Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem einstimmigen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden (auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden) Urteil wurde Azaiez B***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er am 5.August 1994 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem bisher nicht ausgeforschten Mittäter unter Verwendung einer Pistole als Waffe der Kassierin des Konsum-Marktes in Wien 14, Flötzersteig 119, die die Täter am Hals packten und mit der dort angehaltenen Pistole bedrohten, ca 8.000 S Bargeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegnahm.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6, 9, 10 a, 11 lit a und 12 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.
Das Unterbleiben der Stellung von Eventualfragen nach dem (unqualifizierten) Verbrechen des Raubes gemäß § 142 Abs 1 StGB und des (minderschweren) Raubes gemäß § 142 Abs 2 StGB sowie von Zusatzfragen in Richtung § 10 StGB (einschließlich der Unzumutbarkeit des rechtmäßigen Verhaltens) rügt die Beschwerde als Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung (Z 6); indes zu Unrecht.
Eine Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO ist nur für den Fall zu stellen, daß in der Hauptverhandlung vorgebrachte Tatsachen die Annahme indzieren, es liege an Stelle des angeklagten vollendeten Verbrechens oder Vergehens der Versuch dieser Tat vor, der Angeklagte wäre nicht als unmittelbarer Täter sondern als Beitragstäter anzusehen oder daß die Tat unter ein anderes Strafgesetz fallen würde, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Bei Beantwortung einer das Grunddelikt in qualifizierter Form beschreibenden Hauptfrage können die Geschworenen ihre allfällige Überzeugung, daß zwar dieses, nicht jedoch die dargestellte Qualifikation verwirklicht sei, durch die auf das Grunddelikt eingeschränkte Bejahung der Hauptfrage, nicht aber durch deren Verneinung zum Ausdruck bringen. Die Geschworenen wurden über die Möglichkeit der Qualifikationsausschaltung gemäß § 321 StPO schriftlich ebenso belehrt wie in der allgemeinen Rechtsbelehrung nach § 325 Abs 1 und 2 StPO (StPO-Form RMB 1), in welcher unter Verwendung des Wortlautes des § 330 Abs 2 StPO die Möglichkeit der Beantwortung der Hauptfrage mit einer Beschränkung dargestellt wurde.
Ob bei einer Hauptfrage wegen Raubes auch die Voraussetzungen des § 142 Abs 2 StGB vorliegen, ist, weil dadurch ein strafsatzändernder Umstand berührt wird, Gegenstand einer Zusatzfrage nach § 316 StPO, nicht aber einer Eventualfrage gemäß § 314 StPO (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 314 ENr 14 a). Eine solche Fragestellung war jedoch insbesondere im Hinblick auf die Verfahrensergebnisse zur Intensität der angewendeten Gewalt (S 456/I ff) und den Wert der Raubbeute (8.000 S Bargeld) nicht indiziert.
Insbesondere liegt die Höhe der Raubbeute mehrfach über den nach ständiger Judikatur angenommenen geringen Wert (Mayerhofer-Rieder, StGB4, § 142 ENr 49 ff).
Zusatzfragen gemäß § 313 StPO sind nur dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, die, werden sie als erwiesen angenommen, die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben. Der Angeklagte hat sich jedoch in der Hauptverhandlung lediglich damit verantwortet, er habe, als sein Mittäter die Kassierin mit der Waffe bedrohte, Angst gehabt (S 451/I), weil er nicht wußte, was jener in diesem Augenblick machen würde. Hätte er das Geld nicht aus der Kasse genommen, hätte dieser ihm vielleicht mit der Pistole etwas angetan (S 454/I). Mit einer tatsächlichen konkreten Bedrohung hat sich der Angeklagte jedoch nicht verantwortet. Das mit der (am Halse angehaltenen) Waffe bedrohte Raubopfer bekundete in diesem Zusammenhang, es sei sich sicher, daß die beiden Räuber während der Tat nichts miteinander gesprochen haben (S 457, 459/I). Bereits daraus erhellt, daß ein Indiz dafür, daß der Angeklagte zur Zeit der Tatverübung vom Mittäter überraschend bedroht wurde, nicht vorliegt.
Entschuldigender Notstand nach § 10 StGB schließt die Schuld des Täters einer mit Strafe bedrohten Handlung aus, wenn dieser damit einen unmittelbar drohenden bedeutenden Nachteil für sich oder einen anderen abzuwenden gewillt ist. Ein unmittelbar drohender bedeutender Nachteil wurde vom Beschwerdeführer weder behauptet noch hat er sich vor dem Tatgericht in dieser Richtung verantwortet, weshalb begründetermaßen eine darauf gerichtete Zusatzfrage nicht gestellt wurde. Auch die Unzumutbarkeit des rechtmäßigen Verhaltens betrifft den Entschuldigungsgrund des § 10 StGB (Mayerhofer-Rieder, StGB4, § 10 Anm 1; Leukauf-Steininger, Komm3, § 3 RN 50) und vermag im Hinblick auf die soeben dargestellten Kriterien ebensowenig die Stellung einer Zusatzfrage zu indizieren.
