OGH 12Os87/97 (12Os88/97)

OGH12Os87/97 (12Os88/97)31.7.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 31.Juli 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schillhammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Siegfried S***** und Irmgard S***** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB, Irmgard S***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15.April 1997, GZ 9 Vr 2.253/96-19, sowie über die Beschwerde des Siegfried S***** gegen den gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Widerrufsbeschluß nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden und aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil, das in seinem freisprechenden Teil unberührt bleibt, sowie der zugleich damit gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßte Widerrufsbeschluß aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit den Berufungen und der Beschwerde werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurden die beiden Angeklagten des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB, Irmgard S***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Darnach haben in Graz und Wildon

I. Siegfried S***** sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden 500.000 S übersteigt, indem er

die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten seiner Ehegattin Irmgard S***** veranlaßte, und zwar (1.) am 26.März 1993 auf seinen 21/535 und 59/535 Anteilen (Anteile 40 und 43) der Liegenschaft EZ 804 GB 63105 Gries im Wert von mindestens 900.000 S und (2.) am 20.Oktober 1994 auf seinem 256/1026 Anteil (Anteil 1) an der Liegenschaft EZ 830 GB 66431 Wildon im Wert von mindestens 1 Mio S sowie

3. am 16.August 1995 seinen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 1190 GB 63108 Andritz in einem "nicht näher bekannten, 1 Mio S jedenfalls übersteigenden" Wert seinem Sohn Patrick S***** schenkte und in die Einverleibung dessen Eigentumsrechtes am Liegenschaftsanteil einwilligte;

II. Irmgard S***** zur Ausführung der zu I./3. bezeichneten Tat dadurch beigetragen, daß sie als gesetzliche Vertreterin des minderjährigen Patrick S***** die Schenkung des Hälfteanteils durch Unterzeichnung des Schenkungsvertrages annahm.

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die beide auf die Gründe der Z 5 und 9 lit a, Irmgard S***** auch der Z 5 a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gründen.

Die Beschwerden sind berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu den Schuldsprüchen laut Punkt I./3. und II. des Urteils:

Nach dem Urteilssachverhalt stand die Liegenschaft EZ 1190, GB 63108 Andritz, vor dem Schenkungsvertrag je zur Hälfte im Eigentum des Angeklagten Siegfried S***** und seiner (am 18.März 1918 geborenen - 547/I) Mutter Friederike S*****, zu deren Gunsten auf dem Hälfteanteil ihres Sohnes ein Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt war (US 13). Damit schied die Liegenschaft zwar nicht grundsätzlich als Tatobjekt nach § 156 StGB aus, weil die solcherart dem exekutiven Zugriff der Gläubiger gesetzte zeitliche Schranke mit dem Tod der - zur Tatzeit bereits 77-jährigen - Berechtigten weggefallen wäre (14 Os 174/93). Dessenungeachtet hätte diese Sachverhaltskomponente im Sinne der beiderseitigen Beschwerdevorbringen (der Sache nach Z 5 und 5 a) auf der subjektiven Tatbestandsebene eine nähere Begründung erfordert, welche im konkreten Fall umsomehr geboten war, als die Verantwortung der Beschwerdeführer, auf Grund des bestehenden Veräußerungs- und Belastungsverbotes eine Gläubigerschädigung nicht für möglich gehalten zu haben (489, 509/I), auch der Einschätzung ihrer Rechtsberaterin Dr.Herta F***** anläßlich der Errichtung des Schenkungsvertrages entsprach (547/I). Daß Dr.F***** dabei die - fallbezogen engen - zeitlichen Grenzen des Verwertungshindernisses zu Unrecht vernachlässigt hatte, entbindet das Erstgericht ungeachtet des auf Grund des gesamten Urteilssachverhaltes indizierten Bestrebens des Erstangeklagten, die Verwertung seines Liegenschaftsbesitzes durch seine Gläubiger zu torpedieren, nicht von seiner Verpflichtung, jene Gründe anzugeben, kraft derer die Beschwerdeführer auch in diesem Fall mit Schädigungsvorsatz gehandelt haben.

