OGH 13Os106/98

OGH13Os106/9816.10.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Rouschal, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Fitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef L***** wegen des Verbrechens des Mißbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. März 1998, GZ 18 Vr 72/98-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, der Staatsanwältin Mag. Fuchs, des Angeklagten Josef L***** und des Verteidigers Dr.Wilfried Aichinger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Text

Gründe:

Josef L***** wurde mit dem angefochtenen Urteil von der Anklage, in der Zeit vom 22. Jänner 1996 bis 11. Juni 1997 in Pörtschach in 51 Fällen als Gendarmeriebeamter mit dem Vorsatz, den Staat an seinem Recht auf Verwertung personenbezogener Daten im automationsunterstützten Datenverkehr im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung und die Betroffenen an ihren im § 1 DSG normierten Datenschutz zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er § 7 Abs 1 Z 1 und 2 DSG sowie § 6 Abs 7 und 8 der Datenschutzverordnung des Bundesministeriums für Inneres (BGBl Nr 317/1987 idgF) zuwider für private Zwecke Daten aus dem Kraftfahrzeugzentralregister erhob und das Ergebnis verwertete, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Schöffengerichtes versah der Angeklagte ab Juli 1993 als Gendarmeriebeamter beim Posten Pörtschach Dienst. Er war berechtigt, unter Verwendung einer der Dienststelle zugewiesenen Codenummer automationsunterstützt verarbeitete Daten im Kraftfahrzeugzentralregister des Bundesministeriums für Inneres abzufragen wußte, daß diese der Geheimhaltung unterliegen und solche Abfragen nur im dienstlichen Interesse vorgenommen werden dürfen.

Da er sich die Arbeit als nebenberuflicher Mitarbeiter eines Versicherungsunternehmens bei der Anboterstellung von Kraftfahrzeugversicherungen und der Tarifanpassung bestehender Versicherungsverträge erleichtern wollte, entschloß er sich Anfang 1996, dem Kraftfahr- zeugzentralregister dazu notwendige Fahrgestellnummern zu entnehmen, um solche Daten nicht von den Kunden selbst oder dem Versicherungsunternehmen einholen zu müssen. Im von der Anklage umfaßten Zeitraum führte er insgesamt 51 Datenerhebungen aus dem Kraftfahrzeugzentralregister ohne dienstlichen Anlaß durch.

Bei den vom Angeklagten erstellten Versicherungsanboten setzte er die solchermaßen eruierten Fahrgestellnummern in die Anträge ein und legte sie den Kunden zur Unterfertigung vor. Überdies bereitete er auch Anpassungen bestehender Verträge an die günstigsten Tarife vor. Er entnahm dazu den Agenturlisten des Versicherungsunternehmens persönliche Daten sowie Kraftfahrzeugkennzeichen und dem Kraftfahrzeugzentralregister die (der Versicherung schon bekannten) Fahrgestellnummern. Zwei Kunden waren bei der Abfrage von Daten ihrer Fahrzeuge anwesend.

Darüber hinaus führte er für sich selbst Abfragen im Kraftfahrzeugzentralregister durch - einmal auch bezüglich seiner geschiedenen Gattin -, um zu erfahren, ob sie noch an seiner Adresse gemeldet sei. Auf Ersuchen einer Kundin überprüfte er Registerdaten, um sie berichtigen zu können, nach Heirat einer anderen erhob er im Register Wohnort und Namen (US 4 f).

Abgefragte Daten gab der Angeklagte nur in jenen Fällen an das Versicherungsunternehmen weiter, in denen die Kunden einen Versicherungsantrag unterfertigten.

Nach den weiteren lediglich in Richtung von § 302 StGB angestellten Überlegungen der Tatrichter wollte der Angeklagte keinen Kunden an seinem Recht auf Geheimhaltung seiner Daten schädigen, sondern sich lediglich die Arbeit als Versicherungsberater erleichtern und den Ablauf für die Kunden schneller und einfacher gestalten.

Rechtlich wurde dieses Verhalten als wissentlicher Befugnismißbrauch ohne Verletzung eines konkreten staatlichen Rechtes beurteilt. Die Weitergabe personen- bezogener Daten an nicht Berechtigte erachtete das Erstgericht mangels darauf gerichteten Schädigungsvorsatzes als nicht strafbare Verletzung des im § 1 DSG verankerten Grundrechtes auf Datenschutz.

