European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00097.18H.0913.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. Dezember 2017, GZ 15 Hv 137/17h-7, verletzt § 32 MedienG.
Dieses Urteil wird aufgehoben und Susanne B***** von dem wider sie erhobenen Vorwurf,
sie habe am 20./21. März 2016 in S***** als Mitglied der Facebook-Gruppe „S*****“, der 1.187 Mitglieder angehörten – somit auf eine Weise, wodurch ihre Handlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde – durch den auf der Facebook‑Seite dieser Gruppe im Zusammenhang mit verhetzenden Kommentaren abgesondert verfolgter weiterer Täter geposteten Kommentar: „Würden wir es unten in ihrem Land tun, werden wir sofort erschossen, also weg mit diesem Gesindel“, eine nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen, nämlich Asylwerber und Personen mit Bleiberecht in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, in einer Weise beschimpft, die geeignet war, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Gründe:
Mit in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 6. Dezember 2017, GZ 15 Hv 137/17h‑7, wurde Susanne B***** des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach § 283 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie am 20./21. März 2016 in S***** sonst auf eine Weise, wodurch ihre Handlung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde, nämlich indem sie als eines der mehr als tausend Mitglieder der Gruppe „S*****“ auf deren Facebook-Seite den Kommentar: „Würden wir es unten in ihrem Land tun, werden wir sofort erschossen, also weg mit diesem Gesindel“ in der Absicht postete, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine nach den vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe von Personen, nämlich Asylwerber und Personen mit Bleiberecht, in einer Weise beschimpft, die geeignet war, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.
Die gekürzte Urteilsausfertigung enthält die erforderlichen Konstatierungen zur objektiven und subjektiven Tatseite (US 2), nicht aber solche zu verjährungshemmenden Tatsachen.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Für ein Medieninhaltsdelikt im Sinn des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG, also eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht, gilt gemäß § 28 MedienG die Spezialvorschrift des § 32 MedienG. Danach beginnt die Frist der Verjährung der Strafbarkeit eines Medieninhaltsdelikts zu der Zeit, da mit der Verbreitung im Inland begonnen wird (15 Os 129/17k [15 Os 130/17g]). § 58 Abs 1 StGB, der eine Sonderregelung für Erfolgsdelikte enthält, ist ausdrücklich nicht anzuwenden. Nach dem zweiten Satz des § 32 MedienG beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr; ist die strafbare Handlung hingegen mit einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht, so richtet sich die Frist nach § 57 Abs 3 StGB.
Durch die Verbreitung des genannten Kommentars im Wege der 1.187 Mitglieder zählenden Facebook-Gruppe „S*****“ wurde der Tatbestand der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB als Medieninhaltsdelikt gemäß § 1 Abs 1 Z 12 MedienG begangen. Unabhängig von der Dauer der Verbreitung begann die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt ihres Beginns (auch) im Inland, also (zu Gunsten der Angeklagten) am 20. März 2016, und endete – mangels Androhung einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe – nach dem Ablauf eines Jahres (vgl 11 Os 66/18t).
Da das – gemäß § 270 Abs 4 StPO gekürzt ausgefertigte – Urteil keine Feststellungen zu verjährungshemmenden Tatsachen nach § 58 Abs 2 oder Abs 3 StGB enthält und nach dem Akteninhalt solche auch nicht indiziert sind, verletzt der Schuldspruch § 32 MedienG.
Die im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen Klaus D***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 4 StGB, AZ 14 St 271/16b, an die Kriminalpolizei gerichtete Anordnung vom 13. Jänner 2017, „allfällige weitere Verdächtige mögen mangels Konnexität gesondert zur Anzeige gebracht werden“ (ON 1 S 3 in AZ 14 Hv 32/17k) vermag entgegen der dokumentierten Ansicht der Staatsanwaltschaft (ON 1 S 1 in AZ 15 Hv 137/17h) mangels unverwechselbar bezeichneter bestimmter Person des Täters, aber auch mangels Verdacht einer konkreten Tat im Sinn eines historischen Sachverhalts ( Marek in WK 2 StGB § 58 Rz 21/8) den Fortlauf der Verjährungsfrist gemäß § 58 Abs 3 Z 2 StGB nicht zu hemmen.
Diese Gesetzesverletzung gereicht der Verurteilten zum Nachteil, sodass sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verbinden und– mangels Indizien für verjährungshemmende Tatsachen – einen Freispruch zu fällen.
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