Jedenfalls teilweise im Recht sind die Angeklagten aber auch mit ihren Einwänden gegen die Schadensberechnung (sachlich Z 9 lit a):

Bei Ermittlung des Gläubigerschadens ist der Wert des dem - wenn auch vorübergehend blockierten - exekutiven Zugriff der Gläubiger unterliegenden Schuldnervermögens vor der Tat (hier dem Abschluß eines Schenkungsvertrages unter gleichzeitiger Vereinbarung eines vom Geschenknehmer dem Erstangeklagten höchstpersönlich eingeräumten lebenslänglichen Wohnrechtes - 603/I) mit jenem danach zu vergleichen. Somit bildet der vom Sachverständigen mit 977.375 S (581/I) ermittelte Verkehrswert der mit der Verbücherung des Schenkungsvertrages aus dem Schuldnervermögen endgültig ausgeschiedenen Liegenschaftshälfte des Siegfried S***** - im Gegensatz zu dem vom Erstgericht (im übrigen im Widerspruch zur weiteren Urteilsbegründung - US 13 bis 15) herangezogenen Gesamtwert der Liegenschaft - die obere Grenze des möglichen Schadens. Das wertmindernde Wohnrecht der Friederike S***** hat vor der inkriminierten Tat nicht bestanden (603/I) und ist demnach - insoweit auch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer - bei der Schadensberechnung nicht in Abzug zu bringen. Ob das mit dem Schenkungsvertrag dem Erstangeklagten uno actu eingeräumte Wohnrecht hingegen im Sinne der Beschwerden schadensmindernd wirkt, hängt entscheidend davon ab, ob es sich dabei bloß um die Gewährung einer (ausschließlich auf das eigene Bedürfnis eingeschränkten) Dienstbarkeit oder aber eines Fruchtgenußrechtes handelt. Denn nur letzteres ist übertragbar und kann demnach in Exekution gezogen werden (RpflSlgE 1984/89; MietSlg 24.035 ff; Dietrich/Tades ABGB34 § 521 E 1, 21, 38 f, 50 f; Feil, Exekutionsordnung § 331 Rz 1; Angst-Jakusch-Pimmer, Exekutionsordnung13 § 331 E 88 f). Die jeweilige Abgrenzung ist durch Vertragsauslegung zu klären. Feststellungen, welche die Rechtsnatur dieser Vereinbarung beurteilen ließen, fehlen im Urteil zur Gänze. Dieser Mangel (Z 9 lit a, gegebenenfalls Z 10) wird auch nicht dadurch relativiert, daß ein auf exekutive Verwertbarkeit des Wohnrechtes gerichteter Vertragswille der Angeklagten nach dem Urteilssachverhalt kontraindiziert ist.

Sollte das Wohnrecht des Erstangeklagten tat- sächlich als Fruchtgenußrecht zu interpretieren sein, wäre dessen vom Sachverständigen mit 600.000 S ermittelter Barwert, vermindert um den nach der Expertise nach Lage des Falles unumgänglichen Investitionsaufwand von 165.000 S (585/I) bei der Schadensberechnung vom Verkehrswert der Liegenschaft abzuziehen, weil insoweit durch die Tat ein teilweiser Vermögensausgleich für die Gläubiger geschaffen worden wäre. Aus welchem Grund dem vom Erstgericht ohnehin, wenn auch ohne jede Deckung durch entsprechende Feststellungen, als exekutiv verwertbar angesehenen Wohn- recht - noch dazu ohne Abzug des notwendigen Investitionsaufwandes - im Sinne der Urteilsbegründung schadenserhöhende Wirkung zukommen sollte (US 14 und 15), läßt sich nicht nachvollziehen.