Die Rüge der Fragebeantwortung (Z 9) behauptet Widersprüchlichkeit des Wahrspruchs, weil die Geschworenen beim Angeklagten und seinem Mittäter die Verwendung einer Waffe beim Raub angenommen haben, obwohl das Beweisverfahren eine Waffenverwendung nur durch den Mittäter ergeben habe.
Dieser Nichtigkeitsgrund wird nur hergestellt, wenn der behauptete Mangel aus dem Wahrspruch selbst und nicht erst aus einem Vergleich mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens hervorgeht (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 345 Z 9 E 6). Die dem Angeklagten angelastete Mittäterschaft betrifft seine Mitwirkung an der Wegnahme des Bargeldes im bewußten und gewollten Zuammenwirken mit dem bisher nicht ausgeforschten Mittäter bei der Tatausführung. Dabei hat jeder Täter den gesamten Erfolg der Tat zu vertreten, hat er selbst im Sinne eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens auch nur einen Teil der Ausführungshandlungen gesetzt. Der Wahrspruch der Geschworenen geht davon aus, daß der Beschwerdeführer bei seiner Mitwirkung die Verwendung der Waffe durch den Mittäter gebilligt hat. Es wurde ihm daher zu Recht die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB angelastet. Damit ist der Wahrspruch der Geschworenen aber entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen keineswegs in sich widersprüchlich.
Die Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Auch sie vernachlässigt die Mittäterschaft des Angeklagten im Sinn des § 12 erster Fall StGB. Es ist deswegen nicht erheblich, wer von den Tätern jeweils welche Ausführungshandlung setzte. Angesichts des Geständnisses des Angeklagten zu den von ihm ausgeführten Tathandlungen (Entnahme der Beute aus der Kassenlade, S 452/I; vgl in diesem Zusammenhang auch die Zeugenaussage H*****, nach der kein Gespräch, somit auch keines in Richtung versuchten Abhaltens von der weiteren Ausführung des Raubes zwischen den Angeklagten und seinem Mittäter während der Tat geführt wurde, S 457, 459/I) war auch unter dem Gesichtspunkt des § 345 Abs 1 Z 6 StPO keineswegs die Stellung einer Eventualfrage nach dem Vergehen gemäß § 286 Abs 1 StGB indiziert.
Die Rechtsrügen (Z 11 lit a und 12) erweisen sich zur Gänze als nicht gesetzmäßig ausgeführt. Der Beschwerdeführer stützt sie nicht auf die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen insbesondere zur subjektiven Tatseite, sondern greift ein weiteres Mal auf seine Verantwortung zurück, die nach den Beschwerdeintentionen zu einem für ihn günstigeren Verfahrensergebnis oder überhaupt zu einem Freispruch hätte führen müssen. Die Ausführung der Rechtsrüge setzt jedoch das Festhalten an dem im Wahrspruch konstatierten Sachverhalt voraus. Ein Abweichen davon verletzt die dafür in den Verfahrensgesetzen aufgestellten Erfordernisse.
Die unberechtigte, teils auch nicht prozeßordnungsgemäß dargestellte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten (unter Anrechnung der Vorhaft) zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, wobei kein Umstand als erschwerend, als mildernd jedoch der bisher ordentliche Lebenswandel und das Tatsachengeständnis gewertet wurden. Die dagegen vom Angeklagten erhobene Berufung reklamiert die Anwendung des § 41 StGB und strebt auf dieser Basis Strafherabsetzung an.
Auch sie geht den unzweideutigen Feststellungen des Wahrspruches zuwider davon aus, der Angeklagte hätte nicht für die Waffenverwendung beim Raub einzustehen, nur aus Angst um sein Leben an der Tat mitgewirkt und es wäre ihm lediglich die Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung anzulasten.
Die Berufung läßt ferner außer acht, daß auch eine entferntere Tatbeteiligung des Angeklagten nicht angenommen werden kann, weil dieser nach seiner eigenen Verantwortung das Geld aus der Kassenlade genommen hat (S 452/I).
Des weiteren vernachlässigt sie, daß ein Geständnis zur subjektiven Tatseite nicht vorliegt.
Dazu kommt, daß es das Erstgericht unterlassen hat, den Umstand, daß das Raubopfer im Zuge der Tat Todesängste auszustehen hatte (S 457, 458/I) als besonders ins Gewicht fallenden Erschwerungsgrund wahrzunehmen. Unter diesem Aspekt ist ein Unterschreiten der vom Geschworenengericht verhängten gesetzlichen Mindeststrafe nicht möglich, weshalb auch die Berufung erfolglos bleiben mußte.
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