European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00098.21K.0916.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte A***** Z***** der Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 und Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 (I./1./ und I./2./), des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I./3./), des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 (zu ergänzen:) Z 1 StGB schuldig erkannt.
[2] Danach hat er
I./ in I***** sowie in B***** eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt durch Misshandlungen und (vorsätzliche [US 7]) Verletzungen am Körper sowie gefährliche Drohungen und Nötigungen ausgeübt, nämlich
1./ im Zeitraum 1. Juni 2009 bis zumindest 15. April 2015, sohin länger als ein Jahr, gegen seine am 15. April 1998 geborene und damit im Tatzeitraum teilweise unmündige Tochter M***** Z***** und zwar dadurch, dass er
a./ ihr mehrmals wöchentlich Ohrfeigen, Faustschläge sowie Schläge mit einer Rute oder einem Gürtel gegen Gesicht und Körper versetzte, wodurch sie stets über die Gewaltanwendung hinausgehende Schmerzen und teilweise Hämatome am ganzen Körper erlitt;
b./ sie in einer Vielzahl von Angriffen gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie zu Handlungen, nämlich zur Befolgung seiner Anweisungen zu zwingen;
c./ sie in einer Vielzahl von Angriffen nahezu täglich durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie oder die Mutter umbringen, gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
2./ im Zeitraum 1. Juni 2009 bis zumindest 20. Februar 2015, sohin länger als ein Jahr, gegen seine am 22. Februar 2000 geborene und damit im Tatzeitraum teilweise unmündige Tochter S***** Z***** und zwar dadurch, dass er
a./ ihr mehrmals wöchentlich Ohrfeigen, Faustschläge sowie Schläge miteiner Rute oder einem Gürtel gegen Gesicht und Körper versetzte, wodurch sie stets über die Gewaltanwendung hinausgehende Schmerzen und teilweise Hämatome am ganzen Körper erlitt;
b./ sie in einer Vielzahl von Angriffen nahezu täglich gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie zu Handlungen, nämlich zur Befolgung seiner Anweisungen zu zwingen;
c./ sie in einer Vielzahl von Angriffen durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie oder die Mutter umbringen, gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
d./ sie am 22. Februar 2012 an ihren Haaren zog, zu Boden warf und ihr Tritte gegen den Oberkörper versetzte, wodurch sie mehrere Stunden an Atembeschwerden litt;
3./ im Zeitraum 2015 bis zum 7. Dezember 2019 gegen seine Ehegattin B***** Z***** und zwar dadurch, dass er sie
a./ zumindest einmal monatlich an den Haaren zog und ihr Ohrfeigen sowie Faustschläge gegen Gesicht und Körper versetzte, wodurch sie stets über die Gewaltanwendung hinausgehende Schmerzen und teilweise Hämatome am ganzen Körper erlitt;
b./ im Zeitraum von sieben Monaten im Jahr 2015 im Zuge gemeinsamer Ausbildungsfahrten für ihren Führerschein mehrmals wöchentlich an den Haaren zog und ihr Schläge gegen Gesicht und Körper versetzte, wodurch sie teilweise Verletzungen, wie Hämatome am Körper, erlitt;
c./ in einerVielzahl von Angriffen gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie zu Handlungen, nämlich zur Befolgung seiner Anweisungen zu zwingen;
d./ in einer Vielzahl von Angriffen durch die sinngemäße Äußerung, er werde sie und die gemeinsamen Töchter umbringen, gefährlich mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
II./ in I***** am 7. Dezember 2019 M***** Z***** vorsätzlich am Körper verletzt, indem er sie würgte und auf eine bestehende Operationswunde im Kieferbereich drückte, was eine blutende Wunde im Bereich der Lippe sowie über die Gewaltanwendung hinausgehende Schmerzen für die Dauer von cirka 10 Tagen zur Folge hatte;
III./ in I***** zu einem unbekannten Zeitpunkt cirka ein Jahr nach Aufnahme der Beziehung zu S***** Z***** den ***** Zi***** durch die sinngemäße Äußerung, er werde ihn umbringen, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Unterlassung, nämlich zur Aufgabe der Fortführung der Beziehung zu seiner Tochter S***** Z***** genötigt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 (zu ergänzen:) lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Mit der Behauptung, das Urteil sei undeutlich, weil nicht ersichtlich sei, welche Feststellungen sich aufgrund welcher Beweisergebnisse tatsächlich ergeben, entspricht die Mängelrüge nicht dem Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit begründender Umstände, sodass sie einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich ist (RIS-Justiz RS0099563 [T15]).
[5] Soweit die Mängelrüge weiters eine (ausreichende) Begründung für die Beurteilung fehlender Überzeugungskraft der Aussage des Zeugen ***** P*****, trotz gegenteiliger Behauptung des Opfers keine Wahrnehmungen zu vom Angeklagten ausgeübter Gewalt zu haben (ON 17 S 15 ff, ON 43 S 5 – vgl US 13), vermisst, lässt sie außer Acht, dass die (Nicht-)Annahme der Tatrichter von der (in der Regel erheblichen Tatsache der) Glaubwürdigkeit einer Beweisperson als (bloß) beweiswürdigende Erwägung keinen zulässigen Bezugspunkt des hier der Sache nach erhobenen Einwands offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) darstellt (RIS-Justiz RS0106588).
[6] Entgegen der weiteren Kritik unvollständiger Begründung der Feststellungen zur gegen M*****, S***** und B***** Z***** ausgeübten Gewalt (US 6 f) war das Erstgericht zur Erörterung von Lichtbildern, die ein harmonisches Familienleben zeigten, nicht verhalten, weil einzelne Momentaufnahmen des Zusammenlebens des Angeklagten mit den Opfern den in Rede stehenden Urteilskonstatierungen nicht entgegenstehen (RIS-Justiz RS0098646).
[7] Mit dem Einwand, bei der vom Schuldspruch III./ erfassten Äußerung habe es sich bloß um eine milieubedingte Unmutsäußerung gehandelt, vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) die gegenteiligen Feststellungen zu deren Bedeutungsinhalt und Ernstlichkeit sowie zum Vorsatz des Beschwerdeführers (US 9 und 17).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).
[9] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO sei bemerkt, dass der Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt die vom Schuldspruch I./1./ und I./2./ erfassten Taten allesamt im zeitlichen Geltungsbereich des § 107b StGB idF BGBl I 2009/40 beging. Sie erfüllen die Tatbestandselemente des § 107b Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 vierter Fall StGB idF BGBl I 2009/40 ebenso wie jene des zum Zeitpunkt der Urteilsfällung in erster Instanz in Geltung stehenden § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB idgF (BGBl I 2019/105). Da die angedrohte Strafe in beiden Gesetzesfassungen gleich streng ist (Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren sowohl nach Abs 4 vierter Fall aF als auch nach Abs 4 zweiter Fall idgF), sind Tat- und Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (RIS-Justiz RS0119085 [T1]) gleich günstig (11 Os 54/21g). Gemäß § 61 zweiter Satz StGB wären diese Taten daher rechtsrichtig § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB idgF zu unterstellen gewesen. Ihre Subsumtion nach Tatzeitrecht, wie sie das Erstgericht vornahm, ist hingegen verfehlt.
[10] Zur amtswegigen Wahrnehmung darin gelegener materieller Nichtigkeit (Z 10; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 653 und § 288 Rz 36) besteht jedoch kein Anlass, weil eine unrichtige Subsumtion den Angeklagten nicht ohne weiteres im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO benachteiligt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Aufgrund dieses Hinweises ist das Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung auch nicht an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO gebunden (RIS‑Justiz RS0118870).
[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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