Die Vermögensreduzierung errechnete sich zwar auch in diesem Fall mit 542.375 S (977.375 S abzüglich 435.000 S); wegen des knappen Überschreitens der Wert- grenze des § 156 Abs 2 StGB wäre unter dieser Prämisse jedoch in Ansehung der Angeklagten Irmgard S*****, welcher die Beteiligung allein an dieser Tat angelastet wurde, eine nähere Begründung des auf die Herbeiführung eines über 500.000 S liegenden Schadens gerichteten Vorsatzes erforderlich.

Somit erweist sich im aufgezeigten Umfang (Punkt I./3., II.) die Durchführung einer neuen Hauptver- handlung als unumgänglich.

Zu den Schuldsprüchen laut Punkt I./1. und 2. des Urteils:

Auch dazu trifft es im Sinne des Beschwerdevor- bringens (der Sache nach Z 5) zu, daß die subjektive Tatseite, soweit sie sich auf die Gläubigerschädigung bezieht, mit dem alleinigen Hinweis auf die dingliche Wirkung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes und die auf Erhaltung des Liegenschaftsbesitzes gerichtete Interessenlage des Beschwerdeführers unzureichend begründet ist.

Da die in § 156 StGB objektiv vorausgesetzte Gläubigerbenachteiligung keine dauernde sein muß (Leukauf/Steininger Komm3 § 156 RN 11), ist die Einverleibung eines Veräußerungs- und Belastungsverbotes trotz der damit für die Gläubiger keineswegs von vornherein für immer ausgeschlossenen Verwertungsmöglichkeit bereits tatbildlich (14 Os 174/93). Wird jedoch zunächst mit Schädigungsvorsatz dessen Intabulierung veranlaßt und in der Folge die Liegenschaft an den aus dem Verbot Berechtigten veräußert, so handelt es sich bei Ersterem bloß um ein Durchgangsstadium zur endgültigen Gläubigerbenachteiligung, das dem Täter - einen einheitlichen Vorsatz vorausgesetzt - strafrechtlich nicht gesondert angelastet werden kann.

Im konkreten Fall hat das Erstgericht hinsichtlich der von Punkt I./1. des Schuldspruchs betroffenen Liegenschaftsanteile einen auf Gläubigerbenachteiligung gerichteten Vorsatz des Erstangeklagten zum Zeitpunkt der Einräumung des Veräußerungs- und Belastungsverbotes zugunsten seiner Ehegattin festgestellt (US 9 und 12), diesen jedoch zum Zeitpunkt der nachfolgenden Schenkung verneint und den Beschwerdeführer diesbezüglich vom Vorwurf der betrügerischen Krida mit der Begründung freigesprochen, daß der seiner Ehegattin durch deren späteren Verkauf eines der Liegenschaftsanteile zugeflossene Kaufpreis zur Gänze an einen (Pfand-)Gläubiger überwiesen und damit zur Schuldenverringerung verwendet wurde (US 12).

Auch im Urteilsfaktum I./2. traf das Schöffengericht im Widerspruch zum auch insoweit im Tatzeitpunkt angenommenen Schädigungsvorsatz des Siegfried S***** die Feststellung, daß seine Ehegattin, welche in der Folge die Liegenschaft mittels eines aufgenommenen Kredites erwarb, die Kreditsumme in der Höhe des Kaufpreises zur Bezahlung der Schulden des Erstangeklagten - nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens jene bei der Raiffeisenbank W*****, zu deren Gunsten ein Pfandrecht auf der Immobilie eingetragen war - verwendete (US 10).

