OGH 12Os93/12m

OGH12Os93/12m28.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel‑Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Suleman B***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 19. April 2012, GZ 14 Hv 23/12h‑28, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0120OS00093.12M.0828.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Suleman B***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 3 SMG und der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter (erg: und dritter) Fall SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in G*****, W***** und anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

1./ in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er im Zeitraum 2009 bis Juni 2011 in wiederholten Angriffen zumindest 8.225 Gramm THC‑hältiges Cannabiskraut (329 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz) den abgesondert Verfolgten Nikoletta K*****, Stefanie Sch*****, Yaya S*****, Victor F***** sowie an weitere, derzeit namentlich nicht bekannte Abnehmer überließ und zumindest 16 Gramm Kokain an Victor ***** F***** und Danja L***** weitergab,

2./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 16. Juni 2011 950,5 Gramm Cannabiskraut (45 +/‑ 2,3 Gramm Delta‑9‑THC in Reinsubstanz) in W***** übernahm und zum Zwecke der späteren Überlassung an Suchtgiftabnehmer nach G***** beförderte.

Rechtliche Beurteilung

Die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Die eingangs der Rüge ganz allgemein, nicht auf den vorliegenden Straffall bezogene, gegen eine restriktive Auslegung dieses Nichtigkeitsgrundes gerichtete Argumentation verfehlt den Anfechtungsrahmen einer Mängelrüge und ist daher unter diesem Gesichtspunkt einer Erwiderung nicht zugänglich.

Im Übrigen ist jedoch daran zu erinnern, dass eine mit denkrichtiger Begründung versehene Feststellung nicht als unzureichend begründet bekämpft und eine Rüge aus Z 5 auf die Behauptung, aus den vorliegenden Umständen könnten auch andere den Gesetzen der Logik entsprechende Schlussfolgerungen gezogen werden und die des Urteils seien nicht zwingend, nicht gestützt werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0099455, RS0098445 [insbesondere T3], RS0111358, RS0098471; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 449).

Schließlich wird durch die Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz des Art 6 Abs 2 MRK, wonach bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld vermutet wird, dass der Angeklagte unschuldig ist, keiner der von einer Mängelrüge erfassten Fehler behauptet (RIS‑Justiz RS0117445; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 454).

Soweit der Beschwerdeführer der Sache nach einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der ersichtlich zu seinen Gunsten auf seine Verantwortung in der Hauptverhandlung (ON 27 S 5) gestützten Urteilsannahme behauptet, er habe ‑ an Suchtmittel gewöhnt ‑ 600 Gramm Marihuana für seinen Eigenkonsum verwendet (US 4), und der auf seine Einlassung vor der Polizei gegründeten Erwägung, er würde nur „hin und wieder“ Marihuana rauchen (US 5 iVm ON 4 S 73), vernachlässigt er, dass die Tatrichter ihre Konstatierung, der Angeklagte habe die Tat nicht vorwiegend deshalb begangen, um sich für den persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, nicht bloß auf das zuletzt genannte Argument gründeten, sondern vorwiegend auf seine Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse, die großen in Verkehr gesetzten Suchtgiftmengen und seine eigene Verantwortung, er habe mit den Gewinnen auch seinen Lebensunterhalt finanziert (US 5). Solcherart vernachlässigt die Beschwerde jedoch die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und damit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0119370; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 394).

Dass es demgegenüber einer gesonderten Erörterung der Behauptung des Nichtigkeitswerbers bedurft hätte, er habe sich Marihuana nicht leisten können, wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Seine ursprüngliche Verantwortung, er habe das bei ihm sichergestellte Kilogramm Suchtgift für den Eigengebrauch besorgt (vgl demgegenüber ON 27 S 3), berücksichtigte das Erstgericht der Rüge zuwider ohnedies (US 4).

Nicht bloß aus der Aussage des Zeugen Stefan Sa*****, sondern insbesondere aus dem Inhalt der relevanten Telefonüberwachungsprotokolle erschloss das Schöffengericht ‑ entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) ‑ im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen, dass der Angeklagte anlässlich von acht Fahrten zumindest 8.000 Gramm Marihuana von W***** nach G***** brachte und sodann anderen überließ. Dabei nahm das erkennende Gericht entgegen den Einwänden des Rechtsmittelwerbers auch auf seine Verantwortung Bezug, stets nur 50, 100 oder maximal 150 Gramm transportiert zu haben (US 5 f). Einer gesonderten Erörterung des zwischen W***** und G***** bei Suchtgiftprodukten bestehenden Preisgefälles bedurfte es daher nicht.

Weshalb es eine entscheidende oder erhebliche Tatsache (zu den Begriffen Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 398 ff, 409 ff) tangieren sollte, dass „die (gemeint offenbar: namentlich) festgestellten Suchtgiftabnehmer nur einen Bruchteil des laut Urteil in Verkehr gesetzten Suchtgifts erhalten haben“, macht die Rüge nicht klar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Angeklagte hat durch seine Verteidigerin mit Schriftsatz vom 20. April 2012 (ON 30) das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, nicht aber jenes der Berufung (vgl §§ 280, 284 Abs 1, 294 Abs 1 StPO).

Die dennoch ausgeführte Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe war daher in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO; Ratz , WK‑StPO § 280 Rz 3; RIS‑Justiz RS0100042).

Angemerkt wird, dass die zu § 28 Abs 2 SMG aF und in der Folge auch zu § 28a Abs 1 SMG mit Blick auf die dort bestehende Gewerbsmäßigkeitsqualifikation (§ 28 Abs 3 erster Fall SMG aF, nunmehr § 28a Abs 2 Z 1 SMG) entwickelte Judikatur der Verwirklichung des Tatbestands bereits bei Erreichen der Grenzmenge und demzufolge der Annahme mehrerer Verbrechen auch bei einer einzigen Tat nach Maßgabe der Anzahl der durch diese Tat erfassten, gedanklich zu trennenden, jeweils die Grenzmengen (§ 28b SMG) übersteigenden Mengen beim Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG (sowohl in der alten als auch in der geltenden Fassung) mangels einer dort bestehenden Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nicht anzuwenden ist (RIS‑Justiz RS0119836).

Das Erstgericht hat daher Faktum 2./ rechtsirrig unter die Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter (und dritter) Fall SMG subsumiert (vgl auch US 7).

Diese Gesetzesverletzung wirkte sich im konkreten Fall jedoch für den Angeklagten nicht nachteilig iSd § 290 Abs 1 StPO aus, weil bei der Strafbemessung zwar zu Unrecht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit Vergehen, nicht aber ‑ wie es statt dessen richtig gewesen wäre ‑ die mehrfache Überschreitung der Grenzmenge als erschwerend angelastet wurde (vgl Ratz , WK‑StPO § 290 Rz 22 und 24; RIS‑Justiz RS0114927). Zu einem Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO bestand daher kein Anlass.

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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