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdemeinung, zur Beurteilung der inneren Tatseite des Verbrechens nach § 302 Abs 1 StGB seien Feststellungen zu einem Schädigungsvorsatz des Angeklagten in bezug auf konkrete staatliche Rechte geboten gewesen, geht an den ausdrücklichen Urteilsfeststellungen vorbei, daß der Angeklagte erhobene Daten nicht an Unberechtigte weitergab, sondern dies durch die Unterfertigung der die Daten enthaltenden Versicherungsanträge durch die Betroffenen selbst erfolgte und solche Daten (bei Prämien, Anpassungen) der Versicherung von den Betroffenen bereits bekanntgegeben waren (US 4 und 5).

Bei unbefugter Ermittlung und Weitergabe von Daten aus dem Kraftfahrzeugzentralregister an Unberechtigte (hier ausdrücklich nicht vom Vorsatz erfaßt, siehe oben) kann § 302 Abs 1 StGB in Betracht kommen (10 Os 193/84 = SSt 56/11, EvBl 1994/164, 15 Os 20/96, 12 Os 182/97).

Insoweit entbehrt die Nichtigkeitsbeschwerde somit der formalrechtlich vorausgesetzten Darstellung.

Zutreffend rügt die Staatsanwaltschaft jedoch, daß eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Vergehens der Verletzung eines Amtsgeheimnisses nach § 310 Abs 1 StGB vom Erstgericht nicht geprüft wurde.

Den materiellen Geheimnisbegriff dieser Bestimmung (Leukauf-Steininger Komm3 § 310 RN 5) erfüllen auch jene im Kraftfahrzeugzentralregister gespeicherten Daten, die dem Versicherungsunternehmen vorlagen, dem Angeklagten aber nicht mitgeteilt, sondern durch die unbefugte Ausnützung dienstlicher Möglichkeiten zugänglich wurden (EvBl 1980/80). Aus den gesetzlichen Beschränkungen der Auskunfterteilung bloß an Organe von Gebietskörperschaften und gesetzliche Interessenvertretungen zur Aufgabenwahr- nehmung (§ 47 Abs 2 und 4 KFG) oder hinsichtlich bestimmter Daten nur unter konkreten Voraussetzungen an Private (§ 47 Abs 2a KFG) folgt das evident der Mißbrauchsgefahr begegnende öffentliche Interesse, eine darüber hinausgehende private Nutzung der behördlichen Zulassungsevidenzen auszuschließen (12 Os 182/97). Der Datenverschluß dient unmittelbar auch der Hintanhaltung von Manipulationen der der Kraftfahrzeugidentifikation dienenden Daten (wie etwa der Fahrgestellnummern) insbesondere im Zusammenhang mit Diebstahl und Hehlerei solcher Fahrzeuge.

Zudem kann im gegebenen Zusammenhang trotz theoretisch möglicher (aufwendigerer) Wege zur legalen Beschaffung der Daten auch privates Interesse an der Wahrung des Amtsgeheimnisses nicht ausgeschlossen werden, wie etwa jenes der Betroffenen selbst, die nach den tatrichterlichen Feststellungen der Datenerhebung (ausgenommen in zwei Fällen) durch den Angeklagten keineswegs vor der Abfrage zugestimmt haben.

Eine Verwendung der Fahrgestellnummer zur Verfassung unterschriftsreifer Angebote neuer oder günstigerer Versicherungsverträge ist als Geheimnisverwertung zu beurteilen (Leukauf-Steininger aaO RN 10).

Die getroffenen Feststellungen lassen eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht zu, weil ein Benützen ermittelter Daten in einigen Fällen offenbleibt (US 4 vierter bis sechster Absatz) sowie nicht alle subjektiven Voraussetzungen des Vergehens nach § 310 Abs 1 StGB (Leukauf-Steininger aaO RN 12) vom Erstgericht in Erwägungen gezogen wurden.

Die Erwägungen der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO zur Stellungnahme der Generalprokuratur zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Eröffnung eines Geheimnisses gehen, weil ausschließlich an Literatur und Judikatur zu § 121 StGB orientiert, an der Sache vorbei. Soweit sie die Annahme des Vergehens nach § 310 StGB ablehnt, argumentiert sie auf Grundlage der Beweisergebnisse und nicht der erstrichterlichen Feststellungen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war somit Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

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