OGH 13Os101/21h

OGH13Os101/21h19.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Lampret in der Strafsache gegen ***** G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 2. Juli 2021, GZ 36 Hv 12/21s‑49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider, und des Verteidigers Mag. Wild zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00101.21H.1019.000

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

***** G***** wird für das ihm nach dem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 2. Juli 2021 (ON 49) zur Last liegende Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 nach dieser Gesetzesstelle gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. August 2019, AZ 29 Hv 33/19z, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von

vierundzwanzig Monaten

verurteilt.

Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wird die vom 19. Oktober 2020, 09:00 Uhr, bis zum 5. November 2020, 15:10 Uhr, erlittene Vorhaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.

 

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** G***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 schuldig erkannt und unter Anwendung des § 39 Abs 1 StGB sowie gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf die Urteile des Landesgerichts Salzburg vom 22. August 2019, AZ 29 Hv 33/19z, und des Bezirksgerichts Salzburg vom 25. Jänner 2021, AZ 29 U 451/20i, nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116 zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten verurteilt.

[2] Danach hat er im Sommer 2018 in S***** ***** Sch***** mit Gewalt zur Duldung der Penetration ihrer Vagina mit dem Finger, sohin einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, zu nötigen versucht, indem er ihre vor den Oberschenkeln verschränkten Arme auseinanderzuziehen trachtete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die vom Angeklagten aus Z 5 und 5a und von der Staatsanwaltschaft aus Z 11 jeweils des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden.

[4] Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, nicht aber jener des Angeklagten, kommt, wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

[5] Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider ließ das Erstgericht bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugin Sch***** weder den Zeitpunkt der Anzeigenerstattung noch die Angaben des Zeugen E*****, wonach ***** Sch***** die Beendigung ihrer Beziehung mit dem Angeklagten sehr getroffen habe, unberücksichtigt (US 9 und 10).

[6] An die Weigerung der Zeugin ***** Sch*****, sich einer aussagepsychologischen Begutachtung zu unterziehen (ON 48 S 2), wurden der Beschwerde zuwider zu Recht keine Beweiswerterwägungen geknüpft (vgl RIS‑Justiz RS0097552 [T6, T7 und T11]).

[7] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) die erstgerichtliche Annahme der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin ***** Sch***** (US 8) bekämpft, übersieht sie, dass diese – aufgrund des persönlichen Eindrucks in der Hauptverhandlung gewonnene – Überzeugung der Tatrichter einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0099419 [T2]).

[8] Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird ein aus Z 5a beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[10] Zutreffend zeigt die auf Z 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte, zum Nachteil des Angeklagten ausgeführte, Beschwerde auf, dass die Bedachtnahme auf ein Vor‑Urteil gemäß § 31 StGB nur dann in Betracht kommt, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten vor dem Vor‑Urteil erster Instanz verübt wurden (Ratz in WK2 StGB § 31 Rz 2). Liegen zwischen der Tatbegehung und der Aburteilung mehrere bestrafende Urteile, ist daher nur dann auf alle Bedacht zu nehmen, wenn sämtliche Taten vor dem ersten Urteil liegen (RIS‑Justiz RS0112524). Dem am 25. Jänner 2021 ergangenen Urteil des Bezirksgerichts Salzburg, AZ 29 U 451/20i, (ON 37), lag aber keine vor dem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. August 2019, sondern eine am 26. November 2020 begangene Tat zugrunde. Insoweit erweist sich die erstgerichtliche Bedachtnahme somit als verfehlt.

[11] Der Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führt zur Aufhebung des Strafausspruchs und zur diesbezüglichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Zur Strafneubemessung:

[12] ***** G***** weist mehrere, davon drei einschlägige, Vorstrafen auf. Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. November 2007, AZ 39 Hv 88/07v, wurde er – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf ein anderes Vor‑Urteil zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt, welche er bis zum 28. Mai 2012 verbüßte (ON 44 S 2). Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18. Oktober 2013, AZ 38 Hv 83/13k, wurde er wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, wobei der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe am 18. Oktober 2013 vollzogen wurde (ON 44 S 3). Da der Angeklagte schon zweimal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, zu Freiheitsstrafen verurteilt worden ist und diese Strafen wenigstens zum Teil verbüßt hat, wobei seit der Verbüßung bis zur jeweils folgenden Tat nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind (§ 39 Abs 2 StGB), liegen die Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB vor.

[13] Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. August 2019, AZ 29 Hv 33/19z, wurde ***** G***** mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt und nach § 106 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt (ON 9). Gemäß § 31 Abs 1 StGB war auf dieses Urteil Bedacht zu nehmen, die verhängte Sanktion war bei der Strafneubemessung zu berücksichtigen (§ 40 StGB).

[14] Erschwerend waren (mit Blick auf die Bedachtnahme) das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), mehrere auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) und das Vorliegen der Voraussetzungen der Strafschärfung des § 39 Abs 1 StGB (Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 8), mildernd das teilweise Verbleiben im Versuchsstadium (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) und das hinsichtlich der vom Vor‑Urteil umfassten Taten abgelegte reumütige Geständnis (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).

[15] Davon ausgehend erweist sich mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) und unter Bedachtnahme auf die im erwähnten Vor‑Urteil des Landesgerichts Salzburg verhängte Sanktion (§ 40 StGB) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von vierundzwanzig Monaten als schuldangemessen.

[16] Bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht kam mit Blick auf das erheblich getrübte Vorleben des G***** aus spezialpräventiven Erwägungen nicht in Betracht.

[17] Die Anrechnung der Vorhaftzeiten beruht auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.

[18] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.

[19] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

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