OGH 12Os89/04

OGH12Os89/0423.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber, Dr. Philipp, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Matschegg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michel S***** sowie einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Angeklagten Dominik M***** sowie seiner Mutter Antonia M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 5. April 2004, GZ 39 Hv 23/04i-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten Dominik M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde (ua) Dominik M***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB (I) sowie des teilweise als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) begangenen, teils vollendeten, teils versuchten Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II) schuldig erkannt, weil er

I. am 8. Oktober 2003 in Dornbirn im einverständlichen Zusammenwirken mit Michel S***** Verfügungsberechtigten der M***** GmbH einen DVD-R/RW Writer samt Installations-CD im Wert von 349 EUR mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegnahm, wobei sich beide Angeklagte bei ihrer Betretung auf frischer Tat gewaltsam aus dem Festhaltegriff des Kaufhausdetektives Günther W***** losrissen, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten sowie

II. in Bregenz Verfügungsberechtigten des S***** fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegnahm (a, b) und dies versuchte (c), nämlich

a) Mitte August 2003 eine PC-Mouse im Wert von 8,99 EUR und ein Mouse-Pad im Wert von 5,99 EUR,

  1. b) Mitte September 2003 ein Mouse-Pad im Wert von 10,89 EUR und
  2. c) am 11. Oktober 2003 zwei Packungen CD-Rohlinge im Wert von je 7,49 EUR, indem er eine Packung an sich nahm und durch Leistung von Aufpasserdiensten zur Ausführung des (im Versuchsstadium gebliebenen) Diebstahls einer weiteren Packung durch den hiefür abgesondert verfolgten Michel S***** beitrug.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten Dominik M***** und seiner Mutter Antonia M***** aus den Gründen der Z 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen, gemeinsam ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten hätte nach § 285a Z 1 StPO schon vom Gerichtshof erster Instanz zurückgewiesen werden sollen, weil jener auf sie nach der Urteilsverkündung verzichtet hat (S 161).

Die Mängelrüge (Z 5, nominell verfehlt auch Z 9 lit a) der Antonia M*****, welche die Feststellung, (auch) die Gewaltanwendung durch Michel S***** sei vom Vorsatz des Angeklagten getragen gewesen, als unzureichend begründet erachtet, vermag nicht darzulegen, aus welchem Grund die diesbezügliche beweiswürdigende Bezugnahme auf das eigene Fluchtverhalten des Angeklagten, insbesonders den Umstand, dass er selbst - nach vorherigem körperlichen Widerstand gegen die Anhaltung durch den Kaufhausdetektiv - mit einem Teil der Beute flüchtete, (US 14) dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht entsprechen soll. Der argumentative Einwand, die Gewaltanwendung sei nicht ausdrücklich vereinbart worden, ist nicht zielführend, weil er die - in concreto vom Erstgericht auch angenommene - Möglichkeit einer konkludenten Willensübereinkunft übergeht.

Soweit die Beschwerde danach trachtet, aus dem Verhalten des Angeklagten für diesen günstigere Schlüsse als das Erstgericht abzuleiten, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Korrespondierendes gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), die den mängelfreien beweiswürdigenden Darlegungen des Erstgerichts zu bezüglich der Intensität der Gewaltanwendung durch den Angeklagten divergierenden Depositionen des Zeugen W***** (US 12) eigene, spekulative Erwägungen entgegensetzt und die tatrichterlichen Ausführungen zum (auch) auf den gewaltsamen Beuteerhalt durch Michel S***** gerichteten Vorsatz des Angeklagten unsubstantiiert als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet und solcherart keine Bedenken an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage zu wecken vermag. Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) die Unterstellung des körperlichen Widerstandes des Angeklagten gegen die Anhaltung durch den Kaufhausdetektiv unter den Gewaltbegriff des § 131 StGB bekämpft, bezieht sie sich im Hinblick auf die - unbestrittene, nach den Feststellungen des Erstgerichtes vom Vorsatz des Angeklagten getragene - Gewaltanwendung durch den Mittäter nicht auf entscheidende Tatsachen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als teils offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO), teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 1 und Z 2 StPO) schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Verfehlt ist jedoch die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene getrennte Beurteilung der Taten als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB und (zusätzlich) als (teils vollendetes, teils versuchtes) Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB. Der Begriff der "strafbaren Handlung" des § 260 Abs 1 Z 2 StPO meint nämlich bei wert- oder schadensqualifizierten Delikten, anders als dort, wo der Strafrahmen nach § 28 StGB zu bilden ist, zufolge der speziellen Bestimmung des § 29 StGB eine nach Maßgabe des Zusammenrechnungsgrundsatzes entstandene Subsumtionseinheit sui generis. Demzufolge werden nach ständiger, vom Erstgericht dennoch unbeachtet gebliebener Rechtsprechung (15 Os 11/97, RZ 1997/83; 14 Os 65/99, JBl 2000, 262; zuletzt 13 Os 45/04; 12 Os 71/04) alle in einem Verfahren dem selben Täter angelasteten Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei der rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammengefasst; die getrennte Annahme eines Vergehens des Diebstahls neben einem Verbrechen des Diebstahls ist daher unzulässig. Die aus diesem Subsumtionsfehler resultierende und damit materiell verfehlte Annahme des Erschwerungsumstandes des Zusammentreffens eines Verbrechens mit einem Vergehen ist zwar grundsätzlich geeignet, den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO herzustellen, bietet aber in concreto keinen Anlass für ein amtswegiges Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO, weil die betroffene Sanktion den Gegenstand einer zu Gunsten des Angeklagten ergriffenen Berufung bildet und im Hinblick auf die vom Obersten Gerichtshof vorgenommene Feststellung verfehlter Subsumtion bei der Berufungsentscheidung insoweit keine (dem Berufungswerber nachteilige) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (vgl 13 Os 21/04; 14 Os 37/04; Ratz, WK-StPO § 283 Rz 1).

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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