deliktsspezifischer Sicht auf die persönliche Beschaffenheit des Raubopfers Bedacht zu nehmen und zu prüfen ist, ob dessen Belastung im Vergleich zu Durchschnittsfällen nur geringfügig war. Gegenüber hilflosen Personen genügt regelmäßig schon ein geringes Maß an Gewalt, um diese als erheblich zu werten (Kienapfel BT II3, § 142 RN 109,110; 13 Os 11-13/90, 13 Os 13/95). Im vorliegenden Fall war das Raubopfer bereits mehr als 83 Jahre alt, stark gehbehindert (durch Krücken) und durch das Tragen von Taschen in ihrer Bewegung zusätzlich beeinträchtigt (S 57, 280 ff). Die zum Entreißen einer an einer Schlaufe um den Hals getragenen, relativ schweren (S 277) Handtasche erforderliche Gewaltanwendung durch (wiederholtes, S 283 f) heftiges Ziehen ist nach der Beschaffenheit des Opfers im Sinne des dargestellten objektiv-individualisierenden Maßstabes erheblich.
Des weiteren ergab das Beweisverfahren keinen Hinweis auf eine volle Berauschung (§ 287 Abs 1 StGB) des Angeklagten zur Tatzeit der gewersmäßigen schweren Diebstähle (2.). Dies kann auch aus der Verantwortung des Angeklagten, mit den Bestohlenen vor den Taten "mitgetrunken" zu haben (S 269), nicht abgeleitet werden. Die jeweils gleiche zielgerichtete Vorgangsweise spricht bereits gegen die Annahme einer Volltrunkenheit des Angeklagten. Die reklamierte Eventualfragen nach selbstverschuldeter voller Berauschung war somit ebensowenig wie eine (bei Einhaltung des Drei-Fragen-Schemas; Mayerhofer/Rieder3 § 314 StPO; ENr 73 vorangehende) Zusatzfrage nach § 11 StGB indiziert.
Ferner stand es den Geschworenen frei, die Hilflosigkeit der Bestohlenen sowie die Gewerbsmäßigkeit der schweren Diebstähle durch entsprechend einschränkende Bejahung der Hauptfrage 2. auszuschließen. Sie wurden über die Möglichkeit nur teilweiser Bejahung einer Frage (§ 330 Abs 2 StPO) sowohl in der Belehrung gemäß § 325 Abs 2 StPO als auch in der Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) instruiert.
Welche Tatsachen in einer Frage zusammen- zufassen oder zum Gegenstand besonderer Fragen zu machen sind, bleibt der Beurteilung des Schwurgerichtshofes im einzelnen Fall überlassen (§ 317 Abs 2 StPO). Den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider war daher die Stellung von Zusatzfragen nach den Qualifikationen gemäß § 128 Abs 1 Z 1 und 130 zweiter Fall StGB zur (demnach auf den Grundtatbestand des § 127 StGB und die Qualifikation nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB zu beschränkenden) Hauptfrage 2. nicht geboten.
Die zu 1. erhobene Subsumtionsrüge (Z 12) entspricht nicht den formalrechtlichen Voraussetzungen, gründet sich doch die Behauptung eines Rechtsirrtums des Erstgerichtes (§ 142 Abs 1 und nicht wie angestrebt Abs 2 StGB) auf die dem Wahrspruch fremde Annahme, der Raub sei ohne Anwendung erheblicher Gewalt verübt worden.
Entgegen den Ausführungen zu 2. ist die Qualifikation des § 128 Abs 1 Z 4 StGB nicht nur gegeben, wenn der Wert des Diebsgutes im Einzelfall 25.000 S übersteigt, sondern auch dann, wenn durch die Summe der Werte des Diebsgutes aus mehreren Diebstählen diese Grenze überschritten wird (§ 29 StGB).
Die Strafzumessungsrüge (Z 13) behauptet eine Verletzung des Doppelverwertungsverbotes infolge Annahme des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens zweier Verbrechen mit einem Vergehen. Anders als in dem von der Beschwerde zitierten Fall (15 Os 1/93) wurde über den Angeklagten für die realkonkurrierenden Straftaten in rechtsrichtiger Anwendung des Absorptionsprinzips (§ 28 Abs 1 StGB) nur eine einzige (Freiheits-)Strafe verhängt und keine Strafenkumulation vorgenommen. Die Annahme des im § 33 Z 1 StGB angeführten Erschwerungsgrundes ist somit gesetzmäßig.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) zu sieben Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend zahlreiche einschlägige, die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllende Vorstrafen, einen raschen Rückfall, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen sowie die mehrfache Qualifikation nach § 128 Abs 1 StGB, als mildernd hingegen ein Teilgeständnis zum Raub, das volle, reumütige Geständnis zu den übrigen dem Angeklagten angelasteten Straftaten, wobei er zu 2. des Schuldspruches wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, sowie die Sicherstellung der Raubbeute.
Die eine Strafherabsetzung anstrebende Berufung des Angeklagten ist im Ergebnis berechtigt.
Zwar ist nach der Aktenlage beim Raub keineswegs davon auszugehen, daß der Angeklagte einer besonders verlockenden Gelegenheit unterlegen wäre. Ebensowenig kann im Fall gewerbsmäßigen schweren Diebstahls die Trennung von einer Lebensgefährtin und das Fühlen momentaner finanzieller Ausweglosigkeit strafmildernd wirken. Demgegenüber wurde allein schon im Hinblick auf das nur etwa sieben Monate nach dem letzten Strafvollzug wegen eines Vermögensdeliktes (zu 12 f Vr 4925/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) begangene Verbrechen des Raubes vom Geschworenengericht zu Recht ein rascher Rückfall als erschwerend gewertet. Im Hinblick auf die Dauer bisher verbüßter Strafen, insbesondere aber unter Bedachtnahme auf die vom Geschworenengericht festgestellten gewichtigen Milderungsgründe ist jedoch die aus dem Spruch ersichtliche Strafreduzierung gerechtfertigt.
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