European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00104.21Z.1214.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im ***** H***** betreffenden Einziehungserkenntnis, soweit sich dieses auf die Standblätter „591/21“ (ON 84), Position 1 („1 elektrische Zigarette mit Cannabisanhaftung“), sowie „590/21“ (ON 83), Positionen 1 („1 Cannabisjoint angeraucht“), 2 („3 Cannabisjoints, angeraucht“), 17 („1 Glasflasche mit klarer Flüssigkeit [Methadon] 66,38 g brutto“), 19 („150 g brutto Cannabiskraut“), 20 („130,77 g brutto Cannabiskraut“), 26 („1,42 g netto Cannabiskraut-Tabakmischung“), 27 („0,1 g Cannabiskraut inkl. Plastikverpackung“), 30 („1 Glasflasche mit Flüssigkeit [Methadon – 59,34 g brutto]“), 31 („1 Plastikdose mit blauem Deckel mit Methadon [30,35 g brutto]“), 35 („21 Stk XTC Tabletten rot“), 37 („22 Stk XTC Tabletten blau“) und 40 („3.898,8 g Cannabiskraut brutto“), bezieht, sowie in den ***** K***** und ***** H***** betreffenden Konfiskationserkenntnissen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten ***** K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden ***** K***** (zu A) und ***** H***** (zu B) jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter (und dritter) Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A I und B I) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A II und B II) schuldig erkannt.
[2] Danach haben in S***** und an anderen Orten vom Jahr 2015 bis zum 20. Jänner 2021 mit auf Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtetem Vorsatz, der auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt umfasste, vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25‑Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge
(A) ***** K*****
I) aus- und eingeführt, und zwar insgesamt 9.978 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 1.214,32 Gramm Heroin‑Base und 3.517 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 1.124,03 Gramm Kokain‑Base, indem er das Suchtgift wiederholt teils selbst mit einem Fahrzeug von Slowenien nach Österreich transportierte (§ 12 erster Fall) und teils unbekannte Täter durch Auftragserteilung und Bestellung zur Durchführung solcher Transporte veranlasste (§ 12 zweiter Fall StGB), und
II) anderen überlassen, indem er wiederholt insgesamt 6.110 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 743,59 Gramm Heroin‑Base sowie das zu A I angeführte Kokain an ***** H***** und einen anderen Abnehmer verkaufte, sowie
(B) ***** H*****
I) aus- und eingeführt, und zwar insgesamt 6.110 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 743,59 Gramm Heroin‑Base und 3.510 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 1.121,79 Gramm Kokain‑Base, indem er ***** K***** wiederholt durch Auftragserteilung und Bestellung zu Suchtgifttransporten von Slowenien nach Österreich veranlasste (§ 12 zweiter Fall StGB), und
II) anderen überlassen, indem er wiederholt insgesamt 4.112 Gramm Heroin mit einer Reinsubstanz von 390,22 Gramm Heroin‑Base und 2.430 Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von 776,62 Gramm Kokain‑Base an im Urteil namentlich genannte und an unbekannte Suchtgiftabnehmer verkaufte.
[3] Gegen den Schuldspruch A richtet sich die auf Z 3 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*****.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die Verfahrensrüge (Z 3), die einen Verstoß gegen § 250 Abs 2 StPO geltend macht, entfernt sich von der Aktenlage.
[5] Nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung hat die Vorsitzende den Beschwerdeführer nämlich ausdrücklich mit den wesentlichen, seiner Verantwortung widersprechenden Angaben des Mitangeklagten H***** (ON 100 S 3 f iVm ON 41 S 123 ff) konfrontiert (ON 100 S 16).
[6] Sofern die Beschwerde dahin zu verstehen ist, dass diese Information zu wenig detailliert gewesen sei, verkennt sie, dass sich die von § 250 Abs 2 StPO (iVm § 250 Abs 1 letzter Satz StPO) verlangte Mitteilung auf die wesentlichen Aspekte beschränken kann, zumal es der Verteidigung freisteht, auf eine ihr notwendig erscheinende ergänzende Information des Angeklagten hinzuwirken (Kirchbacher, WK‑StPO § 250 Rz 9 mwN).
[7] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[8] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – im Einziehungserkenntnis dem Angeklagten H***** und in den Konfiskationserkenntnissen beiden Angeklagten zum Nachteil gereichende, jeweils nicht geltend gemachte, materielle Nichtigkeit anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
Zum Einziehungserkenntnis:
[9] „Gemäß dem § 34 SMG iVm § 26 Abs 1 StGB“ ordnete das Schöffengericht „bei den Angeklagten“ die Einziehung des „sichergestellte[n] Suchtgift[s] laut den Standblättern 589/21, 590/21 und 591/21“ an (US 3).