Aus welchen Gründen die Tatrichter bei der vor- läufigen Entziehung der Liegenschaftsanteile einen Schädi- gungsvorsatz annahmen, bei der endgültigen Entziehung der Vermögenswerte jedoch verneinten, bleibt im Urteil offen. Wenn auch der Akteninhalt dafür spricht, daß die Liegenschaftsverkäufe zugunsten der pfandrechtlich abgesicherten Hauptgläubigerin, der Raiffeisenkasse W*****, möglicherweise über deren späteres Betreiben zwecks optimaler Pfandverwertung und für den Beschwerdeführer zunächst nicht vorhersehbar erfolgt sind, ist die nähere Auseinandersetzung mit diesem Beweisergebnis unerläßlich.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof überdies davon überzeugen (§ 290 Abs 1 StPO), daß das Urteil (Punkt I./1. und 2.) insoferne an einem von Amts wegen wahrzunehmenden Feststellungsmangel leidet (Z 9 lit a), als trotz dagegensprechender Beweisergebnisse offen bleibt, ob die tatbetroffenen Liegenschaftsanteile den den Banken im Rang nachfolgenden Gläubigern überhaupt jemals auch nur die theoretische Möglichkeit einer Befriedigung bieten konnten. Dieser Mangel hindert den für die Schadensermittlung unerläßlichen Vergleich der den Gläubigern unter Berücksichtigung ihrer ökonomischen Gesamtsituation vor und nach der jeweiligen Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes offenstehenden Möglichkeiten, im exekutiven Wege auf die betreffenden Vermögenswerte zu greifen (vgl 14 Os 179/95).

Vorliegend ist durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens indiziert, daß die Liegenschaftsanteile zum Zeitpunkt der Tathandlungen derart mit vorrangigen Pfandrechten belastet waren, daß sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise von vornherein als Befriedigungsobjekt anderer Gläubiger ausschieden, zumal die finanzielle Lage des Beschwerdeführers eine - in der Folge auch tatsächlich unterbliebene - Befriedigung der vorrangigen Pfandgläubiger aus anderen Vermögenswerten ersichtlich nicht gestattete. Damit wäre aber auch eine Gläubigerbenachteiligung durch die inkriminierten Verfügungen ausgeschlossen.

Der Liegenschaftsanteil 256/1026, EZ 830 GB Wildon (I./2.), war im Rang C 3 mit einer Höchstbetragshypothek von 5 Mio S zugunsten der Raiffeisenbank W***** belastet (205 f/I). Das entsprechende Kreditkonto des Erstangeklagten wies laut den im Akt erliegenden Kontoauszügen am 4.August 1994 einen Sollstand von 2, 282.792,90 S und am 14.Februar 1995 einen solchen von 1,844.861,90 S auf (101/I). Die nachfolgenden in den Rängen C 5 bis 9 einverleibten Pfandrechte, die nach dem Verkauf der Liegenschaft an Irmgard S***** gelöscht wurden (206/I), waren unter Berücksichtigung des dem Urteil zugrundeliegenden Liegenschaftswertes von 1 Mio S daher - je nach Höhe der bei ihrer Intabulierung tatsächlich aushaftenden Forderung - möglicherweise von vornherein wertlos.

Auf den Liegenschaftsanteilen 21/535 und 59/535, EZ 804 GB Gries (I./1.) lasteten die Höchstbetragspfandrechte der Raiffeisenkasse G***** über 2,343.600 S sowie der Raiffeisenbank W***** über 5 Mio S (letzteres simultan auch auf dem oben erwähnten Anteil), am erstbezeichneten Anteil überdies ein Pfandrecht der Raiffeisenkasse G***** im restlichen Höchstbetrag von 340.000 S (361 f, 387 f/I). In diese Pfandrechte trat die Zweitangeklagte als Geschenknehmerin ein. Angesichts dieser Belastung durch Pfandrechte ist auch diesbezüglich eine Befriedigungsmöglichkeit nachrangiger Gläubiger höchst zweifelhaft.

Diese aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel zwingen bereits in nichtöffentlicher Beratung zur Kassierung der Schuldsprüche (I. und II.), der Straf- aussprüche wie auch der die Forderungen Privatbeteiligter betreffenden Aussprüche und demzufolge auch des gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO gefaßten Widerrufsbeschlusses (§ 285 e StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten ebenso auf diese Entscheidung zu verweisen wie der Angeklagte Siegfried S***** mit seiner Beschwerde.

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