[10] Um der Einziehung – nach § 26 Abs 1 StGB oder nach § 34 Abs 1 SMG (iVm § 26 StGB) – zu unterliegen, muss der betreffende Gegenstand mit einer (vom Schuldspruch umfassten oder sonstigen Anlass-)Tat derart in Verbindung stehen, dass er vom Täter zu deren Begehung verwendet wurde, zur Verwendung bei deren Begehung bestimmt worden war oder durch die Anlasstat hervorgebracht wurde (eingehend jüngst 13 Os 69/20a, Ratz in WK2 StGB § 26 Rz 3 ff, Hinterhofer in Hinterhofer SMG2 § 34 Rz 13 ff, Schwaighofer in WK2 SMG § 34 Rz 6 f, vgl auch RIS‑Justiz RS0088115 [T3]).
[11] Das Erstgericht ging zwar mit (gerade noch) hinreichender Deutlichkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) davon aus, dass es sich bei dem – vorliegend durch den Verweis auf die Standblätter „589/21, 590/21 und 591/21“ ausreichend determinierten (vgl RIS‑Justiz RS0121298 [T9]) – „sichergestellten Suchtgift“ um jenes Suchtgift (Heroin und Kokain) handelt, das die beiden Angeklagten zur Begehung der von den Schuldsprüchen A und B (wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter [und dritter] sowie fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG) umfassten Taten verwendet hatten (US 6 ff und 24).
[12] Ob das weitere von der – den Angeklagten ***** H***** betreffenden – Einziehung umfasste „Suchtgift“ (ON 84, Position 1 sowie ON 83, Positionen 1, 2, 17, 19, 20, 26, 27, 30, 31, 35, 37 und 40) eine der genannten Voraussetzungen erfüllt, ist dem Ersturteil aber nicht zu entnehmen. Insoweit wurde daher die Anordnungsbefugnis überschritten (Z 11 erster Fall).
[13] Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang sei zum aufgehobenen Einziehungserkenntnis, insbesondere in Bezug auf ON 84, Position 1 („1 elektrische Zigarette mit Cannabisanhaftung“), hinzugefügt:
[14] Während § 34 SMG nur bei Suchtmitteln (§ 1 Abs 2 SMG) anwendbar ist, setzt die Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass die vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken, wobei das Wort „geboten“ die Deliktstauglichkeit des Gegenstands anspricht (RIS‑Justiz RS0121298).
[15] Eine elektrische Zigarette ist – per se – keineswegs besonders deliktstauglich. Eine bestehende „Cannabisanhaftung“ könnte ohne Weiteres entfernt werden, sodass die Einziehung überdies nur zulässig wäre, wenn dem Berechtigten zuvor Gelegenheit gegeben wurde, dies (auf eigene Kosten) zu veranlassen (§ 26 Abs 2 erster Satz StGB, RIS‑Justiz RS0088184 [T5]).
Zu den Konfiskationserkenntnissen:
[16] Gestützt auf § 19a Abs 1 StGB wurden – jeweils im Einzelnen bezeichnete – Gegenstände laut den Standblättern 589/21 (ON 82, betreffend den Angeklagten K*****) und 590/21 (ON 83, betreffend den Angeklagten H*****) konfisziert (US 3 f).
[17] Nach § 19a Abs 1 StGB sind Gegenstände zu konfiszieren, die zum Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz im Eigentum des Täters stehen (dazu Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 19a Rz 28) und von diesem zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat verwendet wurden, zu einer solchen Verwendung bestimmt worden waren oder die durch diese Handlung hervorgebracht wurden.
[18] Zu diesen Voraussetzungen des § 19a Abs 1 StGB sind dem Ersturteil keine Feststellungen zu entnehmen. Den Konfiskationserkenntnissen haftet daher Nichtigkeit aus Z 11 erster Fall an.
[19] Des Weiteren unterließ das Erstgericht die in § 19a Abs 2 StGB zwingend vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung gänzlich (Z 11 dritter Fall, RIS‑Justiz RS0088035 [insb T7]).
[20] Da das Einziehungserkenntnis und die Konfiskationserkenntnisse nicht mit Berufung bekämpft werden (RIS‑Justiz RS0130617 und RS0119220 [T9]), waren die Aussprüche bei der nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).
[21] Vorerst hat das Oberlandesgericht über die vom Angeklagten K***** ergriffene Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe zu entscheiden (§ 285i StPO).
[22] Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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